Resistente Pilzart: Wie gefährlich ist Candida auris?
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Bisher gibt es in Deutschland 43 bekannte Fälle von Candida auris.
© Quelle: picture alliance / Nicolas Armer/dpa
Würzburg. Gerade einmal 43 Fälle bis Ende 2022 sind es hierzulande, die Forscherinnen und Forschern Sorge bereiten. Das klingt nicht viel, dennoch fordert ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Würzburg, Jena und Berlin jetzt eine Meldepflicht für Infektionen mit dem Hefepilz Candida auris. Denn die erst seit 2009 bekannte Pilzart hat es in sich: Sie kann Resistenzen gegen alle verfügbaren Antipilzmittel entwickeln – von denen es ohnehin nur wenige gibt. Der Mikrobiologie Alexander Aldejohann von der Uni Würzburg warnt: „Unsere Erfahrung zeigt, dass jede Infektion mit Candida auris schwer zu behandeln und für Patienten und Patientinnen potenziell lebensbedrohlich ist.“
Alexander Aldejohann ist Mikrobiologe an der Universität Würzburg.
© Quelle: privat
Droht Deutschland womöglich bald eine Pilzinfektionswelle? Das Forscherteam rund um Aldejohann ist vor allem über die „dramatische Zunahme“ von Candida-auris-Infektionen in den USA besorgt. Innerhalb eines Jahres verdreifachte sich dort die Zahl der bekannten Fälle. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC stuft Candida auris als „dringliche Bedrohung“ ein. Das ist die höchste Kategorie bei multiresistenten Krankheitserregern. In diesem Jahr landete die Pilzart als einer von nur vier Pilzerregern in einer Liste der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ebenfalls in der höchsten Warnstufe. Woher genau Candida auris kommt, gibt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bisher Rätsel auf.
„Warnsignal, um gut vorbereitet zu sein“
In Deutschland sind die Zahlen im Vergleich zu den USA bisher auf niedrigem Niveau. Aber auch hierzulande haben sich die Infektionen mit Candida auris von 2020 bis 2021 verdoppelt. „Die anderen Länder sind uns, was Infektionszahlen angeht, deutlich voraus“, erklärt Aldejohann. „Das sollten wir als Warnsignal nehmen, um gut vorbereitet zu sein.“
In den USA hat die CDC bereits eine Labormeldepflicht für die Pilzart eingeführt. Hier sollte Deutschland nachziehen, findet das Forscherteam, welches seine Analyse im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlicht hat. „Das ist aus meiner Sicht mit vertretbarem Aufwand umzusetzen und würde es neben einer genauen Erfassung der Epidemiologie auch ermöglichen, bei Nachweisen frühzeitig Infektionsschutzmaßnahmen einzuleiten“, sagt Oliver Kurzai, der das Nationale Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) leitet.
Aldejohann und seine Kolleginnen und Kollegen gehen von einer hohen Dunkelziffer an Infektionen aus. „Wir können nicht ausschließen, dass die 43 bekannten Fälle in Deutschland nur die Spitze des Eisbergs sind“, sagt der Mikrobiologe. Von diesen beobachteten Infektionen waren vier von fünf Pilzstämmen hochresistent gegenüber Fluconazol, einem gängigen Antipilzmittel.
Candida auris: Gefahr für Patienten auf der Intensivstation
Gleichzeitig warnt Aldejohann davor, Ängste zu schüren. „Von Candida auris geht für den Großteil der Normalbevölkerung keine Gefahr aus“, betont er. Er und sein Team konnten in ihrer jüngsten Untersuchung erstmals feststellen, dass es in Deutschland bereits Übertragungen von Mensch zu Mensch in Krankenhäusern gab. Zuvor waren nur Fälle bekannt, bei denen sich die Erkrankten wohl im Ausland angesteckt hatten. Zur lebensbedrohlichen Gefahr wird der Hefepilz, wenn er auf einen bereits schwer kranken oder immunkomprimierten Patienten trifft, oftmals auf der Intensivstation. So kann er eine Blutvergiftung verursachen und die Organe schwer schädigen.
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Der Pilz verbreitetet sich über eine sogenannte Schmutz- oder Schmierinfektion, erklärt Aldejohann. „Eine Übertragung über Aerosole wie bei Corona kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen.“ Stattdessen kann Candida auris über kontaminierte Oberflächen, infiziertes Pflegepersonal oder gemeinsam genutzte medizinische Geräten von Patient zu Patient wandern.
Aldejohann berichtet von einem Fall in Berlin: Vermutlich wurde bei zwei infizierten Patienten derselbe Intubationsspatel genutzt. Nicht jedes Desinfektionsmittel wirkt gegen den gefährlichen Erreger. Besonders tückisch macht den Pilz, dass Menschen ihn sechs Monate oder länger unerkannt in sich tragen können. So könnte es im schlimmsten Fall zu unkontrollierbaren Ausbrüchen in Kliniken oder Pflegeheimen kommen.
Das Forscherteam hat daher einen Klinikleitfaden herausgegeben, um dies möglichst zu verhindern. Beispielsweise sollen Krankenhäuser Risikofaktoren im Blick behalten und Desinfektionsmittel überprüfen. Ein Lichtblick ist für Aldejohann, dass derzeit an neuen Antipilzmitteln geforscht wird. Sie sollen demnächst auf den Markt kommen. Als erste Maßnahme hoffen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedoch auf die Meldepflicht. Laut Aldejohann soll beim Robert Koch-Institut nun ein entsprechender Prozess angestoßen werden, wie er erfahren habe. Noch sei Zeit, um Zustände wie in den USA zu verhindern. Der Mikrobiologe ist überzeugt: „Ich denke nicht, dass Candida auris aus Deutschland wieder verschwinden wird.“