40-Milliarden-Paket gefordert

Präsident der deutschen Bauindustrie: „Realistisch ist, dass wir rund 250.000 Wohnungen fertigstellen“

Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB).

Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB).

Herr Hübner, zuletzt gab es von den deutschen Baustellen eher düstere Nachrichten. Fehlende Baustoffe, Fachkräftemangel, gestiegene Energiekosten. Welche guten Nachrichten können wir 2023 erwarten?

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So düster ist es gar nicht. Natürlich ist die Lage nicht einfach, wir haben extrem hohe Materialpreise und auch die steigenden Hypothekenzinsen machen den Wohnungsbau schwierig. Aber die Lage ist nicht hoffnungslos. Die Stimmung ist im Augenblick noch gut, weil wir einen historisch hohen Auftragsbestand haben. Und ganz wichtig: Wir werden kein Personal abbauen. Aber sicherlich ist die Stimmung mit Blick auf die Zukunft getrübt.

Welche Prognose hat Ihr Verband für 2023?

Wir werden einen realen Rückgang beim Umsatz haben. Für 2022 rechnen wir mit einem Minus von 5 Prozent. Real wohlgemerkt, denn nominal haben wir eine Steigerung, die durch die hohen Preissteigerungen aufgezehrt wird. Und etwas Ähnliches erwarten wir auch für 2023, wahrscheinlich 6 Prozent realer Rückgang. Das hat allerdings bei Weitem nichts mit dem zu tun, was wir schon hinter uns haben – beispielsweise in den 90er-Jahren, als wir nach der Wiedervereinigung die Hälfte unseres Personals abbauen mussten.

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Die Bundesregierung will jährlich 400.000 Wohnungen schaffen. Dass das für 2023 unrealistisch ist, hat Ihr Verband bereits vorhergesagt. Was ist machbar?

Realistisch ist, dass wir rund 250.000 Wohnungen fertigstellen. Damit sind wir weit weg von den 400.000 Wohnungen, die Bauministerin Klara Geywitz versprochen hat. Dafür kann man ihr nicht die Schuld geben, aber die Politik könnte auch mehr dafür tun.

Was denn?

Wir brauchen Förderanreize – und die muss die Politik setzen. Im Augenblick halten sich viele Investoren zurück, was zunächst an den hohen Preisen und den gestiegenen Zinsen liegt. Deshalb warten viele auf eine Förderkulisse, die eigentlich für Ende 2022 versprochen worden ist. Nur so können Projekte wieder wirtschaftlich werden, vor allem für die Errichtung von bezahlbarem Wohnraum. Käme jetzt ein klares Signal, würde ein erheblicher Schub ausgelöst. Auch im Bereich Sanierung und Nachverdichtung. Es muss einen Anreiz geben, damit die Investoren wieder aus ihrer dunklen Ecke hervorkommen. Dafür muss man einmal richtig Geld in die Hand nehmen – oder um es wie der Bundeskanzler zu sagen: einen Doppelwumms setzen.

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Wie würde dieser Doppelwumms beim Bau aussehen?

Für die Neubauförderung bei Wohnungen brauchen wir jährlich 15 Milliarden Euro. Und für die Verkehrsinfrastruktur – also Bahn, Wasserstraße und Straße – noch einmal 25 Milliarden Euro. Ein 40-Milliarden-Paket also. Da muss es jetzt von den Ministerien für Finanzen, Bau, Verkehr und Wirtschaft ein klares Zeichen geben. Sonst werden wir auch die Klimaziele verfehlen.

Ein Gerüst steht an der Baustelle eines Neubaus: Die Bundesregierung will jährlich 400.000 Wohnungen schaffen, doch der HDB hält das für 2023 für unrealistisch.

Ein Gerüst steht an der Baustelle eines Neubaus: Die Bundesregierung will jährlich 400.000 Wohnungen schaffen, doch der HDB hält das für 2023 für unrealistisch.

Bleiben wir beim Klima. Der Bausektor muss jährlich seine Emissionen reduzieren. Wie lässt sich das 2023 erreichen?

Als Baubranche werden wir unsere Hausaufgaben machen. Und wir tragen auch dazu bei, dass andere Branchen ihre Ziele erreichen können. Zum Beispiel sind wir es, die die Windkraft- und Solaranlagen oder E-Lade-Infrastruktur bauen. Damit der Bausektor seine Klimaziele erreichen kann, brauchen wir einerseits Anreize aus der Politik bei der Vergabe von Bauprojekten für mehr Innovationen, kürzere Bauzeiten oder CO₂-Reduktion, andererseits eben auch mehr Freiheit. Ich glaube, die Politik darf der Wirtschaft keinen so engen Rahmen vorgeben.

Das müssen Sie erklären.

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Es muss klare Zielsetzungen geben, der Weg dahin muss aber eine Vielfalt an Lösungsansätzen zulassen. Ich halte es für falsch, wenn wir dabei zu absolut denken. Wenn wir uns also zu stark damit beschäftigten, Emissionen komplett zu vermeiden und nicht auch damit, sie erst einmal zu reduzieren.

Beispiel Wärmepumpen: Bis das ganze Land damit ausgestattet ist, brauchen wir noch 15 Jahre, und die Preise steigen rasant. Dabei könnten mit einer energetischen Sanierung der Gebäudehülle die Emissionen zumindest schon halbiert werden. Das wäre viel wert. Dafür müssen aber deutliche Signale von der Politik kommen, beziehungsweise die öffentliche Hand muss den Klimaschutz auch bestellen – vor allem in ihren eigenen Gebäuden.

ARCHIV - 25.03.2020, Hamburg: Die Kräne verschiedener Baustellen in der Hafencity zeichnen sich im Sonnenuntergang ab. Wie sich die Finanzen von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung im ersten Halbjahr 2022 entwickelt haben, gibt das Statistische Bundesamt am Donnerstag bekannt. (zu dpa «Statistiker geben Daten zu Staatshaushalt und Konjunktur bekannt») Foto: Christian Charisius/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Das Ende des Baubooms: Wo sollen nur 400.000 neue Wohnungen herkommen?

Der Bau rutscht in die Krise: Inflation, fehlende Baustoffe und Zinswende machen der Branche zu schaffen. Immer mehr Fachleute warnen vor einem Absturz. Schon in ihrem ersten Amtsjahr steckt die neue Bauministerin Klara Geywitz in ihrer größten Bewährungsprobe.

Viele Branchen ächzen unter dem Fachkräftemangel. Wie groß ist das Problem in der Bauindustrie?

Auch wir haben offene Stellen, die wir gerne besetzen würden. Wenn also Teile des Bauhandwerks oder andere baunahe Branchen damit rechnen, Jobs abbauen zu müssen, machen wir das Angebot: Kommen Sie zur Bauindustrie!

Der Fachkräftemangel ist real, aber wir haben bisher keinen einzigen Auftrag ablehnen müssen, weil wir das entsprechende Personal nicht hatten. Und wir tun sehr viel dafür, um das Thema selbst in den Griff zu kriegen. Wir bilden qualifiziert aus und haben jährlich steigende Ausbildungsraten. Mit Blick auf die Einwanderung aus Nicht-EU-Ländern brauchen wir allerdings die Politik. Da erwarten wir, dass die bürokratischen Hindernisse beseitigt werden.

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Der Fachkräftemangel ist real, aber wir haben bisher keinen einzigen Auftrag ablehnen müssen, weil wir das entsprechende Personal nicht hatten.

Peter Hübner, HDB-Präsident

Die Gewerkschaft IG Bau sieht den Fachkräftemangel als hausgemacht und führt das auf unattraktive Arbeitsbedingungen zurück.

Aktuell gibt es einen Tarifvertrag, der bis Ende März 2024 geht. Das ist bei diesen extremen Kostensteigerungen im Augenblick natürlich nicht so einfach und es gibt Gespräche, wie man die Beschäftigten weiter unterstützen kann. Ich glaube aber auch, dass wir eine extrem attraktive Ausbildung und in der Wirtschaft die höchste Lehrlingsvergütung haben.

Dass Bauen draußen stattfindet, ist nun einmal so. Wenn die Sonne scheint, gibt es keinen schöneren Beruf als den, den ich seit Jahrzehnten ausübe. Wenn es aber regnet und man Pflastersteine verlegen muss, ist das nicht besonders attraktiv. Das lässt sich aber nicht ändern und ist in anderen Industrien auch so. Im Übrigen wird sich die Branche auch verändern.

Inwiefern?

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Sie wird sich weiter digitalisieren und mehr Vorfertigung bei Neubau und Sanierung eingehen müssen. Wir bieten jetzt schon viele Arbeitsplätze im Büro oder im Werk an, und in Zukunft werden es noch mehr sein. Beispielsweise wollen viele Bauherren einen digitalen Zwilling ihres Projekts, der im Büro oder Homeoffice erstellt werden kann. Das ermöglicht flexiblere Arbeitszeiten und auch mehr Vereinbarkeit mit Familie. Und so lässt sich auch endlich der Anteil der Frauen am Bau steigern.

Wie hoch ist er denn aktuell?

Nicht sehr hoch. Im Bauhauptgewerbe liegt der Frauenanteil nur bei etwa 10 Prozent. Bei Bauingenieurinnen steigt er. Im Bauingenieurstudium hat sich der Frauenanteil von 20 auf 30 Prozent erhöht. Allerdings stehen die Bauunternehmen in Konkurrenz zu den Ingenieurbüros und der Verwaltung. Das wird sich mit Blick auf die Digitalisierung mittelfristig ändern.

Situation auf dem Wohnungsmarkt wird immer dramatischer
Blick auf die Fassaden von Wohnhäusern.

Der knappe Wohnraum und die wachsende Bevölkerung stellen die Städte vor Probleme. Jetzt könnte ein ungeahntes Desaster drohen.

Beim Thema Bau denken viele an Häuser. Aber ohne Ihre Branche hätten wir keine Brücken und Straßen. Warum sorgt der Zustand der Infrastruktur derzeit so für Frust?

Vor uns liegen große Themen, aktuell aber vor allem auch große Verkehrseinschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger sowie die für die Wirtschaft. Gleichzeitig müssen und wollen wir Emissionen reduzieren, beim Bau und im Verkehrssektor insgesamt. Allerdings bedeutet zum Beispiel der wünschenswerte Wechsel von 10 Prozent der Güterverkehre von der Straße auf die Schiene eine Verdoppelung der Schienenkapazität und damit viel Aufwand beim Bau.

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Und dann müssen parallel 400 Fernstraßenbrücken jährlich saniert oder gebaut werden. Schauen Sie sich nur die Leverkusener Autobahnbrücke an, wo seit Jahren kein LKW mehr drüberfahren kann. Da weiß man, wo unsere Infrastruktur steht – und zwar nicht an der Spitze Europas. Hier müssen die Budgets hochgefahren werden, aber nicht nur das.

ARCHIV - 03.05.2022, Niedersachsen, Hannover: Bauarbeiter stehen im Neubaugebiet Kronsrode auf der Baustelle eines Mehrfamilienhauses. Gestiegene Preise machen der Bauwirtschaft zu schaffen, zugleich verteuern sich Häuser und Wohnungen weiter. (zu dpa "Wohnimmobilien verteuern sich weiter - Real weniger Aufträge am Bau") Foto: Julian Stratenschulte/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Das Ende der Party am Immobilienmarkt

Die Immobilienbranche blickt auf einen 13 Jahre andauernden Boom zurück. Materialknappheit, Zinswende und explodierende Rohstoffpreise haben den Hype nun beendet. Werden die Preise wieder normal oder kommt der Absturz?

Was muss noch passieren?

Die Bürokratie muss sich ändern. Es muss einen echten Paradigmenwechsel geben. Die Prozedere zur Ausschreibung sind absurd. Eine Verwaltung sitzt jahrelang an einer Ausschreibung und muss sie bis ins letzte Sandkorn ausarbeiten, bis es dann zur Abwicklung kommt. Dabei hätte man das ganze Paket schon zwei Jahre vorher in den Wettbewerb geben können.

Es muss einen echten Paradigmenwechsel geben.

Peter Hübner, HDB-Präsident

Können Sie ein Beispiel nennen?

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Nehmen wir mal das Thema Fachlosvergabe: Jeder Auftrag wird in verschiedene Fachlose aufgeteilt. Das macht teilweise Sinn, manchmal aber auch nicht. Da wird der Erhalt oder Ausbau der Autobahn einzeln vergeben, die Brücken, die Schutzplanken, selbst die Beschilderung. Und dann arbeiten vier Unternehmer gleichzeitig, meist sogar hintereinander, was ein Projekt nicht nur verzögert, sondern vor allem den Verkehr unnötig einschränkt inklusive höherem CO₂-Ausstoß aufgrund unnötiger Staus. Wir fordern schon lange, dass das in solchen Fällen an einen Generalunternehmer vergeben wird, der das koordiniert.

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