E-Paper
Klappt das Kiffen ohne Kommerz?

Cannabisunternehmen von Lauterbach enttäuscht: „Haben Lieferketten geplant und Partner gesucht“

Wer Cannabis konsumiert, muss es wohl meist selber anbauen.

Wer Cannabis konsumiert, muss es wohl meist selber anbauen.

Artikel anhören • 5 Minuten

Gut zwei Wochen nach Bekanntgabe der Pläne zur Cannabislegalisierung ist die Enttäuschung bei potenziellen Herstellern groß: „Wir haben uns viel Mühe gemacht, jetzt treten wir auf die Bremse und investieren erst mal nicht mehr in dem Bereich“, sagt etwa Finn Hänsel, Geschäftsführer der Berliner Sanity Group. Die stellt bislang Cannabis für den medizinischen Bedarf her, hoffte wie viele in der Branche aber auf das baldige Geschäft mit Cannabis zu Genusszwecken.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

4 Milliarden Euro könnte der deutsche Markt umfassen, hatten frühere Studien berechnet. Auch Hänsel wollte ein Stück vom Haschkeks, nachdem SPD, Grüne und FDP zunächst eine weitreichende Legalisierung andeuteten: „Darauf haben wir uns vorbereitet, über Shops und Ausbildungsprogramme nachgedacht, Lieferketten geplant und Partner gesucht.“

Cannabiskonsumenten sollen Vereinsmeier werden

Doch seit der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers von Gesundheits-, Justiz- und Agrarministerium steht fest: Verkaufsgeschäfte soll es bloß in den kommenden fünf Modellregionen geben, nur dort könnten kommerzielle Cannabisanbieter die Belieferung übernehmen. Andernorts dürfen Konsumenten lediglich zu Hause Pflanzen aufziehen oder dies in nicht kommerziellen Cannabisclubs gemeinsam tun. Dritte sollen die Clubs ausdrücklich nicht beliefern dürfen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Stattdessen müssen die Konsumentinnen und Konsumenten wohl selber Hand anlegen: Ein Club darf maximal 500 Mitglieder haben, diese sollen „möglichst aktiv“ am Anbau auf mit „Mindestschutzmaßnahmen“ gesicherten Flächen mitwirken. Dafür winkt ein Teil der Ernte, maximal 50 Gramm pro Monat und Mitglied sollen es werden. Finanzieren sollen sich die Zusammenschlüsse in erster Linie aus Mitgliedsbeiträgen, die gegebenenfalls nach Abgabemenge gestaffelt werden dürfen.

Das klingt ein wenig nach Kleingartenverein, hat aber womöglich ein etabliertes Vorbild: Bei der sogenannten Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) schließen sich Bauern, manchmal auch kollektiv organisierte Gemeinschaften, mit Konsumentinnen und Konsumenten in Vereinen oder Genossenschaften zusammen. Das Konzept erlebt seit einigen Jahren einen kleinen Boom, auch weil es als Vertriebsweg Landwirte ein Stück weit von den Unwägbarkeiten des Marktes abschirmen kann.

Profitiert am Ende der Cannabisschwarzmarkt?

Denn verkauft wird nicht einzelnes Gemüse, stattdessen bekommen Mitglieder regelmäßig Anteile der Ernte. „Bei Solawi wird die Landwirtschaft bezahlt und nicht das Produkt“, fasst es Katharina Kraiß, Sprecherin des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft, die Devise zusammen. Ob das auch bei Cannabis klappen könnte, will sie indes nicht beurteilen, sie hält sich beim Thema generell zurück. „Entsprechend der Grundsätze des gemeinschaftsgetragenen Wirtschaftens ist das Prinzip auf alle möglichen Bereiche übertragbar“, sagt sie aber.

Hauptstadt-Radar

Der Newsletter mit persönlichen Eindrücken und Hintergründen aus dem Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Dass demnächst lauter Clubs Flächen pachten oder kaufen könnten, um dort Cannabis anzubauen, bereitet Hänsel indes Kopfzerbrechen. Zwar gebe es reichlich Enthusiasten mit grünem Daumen, aber bei den Zusammenschlüssen müssten Ertrag, Aufwand und Qualität eben durchgehend stimmen. „Das wird für den durchschnittlichen Konsumenten schwer, den wird das nicht vom Schwarzmarkt weglocken“, warnt Hänsel.

Hersteller wollen Clubs beliefern

Zudem sieht Hänsel, selbst zugleich Legalisierungsbefürworter und CDU-Mitglied, Sicherheitsrisiken. Unter Generalverdacht will er die Clubs zwar nicht stellen, „aber ein Teil könnte ein Einfallstor für organisierte Kriminalität werden“. Schließlich sei die absehbare Masse an Clubs für Behörden kaum überwachbar, so Hänsel: „In Spanien etwa sollen Clubs ihr Cannabis ebenfalls selbst anbauen, de facto kaufen die Clubs es oft bei Kriminellen.“

Das gelbe Licht der Natrium-Dampflampen ist in den meisten Aufzuchträumen dominant. Nicht nur Licht, sondern auch Wärme wird damit den Cannabis-Pflanzen gegeben.

Cannabis aus Sachsen: Wo Konservative ins Grübeln kommen

Die geplante Cannabislegalisierung spaltet Sachsens Politik – denn die feinsten Blüten wachsen derzeitig ausgerechnet im Landkreis Meißen. Bringt das nun einige Konservative zum Umdenken?

„Einzelne, größere Anbieter, die zum Beispiel die Anbauinfrastruktur zur Verfügung stellen, können da mehr Sicherheit und weniger Komplexität garantieren“, ist er denn auch überzeugt – und hofft, dass kommerziellen Herstellern doch noch die Belieferung der Clubs erlaubt wird. „Ich bin durchaus offen für die Clubs, aber diese brauchen auch die Option, Cannabis von Dritten, die damit auch ein bißchen Geld verdienen können, zu beziehen“, sagt der Unternehmer.

Hanfverband sieht „bombastische“ Nachfrage nach Cannabis Clubs

Ob das realistisch ist, ist indes unklar: Der Fokus auf nicht kommerzielle Absatzwege für Genusscannabis ist Fachleuten zufolge auch UN- und EU-Vereinbarungen geschuldet, die teils explizit das Handeln mit der Droge unterbinden. Ob dem wirklich so ist, bezweifelt Georg Wurth, Sprecher des Hanfverbands indes. Der fordert schon lange, beim Gesetzentwurf gegebenenfalls Konflikte insbesondere mit der EU zu riskieren – was wohl Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) lieber vermeiden will. Was schlussendlich im Gesetzentwurf steht, wird sich aber bald zeigen: Der Referentenentwurf soll am Donnerstag in die Abstimmung gegangen sein.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Doch schon jetzt wollen offenbar viele Konsumentinnen und Konsumenten zu Vereinsmeiern werden: In ganz Deutschland sprießen gerade Zusammenschlüsse aus dem Boden, „wir haben bombastisch viele Anfragen zur Gründung von Cannabisclubs“, berichtet auch Wurth.

Anzeige
Anzeige

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken