„Bodenimpfung“: Können Mikroorganismen unsere Bäume klimaresistenter machen?
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Vor allem die Dürre setzt dem Wald zu: Viele Eichen sind krank oder schon abgestorben. Möglichweise könnte das durch stressresistente Mikroorganismen im Boden verhindert werden.
© Quelle: Julian Stratenschulte/dpa (Symbolfoto)
Lichte Kronen, absterbende Bäume: Dem deutschen Wald geht es schlecht. Zustandserhebungen der vergangenen Jahre zeigen sichtbare Schäden. Betroffen sind bei den häufigen Arten Buche, Eiche, Kiefer und Fichte vier von fünf Bäumen. Hauptgrund für diese Krise ist der Klimawandel, mit mehr Hitze und vor allem mehr Trockenheit. Über den Umgang mit dem Problem diskutieren Fachleute seit Jahren. Nun zeigt eine Studie: Eine Art Impfung von Böden mit Mikroorganismen könnte Wälder gegen Trockenheit widerstandsfähiger machen.
„Der Wald bekommt gerade von vielen Seiten Druck“, sagt der Landschaftsökologe Martin Wilmking von der Universität Greifswald. Beispiel Fichte: Die trockenen Jahre 2018 bis 2020 haben den Bäumen massiv zugesetzt und den massenhaften Befall durch Borkenkäfer begünstigt. Zumal die Art jenseits ihrer natürlichen Standorte gepflanzt wurde, in Monokulturen, wie Wilmking betont.
Mit klimatischen Herausforderungen sind Pflanzen weltweit konfrontiert. Um nicht auszusterben, müssen viele Arten entweder ihren Lebensraum verlagern oder sich anpassen. Doch gerade Bäume mit ihren langen Generationszeiten, die sich in Jahrzehnten bemessen, tun sich damit schwer.
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Andere Baumarten in Betracht ziehen
Daher diskutieren Experten seit Jahren, wie man das Ökosystem und den Wirtschaftsfaktor Wald an das künftige Klima anpassen könnte. Soll man auf andere Baumarten wie etwa Douglasien setzen, die schnell Holz liefern, aber mehr Trockenheit aushalten? Ob das nachhaltig ist, bleibt abzuwarten. Erörtert wird auch, widerstandsfähigere Varianten einer Art zu pflanzen, etwa Buchen vom Balkan.
Nun könnte sich am Horizont eine weitere Option abzeichnen. Im Fachblatt „Science“ berichtet eine Forschungsgruppe, dass die Widerstandsfähigkeit von Bäumen gegen Stress entscheidend von den Mikroorganismen – insbesondere Pilze und Bakterien – im Boden abhängt. Sind diese erfahren im Umgang etwa mit bestimmten Klimabedingungen, so kommt auch der einzelne Baum damit besser klar.
Konkret: Bringt man Bäume mit dürreerfahrenen Mikrobengemeinschaften in Kontakt, dann überleben sie in einem trockenen Klima eher. „Verbindungen mit speziellen Mikrobengruppen können entscheidend dazu beitragen, dass sich Pflanzenpopulationen an extreme Umgebungen anpassen“, schreibt die Gruppe um Cassandra Allsup von der University of Wisconsin in Madison. „Das Verständnis der mikrobiell vermittelten Klimatoleranz kann unsere Fähigkeit verbessern, Waldökosysteme an ein verändertes Klima anzupassen.“
Dürretoleranz und Mikrobeneigenschaften hängen zusammen
In der Studie prüfte das Team den Einfluss des Bodenmikrobioms experimentell: Dazu sammelte es Bodenproben aus zwölf Orten im Norden der USA, mit jeweils unterschiedlichen Temperatur- und Niederschlagsbedingungen. Diese Proben samt der darin lebenden Mikrobengemeinschaften übertrugen sie auf Baumsetzlinge, die in diversen Arealen der US-Staaten Illinois und Wisconsin sowohl im Freien als auch unter kontrollierten Bedingungen in Gewächshäusern gezogen wurden. Zu den Bäumen zählten unter anderem diverse Arten von Birken, Eichen, Linden und Ahorn.
Dabei untersuchte die Gruppe über drei Jahre, wie die aus verschiedenen Klimazonen stammenden Mikroben das Überleben der Bäume unter verschiedenen Stressbedingungen – Kälte, Wärme und Trockenheit – beeinflussten. Generell überlebten Bäume bestimmte Belastungen eher dann, wenn sie mit Bodenbewohnern in Kontakt standen, die mit ebendieser Umgebung vertraut waren. Insbesondere hatten Bäume eine höhere Dürretoleranz, wenn die Mikrobengemeinschaften aus trockenen Zonen stammten. Auch nach drei Jahren waren die eingebrachten Mikroorganismen noch nachweisbar.
Dabei konzentrierte sich das Team auf bestimmte Bodenbewohner, nämlich Mykorrhiza-Pilze. Diese Pilze, die auch in Europa verbreitet sind, dringen in die Wurzeln ein und bilden eine Symbiose mit den Pflanzen. Während sie die Bäume mit Wasser und Nährstoffen versorgen, beziehen sie im Gegenzug Kohlenstoff von ihren Wirten. Und im Gegensatz zu diesen können sich die Mikroorganismen durch ihre erheblich kürzeren Generationszeiten wesentlich schneller an neue Bedingungen anpassen.
An Klimabedingungen angepasste Mikroorganismen
„Diese Resultate deuten an, dass Mikrobengemeinschaften von Böden und Wurzeln für Wälder einen Weg zu mehr Klimatoleranz bieten können“, schreibt die Gruppe. Das gelte zumindest für Wälder der gemäßigten Breiten. Wie übertragbar dies auf andere Ökosysteme sei, müsse aber noch geprüft werden.
Zwar könne man bestimmte Mikrobengruppen nicht in großem Maßstab in bestehenden Wäldern ausbringen, räumt die Gruppe ein. Aber in den kommenden Jahrzehnten würden ohnehin Billionen von Bäumen gepflanzt, typischerweise als Setzlinge. Hier könne man in Baumschulen jene Mikroorganismen nutzen, die an bestimmte Klimabedingungen angepasst seien.
In einem „Science“-Kommentar schreibt Michelle Afkhami von der Universität Miami, Bodenmikroben könnten eine Strategie bieten, die Widerstandsfähigkeit von Wäldern gegenüber dem Klimawandel zu stärken. Vorher aber müsse man im Detail klären, worauf der Effekt genau beruhe. Das Wissen um diese Zusammenhänge sei nötig, bevor man versuche, Bodenmikroben aktiv zu nutzen, schreibt die Biologin.
Bodentransplantat erhöht Überlebenswahrscheinlichkeit
Ähnlich sieht das Andrea Polle von der Universität Göttingen. Zwar seien die Resultate der Versuche für Kältestress weniger überzeugend. „Aber die Überlebenswahrscheinlichkeit unter Trockenstress hat sich durch das Bodentransplantat deutlich verbessert“, sagt die Baumphysiologin. „Die Mikroorganismen scheinen einen positiven Effekt zu haben.“ Allerdings zeige die Studie eine solche Wirkung vorerst nur für drei Jahre, das reiche nicht aus. „Dann sind Bäume gerade erst den Babyschuhen entwachsen.“
Zudem fehle das Verständnis um die Mechanismen hinter dem Effekt. „Was wirklich passiert, wissen wir nicht.“ Ferner habe das Team nur auf Pilze geschaut und andere Mikroorganismen außer Acht gelassen. Welchen Einfluss etwa die Bakterien in den Bodenproben auf den beobachteten Effekt hatten, blieb in der Studie offen. Das bemängelt auch Lars Opgenoorth von der Universität Marburg. Mykorrhiza-Pilze seien besser erforscht und zudem wesentlich leichter zu charakterisieren. „Über Bakterien wissen wir viel weniger.“
Gleichwohl findet der Pflanzenökologe die Studie extrem spannend, da sie den Einfluss von Mikroorganismen auf Setzlinge experimentell belege. „Wir wissen nicht, ob die Mykorrhiza-Pilze wirklich an Klimaextreme angepasst sind“, sagt er. „Aber wir sehen einen Effekt auf die Pflanze.“
Tatsächliche Anwendung „noch sehr weit weg“
Könnten also „Impfungen“ von Mikrobengemeinschaften dem hiesigen Wald helfen, sich an den Klimawandel anzupassen? Zunächst, so die Göttinger Expertin Polle, brauche man eine belastbare Evidenz, dass ein solches Vorgehen auch langfristig hilft. Außerdem zeige die Studie den Klimaeffekt nur für bestimmte Baumarten wie Ahorn, Kirsche oder Esche, die in hiesigen Wäldern bislang nicht sehr häufig seien. Derzeit, so ihr Fazit, sei die Anwendung noch sehr weit weg - nicht zuletzt angesichts der damit verbundenen Kosten.
„Ich gehe davon aus, dass das in der Zukunft für Setzlinge eine Option sein kann“, sagt der Marburger Forscher Opgenoorth. „Aber für das Waldmanagement wird es nur ein Teil einer breiteren Antwort sein. Andere Möglichkeiten seien etwa, Setzlinge der gleichen Arten aus Regionen zu nutzen, die schon jetzt künftigen Klimaverhältnissen hierzulande entsprechen. Am wichtigsten sei aber zunächst, die Vielfalt der Baumarten in Wäldern zu fördern.
RND/dpa