Die Preise steigen schneller als die Einkommen
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Die Preise für Lebensmittel sind auch im November weiter gestiegen.
© Quelle: Fabian Sommer/dpa/Symbolbild
Die Inflation schwächt sich leicht ab. Nach ersten Schätzungen des Statistischen Bundesamts lag sie im November aber immer noch bei 10 Prozent. Mit dieser Teuerung kann die Lohnentwicklung bei Weitem nicht mithalten. Die Einkommen waren im dritten Quartal nominal 2,3 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Die Preise stiegen also erheblich schneller, sodass die Kaufkraft schrumpfte: Bereinigt um die Preisentwicklung gingen die Einkommen um 5,7 Prozent zurück. Das sei der stärkste Rückgang der Reallöhne seit Einführung der Statistik 2008.
Energie etwas billiger - und immer noch teuer
Schnelle Besserung ist nicht in Sicht, aber zumindest stimmt aktuell die Richtung. Gegenüber dem Oktober sind die Preise im Durchschnitt leicht zurückgegangen, sodass die jährliche Teuerung von 10,4 auf 10 Prozent gesunken ist. Das ist vor allem dem Rückgang des Ölpreises in den vergangenen Wochen zu verdanken. Er wirkt sich relativ schnell bei den Endkunden aus. Gas ist am Spotmarkt für kurzfristige Lieferung zwar ebenfalls billiger geworden, hier kommt aber gerade erst die vorangegangene Verteuerung bei den Endkunden und Endkundinnen an. Insgesamt ist Energie immer noch knapp 40 Prozent teurer als vor einem Jahr.
„Die Beruhigung der Energiepreise auf sehr hohem Niveau bremst die Inflation jetzt etwas ab“, sagte Friedrich Heinemann vom Forschungsinstitut ZEW in Mannheim. „Für eine Entwarnung besteht dennoch nicht der geringste Anlass.“ Die Rückkehr zur 2‑Prozent-Inflation, die von der Europäischen Zentralbank als Preisstabilität definiert wird, sei „weit und breit nicht in Sicht“. Die Inflationsdynamik habe neben der Energie auch fast alle anderen Waren erfasst.
So hat sich die Teuerung bei Lebensmitteln sogar noch beschleunigt. Im Durchschnitt kosten sie jetzt 21 Prozent mehr als vor einem Jahr. „Für untere Einkommensgruppen stellt dies eine immense Belastung dar und zeigt, wie hoch die sozialen Kosten der Inflation sind“, sagt Ulrike Kasten, Volkswirtin bei der Fondsgesellschaft DWS. „Ob die Inflationsrate bereits ihren Höhepunkt erreicht hat, ist noch fraglich. Wir rechnen um den Jahreswechsel mit den höchsten Inflationsraten in Deutschland.“
Zwischenhoch im Januar
Etwas optimistischer formuliert es Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung: „Die Inflation dürfte nun nahe ihrem Wendpunkt stehen oder sogar bereits ihren Höhepunkt überschritten haben.“ Für die nächsten Monate rechnet er mit einer Wellenbewegung: Die Einmalzahlung des Bundes für die Gasrechnung dürfte die Teuerung im Dezember dämpfen. Im Januar und Februar sei dann noch einmal mit einem „Zwischenhoch“ zu rechnen, „mit dem Inkrafttreten der Gaspreisbremse ab März gehören die zweistelligen Inflationsraten dann der Vergangenheit an“.
Für das nächste Jahr gehen die Inflationsprognosen weit auseinander, und alle sind mit dem Hinweis auf die unsicheren Energiemärkte verbunden. Die meisten Expertinnen und Experten erwarten aber im Frühjahr zumindest eine Trendwende, wenn der Energiebedarf wieder sinkt und die Preisbremsen der Bundesregierung greifen.
Zudem wird sich dann der Basiseffekt bemerkbar machen: Der Gaspreis begann seinen Anstieg Ende 2021 und machte einen Sprung im vergangenen Sommer. Bald werden also auch die Vergleichswerte aus dem Vorjahr relativ hoch sein. Die meisten Expertinnen und Experten erwarten deshalb einen Rückgang der Teuerung im Verlauf des nächsten Jahres. Ende 2023 würde die Jahresinflation nach diesen Prognosen bei rund 3 Prozent liegen.
Preisbereinigt schrumpfen die Einkommen auch im nächsten Jahr
Für die meisten Menschen dürfte das auch im nächsten Jahr Kaufkraftverlust bedeuten. „Auch 2023 ist damit zu rechnen, dass die Lohnsteigerungen nicht mit der Inflation mithalten können“, sagt Dullien. Auch ZEW‑Experte Heinemann stellt fest, dass „die aktuellen Lohnabschlüsse keinen Ausgleich für die sehr hohe Inflation bieten“. Mit Blick auf die Inflation hält Heinemann sie dennoch für zu hoch: Wegen der zusätzlichen Kosten würden Unternehmen weiter die Preise hoch halten. So könne die Inflation auch im nächsten Jahr nicht auf die angestrebten 2 Prozent fallen.
Mit der Chemie- und der Metall- und Elektroindustrie haben die beiden größten Industriebranchen deutliche Lohnerhöhungen für die nächsten Jahre vereinbart. Die Tarifverhandlungen für 2,8 Millionen Angestellte im öffentlichen Dienst des Bundes und der Gemeinden beginnen im Januar. Die Gewerkschaft Verdi fordert Einkommenserhöhungen um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einem Jahr Laufzeit.