So erkennen Sie, ob Ihr Kind unter Depressionen leidet
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Die Corona-Pandemie und damit verbundene Maßnahmen haben weltweit zu mehr psychischen Erkrankungen bei Kindern geführt.
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Die Corona-Pandemie und damit verbundene Maßnahmen haben weltweit zu mehr psychischen Erkrankungen bei Kindern geführt. Die Hilfsorganisation Save the Children berichtet anhand von Daten der Oxford University von mehr Depressionen, Angstzuständen und Selbstgefährdung bei Kindern. Das gilt auch für Kinder in Deutschland. Laut einer noch unveröffentlichte Studie sollen bis zu 500 Kinder und Jugendliche im zweiten Lockdown bundesweit wegen eines Suizidversuchs stationär aufgenommen worden sein. Dabei handelt es sich im Vergleich zum ersten Lockdown um eine Steigerung von 400 Prozent.
Aber wie erkennen Eltern eigentlich, ob ihr Kind an einer Depression leiden könnte und wann ist die psychotherapeutische Behandlung eines Kindes nötig?
Extreme Veränderungen beim Kind
Eine Diagnose sollte immer von Expertinnen und Experten gestellt werden. Eltern können an ihren Kindern aber Auffälligkeiten festmachen, die für eine psychische Erkrankung sprechen könnten. Bernhard Moors, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut und stellvertretender Bundesvorsitzender der Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in Deutschland (VAKJP) erklärt, dass es bei Kindern und Jugendlichen wichtig ist, dass „das Ausmaß dieser affektiven Zustände die übliche Ausprägung der jeweiligen Entwicklungsphase deutlich übersteigt“. Heißt: Wenn sich im Verhalten des Kindes etwas extrem geändert hat und dies nichts mit üblichen Entwicklungsveränderungen zu tun hat, sollten Eltern besonders aufmerksam werden.
Auffallend wäre es laut Marion Schwarz, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten (BKJ), beispielsweise, wenn Kinder sich etwa gar nicht mehr verabreden oder rausgehen, obwohl sie es jetzt wieder dürften. Bernhard Moors erklärt, dass es je nach Alter und Entwicklungsstufe des Kindes unterschiedliche Auffälligkeiten gibt.
Kinder reagieren sehr unterschiedlich
Auf folgende Symptome sollten Eltern achten:
Kleinkinder in einem Alter von ein bis drei Jahren weisen bei einer Depression etwa gestische und mimische Ausdrucksarmut, ängstliches und gehemmtes Verhalten und wenig Interesse an Aktivitäten, die mit Motorik zusammenhängen, auf. Diese Kinder spielen wenig, bilden kein Gruppenverhalten und versuchen auch nicht, ihre Umgebung zu entdecken. Depressive Kleinkinder haben oft mit Trennungsängsten, Ess- oder Schlafstörungen oder hyperaktivem Verhalten zu kämpfen. Außerdem verhalten die Kinder sich entweder wieder babyhafter oder fallen durch seltsam erwachsenes Verhalten auf.
Kinder in einem Alter von vier bis sechs Jahren sind bei einer Depression leichter reizbar, stimmungslabil und ziehen sich häufiger zurück. Diese Kinder sind häufig müde, leiden aber auch an Ess- und Schlafstörungen und Bauch- und Kopfschmerzen. Außerdem verfallen diese Kinder häufig in frühkindliche Phasen zurück und nässen dann etwa ein.
Kinder in einem Alter von sieben bis zehn Jahren haben bei einer Depression häufig eine sehr negative Selbsteinschätzung, auffällige Hemmungen und Zukunftsängste. Sie fallen dadurch auf, dass sie wenig Kontakt zu Gleichaltrigen oder eine generelle Bindungslosigkeit zu anderen Kindern haben. Diese Kinder verfügen über kein altersgerechtes Bewegen oder Sprechen, grübeln viel, leiden unter Konzentrations- und Leistungsstörungen und eingeschränkter Kreativität und Fantasie. Auch diese Kinder fallen häufig in frühkindliche Phasen zurück und nässen dann etwa ein oder lutschen wieder am Daumen.
Kinder in einem Alter von elf bis 15 Jahren leiden bei einer Depression an Selbstzweifeln, genereller Angst, und Konzentrations- und Leistungsstörungen. Diese Kinder sind apathisch, ziehen sich sozial zurück und leiden unter Ess- und Schlafstörungen. Auffallend sind vor allem extreme Schwankungen in der Befindlichkeit.
Expertin oder Experten zu Rate ziehen
„Traurigkeit und Niedergeschlagenheit gehören manchmal zum Leben dazu“, sagt Moors. Man dürfe eine niedergedrückte Stimmung nicht sofort als ein Symptom erachten, aber wenn eine Auffälligkeit länger als sechs Monate anhalte, könne diese behandlungsbedürftig werden. Depressionen können zudem „relativ plötzlich oder auch schleichend auftreten“ und dann über einen längeren Zeitraum anhalten.
Wenn Eltern bei ihren Kindern Auffälligkeiten bemerken, ist es wichtig, das Gespräch zu suchen und Interesse an dem zu zeigen, was sie tun, erklärt Schwarz. Manchmal könne es den Kindern schon etwas bringen, wenn die Eltern sich mehr Zeit nehmen. „Dass die Kinder ins Bett der Eltern kommen und kuscheln dürfen, obwohl eigentlich schon Schlafenszeit ist, kann helfen“, sagt Schwarz. Es könne sein, dass das Kind sich einsam fühlt, und gerade dann sollte man der Psychotherapeutin zufolge Nähe zulassen.
Fehlende Nähe könnte sonst zu psychischen Auffälligkeiten führen. „Die heute Vierjährigen haben die Hälfte ihres Lebens unter Bedingungen der Pandemie verbracht“, sagt der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Moors. Kinder bräuchten soziale Kontakte aber nicht nur, um zu lernen, sondern auch, um sich zu erproben und sich zu entwickeln.
Eltern sollten sich, wenn sie Hilfe suchen, an eine Kinder- und Jugendlichentherapeutin oder -therapeuten wenden. „Der kann dann auch sagen, ob etwas seelisch bedingt ist oder ob vielleicht eine organische Störung vorliegt“, sagt Moors. „Sich Unterstützung zu suchen kann oft helfen oder eine angespannte Familiensituation erleichtern.“
RND