Bundesbank: Die schwere Mission des Joachim Nagel
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Die Zwei von der Bundesbank: Ex-Präsident Jens Weidmann (rechts) und sein Nachfolger Joachim Nagel vor der brutalistischen Zentrale in Frankfurt am Main.
© Quelle: Arne Dedert/dpa
Frankfurt. Joachim Nagel genießt ein hohes Ansehen in Frankfurter Bankenkreisen. Nicht nur wegen einer beeindruckenden Karriere, die ihn nun an die Spitze der Deutschen Bundesbank gebracht hat. Kolportiert wird auch eine Episode aus seiner Zeit bei der staatlichen Förderbank KfW: Es muss Anfang 2017 gewesen sein, als er sich für mehrere Wochen in einer Favela einquartierte, um aus erster Hand das Leben am Existenzminimum zu erfahren. Damals hatte er als Mitglied des KfW-Vorstands die Verantwortung für die Förderprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern übernommen.
Das hat ihm viel Respekt eingebracht. Einer, der wissen will, wie es um die Menschen wirklich steht und worum es tatsächlich bei seinem Job geht. Als Bundesbankpräsident wird das nicht ganz so einfach sein. Wo und wie werden die Folgen der hohen Inflation spürbar? Dass die Teuerung so hoch ist wie schon lange nicht mehr, steht indes außer Zweifel. 5,3 Prozent waren es im Dezember in Deutschland und glatt 5 Prozent in der Euro-Zone. Letzteres ist ein Rekord für die Währungsunion.
Am Dienstag ist Nagel (55) in einer virtuellen Feierstunde ins Amt eingeführt worden als Nachfolger von Jens Weidmann (53), der zurückgetreten war – „aus persönlichen Gründen“, wie es offiziell heißt. Weidmann hatte sich in seiner wichtigsten Rolle – nämlich als Mitglied des obersten Entscheidungsgremiums der Europäischen Zentralbank, dem EZB-Rat – mit seinen immer wieder erneuerten Forderungen nach einer harten Geldpolitik zunehmend isoliert. Der Regierungswechsel in Berlin kam wohl bei seinem vorzeitigen Abgang hinzu – er war einst Berater von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gewesen.
Nagel ist SPD-Mitglied, hat 1994 sogar für einige Monate den Parteivorstand in Sachen Ökonomie beraten. Fünf Jahre später – nach Promotion und Forschungstätigkeit – kam er zum ersten Mal zur Bundesbank, rückte 2010 in den Vorstand auf und wechselte 2017 zur KfW, um 2020 den Sprung in die Führungsriege der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zu schaffen – eine Organisation, die sich um das Funktionieren des globalen Finanzsystems kümmert und von der Lebenswirklichkeit von Hartz-IV-Empfängern denkbar weit entfernt ist, aber als Karriererampe für den Weg zum Bundesbankpräsidenten durchaus hilfreich sein kann.
Seine Erfahrungen kann er am 3. Februar bei der ersten geldpolitischen Sitzung der EZB im neuen Jahr einbringen. Das wird keine einfache Debatte. Denn die Euro-Länder haben mit der enormen Teuerung (was für höhere Zinsen spricht) und gleichzeitig mit einer unberechenbaren Omikron-Variante (was gegen höhere Zinsen spricht) zu tun.
Hohe Inflation über einen längeren Zeitraum?
Viele Analysten erwarten aber, dass Nagel – zwar mit etwas sanfterer Tonlage als sein Vorgänger – aber dennoch die Rolle eines Falken einnehmen und sich für eine stramme Geldpolitik stark machen wird. Diese Erwartungen wurden bei einer Feierstunde anlässlich der Amtsübergabe nicht enttäuscht. Er sehe „die Gefahr, dass die Inflationsrate länger erhöht bleiben könnte, als gegenwärtig erwartet“, so der neue Bundesbankpräsident.
Er räumt zwar ein, dass der mittelfristige Preisausblick „außergewöhnlich unsicher“ sei. Aber: „Bei aller Unsicherheit ist eines ganz klar: Wenn es die Preisstabilität erfordert, muss der EZB-Rat handeln und seinen geldpolitischen Kurs anpassen.“ Da dürfte in den nächsten Monaten auf Nagel noch einiges an Erklärungsbedarf von Seiten der Öffentlichkeit zukommen.
Nicht einfach wird für ihn auch, dem Volk zu erläutern, wie es mit der Bundesbank eigentlich so weitergeht. Sie ist mit rund 10.000 Beschäftigten eine der größten Notenbanken der Welt, hat aber die Hauptaufgabe einer Notenbank (Geldpolitik) an die EZB abgegeben.
Die Behörde versucht seit geraumer Zeit, sich als eine Art große Denkfabrik für Ökonomie zu profilieren – Insider sprechen von einer bislang eher durchwachsenen Bilanz. Von großer Symbolkraft wird in diesem Kontext die Zukunft des Bundesbank-Hauptquartiers im Frankfurter Nordwesten sein.
Nagel wird nicht daran vorbeikommen, den maroden brutalistischen Bau mit viel Sichtbeton und seiner strengen Symmetrie von Grund auf sanieren zu lassen. Medienberichten zufolge soll das teurer werden als der Neubau der EZB im Frankfurter Südosten (1,3 Milliarden Euro). Auch hier werden Nagels kommunikative Fähigkeiten gefragt sein.