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Gründer und CEO hört auf: Ohne Jack Dorsey geht es Twitter auch nicht gut

Jack Dorsey bei einer Podiumsdiskussion.

Jack Dorsey bei einer Podiumsdiskussion.

Hannover. Üppiger Bart, gelegentlich knallbunte T-Shirts sowie eine Vorliebe für Yoga und Schauspielunterricht – der bisherige Twitterchef Jack Dorsey ist zweifelsohne ein schillernder Unternehmer. Zweifelhaft fanden ihn hingegen Investoren, die sich nun offenbar durchgesetzt haben: Dorsey gibt seinen Spitzenjob bei Twitter auf, wie das Unternehmen am Montag bekannt gab. Einen Tag nach der Ankündigung ist die Euphorie an den Finanzmärkten der Ernüchterung gewichen.

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Dabei sehen die nackten Zahlen bei Twitter schon länger nicht gut aus: Knapp 400 Millionen angemeldete Nutzer soll das soziale Netzwerk weltweit haben. Konkurrent Facebook kommt auf 2,9 Milliarden, Tiktok immerhin auf eine Milliarde Nutzer. Und während Facebook im vergangenen Quartal über 9 Milliarden Dollar Gewinn verbuchte, wies Twitter 536 Millionen Dollar Verlust aus.

Investoren waren skeptisch

Das Minus war zwar Folge einer älteren Investorenklage, doch Wehklagen von Investoren waren für Dorsey schon länger Alltag: Seit Anfang 2020 saß dem Co-Gründer von Twitter der aktivistische Fonds Elliott Management im Nacken. Twitter habe zwar viele aktive Nutzer, „aber sie haben das nie so gut monetarisiert wie andere Social-Media-Plattformen“, brauchte Bloomberg-Analyst Mandeep Singh am Montag die Kritik an Dorsey auf den Punkt.

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Dass das Dorsey wirklich gestört hat, bezweifelten viele: In der Vergangenheit hatte er immer wieder betont, wie wichtig es ihm sei, dass Nutzer auf Twitter eine gute Zeit verbringen. Und während sich Facebook seit seiner Gründung etwa ein Viertel des gesamten Werbemarkts unter den Nagel riss, blieb Twitter von einzelnen Anzeigen abhängig. Jüngst kündigte das Unternehmen kostenpflichtige Premiumzugänge und eine Überweisungsfunktion per Bitcoin an – eine etwas planlos wirkende Monetarisierungsstrategie, unkten Beobachter.

Dorsey mag Yoga, Schauspielunterricht und Bitcoins

Dabei sind Dorseys Verdienste bei Twitter unbestritten: Er hat das Unternehmen mitbegründet, setzte 2006 den allerersten Tweet („Hallo Twitter, bin gerade dabei, meinen Account einzurichten“) ab. Schon 2008 musste er als Unternehmenschef gehen, wohl auch, weil er Medienberichten zufolge viel Zeit mit Yogakursen und Schauspielunterricht verbrachte. Dorsey hat das nicht davon abgehalten, im Aufsichtsrat zu bleiben und 2015 an die Spitze des Unternehmens zurückzukehren. Seitdem liefen die Geschäfte etwas besser, 2018 erwirtschaftete Twitter sogar Gewinn.

Mehr Schlagzeilen als die nackten Zahlen machten da allerdings Hass und Hetze in den sozialen Netzwerken. Auf Twitter tummeln sich vor allem Politiker, Journalisten, Kulturschaffende und Aktivisten, die Nachrichten und Meinungen austauschen – und so oft genug auch Schlagzeilen in etablierten Medien generieren. Nicht zuletzt weil Twitter auch anonym genutzt werden kann, enthalten die 280 Zeichen langen Kurzmitteilungen aber auch viel Unfug und nicht wenig Strafbares.

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Ärger um Hass und Hetze bei Twitter

Der Umgang damit war für Dorsey stets eine Gratwanderung: Einerseits sei es entscheidend, niemandem die Meinungsäußerung zu verbieten. „Aber wir können keine Diskussionsplattform sein, wenn sich die Menschen bei uns nicht sicher fühlen“, sagte Dorsey einst in einem Interview. Dem reichweitenstärksten Hetzer zog er Anfang 2021 den Stecker: Donald Trumps Privataccount wurde nach den Attacken auf das Kapitol in Washington gesperrt. Er sei darauf nicht stolz, aber mit Blick auf die öffentliche Sicherheit sehe man sich bei Twitter dazu gezwungen, erklärte Dorsey damals.

Künftig wird solche Entscheidungen Parag Agrawal treffen müssen. Er war bislang Technikchef bei Twitter, nun beerbt er Dorsey. „Mein Vertrauen in Parag als CEO von Twitter ist groß. Seine Arbeit in den letzten zehn Jahren hat das Unternehmen sehr vorangebracht“, lobte Dorsey seinen designierten Nachfolger.

Dorsey ist längst Multimilliardär

Dorsey, längst Multimilliardär, will sich hingegen auf seinen Job als CEO bei Square konzentrieren. Der Bezahldienst, mit dem sich Menschen gegenseitig kleine Summen überweisen können, wurde 2009 ebenfalls von Dorsey gegründet. Mittlerweile ist Square mit knapp 100 Milliarden Dollar Börsenwert dreimal so wertvoll wie Twitter. Manch einer kritisierte deshalb zuletzt, dass Twitters mangelnder Geschäftserfolg auch der Tatsache geschuldet sei, dass Dorsey gleich zwei milliardenschwere Unternehmen leitet.

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Ob es ohne Dorsey bei Twitter besser läuft, wird sich noch zeigen müssen: An den Finanzmärkten wurde die Nachricht von Dorseys Abgang zunächst euphorisch aufgenommen, im Laufe des Montags drehte die Twitter-Aktie aber deutlich ins Minus und blieb dort auch am Dienstag.

Wie geht es bei Twitter weiter?

Und was es für Twitter-Nutzer bedeutet, dass bei Twitter das Geldverdienen in den Vordergrund rücken könnte, ist ebenfalls offen. Dorsey jedenfalls hatte noch am Samstag betont, dass der Kurznachrichtendienst für ihn eine Herzensangelegenheit ist: „Ich liebe Twitter“, twitterte er zwei Tage, bevor sein Abgang bekannt wurde.

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