Autoindustrie fehlt der Nachschub bei der Elektronik

Mit Halbleiterchips werden nicht nur Navigationsgeräte in Autos betrieben, sondern vor allem die immer ausgefeilteren Assistenzsysteme gesteuert.

Mit Halbleiterchips werden nicht nur Navigationsgeräte in Autos betrieben, sondern vor allem die immer ausgefeilteren Assistenzsysteme gesteuert.

Allein bei Audi sind rund 10.000 Beschäftigte betroffen, die normalerweise im Stammwerk Ingolstadt und am Standort Neckarsulm Pkw zusammenbauen. Sie müssen mindestens bis Ende des Monats zu Hause bleiben. Der Grund dafür ist nicht die mangelnde Nachfrage und nicht die Pandemie. Sondern ein Engpass bei der Belieferung mit Halbleiterchips. Im Fokus steht ein Unternehmen in Taiwan, das fast alle großen Autohersteller beliefert. Immerhin verspricht dessen Chef nun Besserung.

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Altmaier bittet Taiwan um Nachschub

Es passiert nicht jeden Tag, dass ein Wirtschaftsminister bei der Teilebeschaffung für Unternehmen ganz unmittelbar mithilft. Peter Altmaier (CDU) hat es gerade getan. In einem Brief an seinen taiwanischen Amtskollegen Wang Mei-Hua betont der Minister, die aktuellen Versorgungsprobleme seien von herausragender industriepolitischer Bedeutung, da die Erholung der Branche gefährdet sei. Er bittet um mehr Chips für die hiesigen Autobauer.

Wang seinerseits ist inzwischen der Bitte nachgekommen. Er hat mit Führungskräften der Firma TSMC gesprochen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Manager hätten versichert, dass man den Fertigungsprozess verbessere und effizienter mache und Halbleiter für Autos nun priorisiere. Allerdings lässt Konzernchef C. C. Wei gegenüber Reuters auch durchblicken, dass das Unternehmen an seiner Kapazitätsgrenze arbeite. Man wolle gleichwohl versuchen, Kunden mit Computerchips der neueren Generationen zu versorgen, obwohl sie eigentlich Vorgängermodelle bestellt hätten. Denn bei den modernsten Komponenten sei es einfacher, den Ausstoß zu steigern.

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Ohne die Halbleiter geht in den Fahrzeugen gar nichts

Die Firma TSMC ist der weltweit größte Auftragsfertiger der Siliziumchips. Von dem Unternehmen sind zahlreiche große Autobauer – Volkswagen, Daimler, Ford, Toyota, Fiat Chrysler – und deren Zulieferer mehr oder weniger abhängig. Ohne die Halbleiter geht in den Fahrzeugen gar nichts mehr. Mit ihnen werden nicht nur Navigationsgeräte betrieben, sondern vor allem die immer ausgefeilteren Assistenzsysteme gesteuert – vom Antiblockiersystem bis zum Helferlein, der die Spur hält. Mit den Elektroautos ist der Bedarf an Halbleitern noch einmal zusätzlich gestiegen. Die sogenannte Leistungselektronik steuert, wie der Strom möglichst effizient aus den Batterien abgerufen und auf E-Motoren verteilt wird.

Bei Volkswagen sah man die Probleme schon im Dezember kommen. An einigen Standorten musste die Produktion gedrosselt werden. China-Chef Stephan Wöllenstein räumte vor einigen Tagen ein, dass der Konzern auf seinem wichtigsten Markt allein im Dezember wegen fehlender Elektronikteile 50.000 Autos weniger produziert habe. Das Problem werde über das erste Quartal anhalten und erst im zweiten überwunden werden.

Die Experten des US-Analysehauses Sanford Bernstein sind da deutlich pessimistischer. Sie befürchten, dass der Notstand sich zumindest über das ganze erste Halbjahr erstrecken wird und weltweit bis zu 4,5 Millionen Autos weniger gebaut werden, als möglich wäre.

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Industrie stellte auf Unterhaltungselektronik um

Wobei die neue Knappheit dann doch auch mit der Pandemie zu tun hat. Im vergangenen Frühjahr – während des ersten Lockdowns – rutschte die Autobranche innerhalb weniger Wochen in eine schwere Krise. Die Chipindustrie stellte die Fertigung um, setzte auf Unterhaltungselektronik wie Spielekonsolen, auf Halbleiter für Smartphones und Computer, diese Gerätschaften wurden wegen Homeoffice und Bewegungseinschränkungen stärker nachgefragt. Maßgeblich für dieses Verhalten ist: Halbleiter sind ein moderner Rohstoff. Die Leistung der integrierten Schaltkreise und die Produktivität bei deren Herstellung steigen ständig. Geschwindigkeit und große Mengen bei der Fertigung sind entscheidend, wenn ein Unternehmen lukrativ sein will. Eine ständige Auslastung der Anlagen von mindestens 80 Prozent muss gewährleistet sein.

Der enorme Druck sorgt in der Branche für ein stetes Pendeln. Besteht große Nachfrage, steigen Preise und Renditen: Kapazitäten werden ausgebaut. Doch sobald die Konjunktur lahmt, entstehen Überkapazitäten mit heftigem Preisverfall. Genau davor wollten sich die Unternehmen im Frühjahr 2020 wappnen. Zumal laut Branchenkennern vor allem Automobilzulieferer Risiken scheuten und Chips nur zurückhaltend orderten. Als dann im Herbst abzusehen war, dass die Nachfrage nach Autos wieder anspringt, war es zu spät. Die Chipfabriken arbeiteten bereits unter Volllast.

EU hinkt bei der Chipproduktion 15 Jahre hinterher

Auf Zulieferer könnte nun einiges zukommen. Das Fachblatt „Automobilwoche“ berichtet, dass Volkswagen gegen Bosch und Continental nun Schadensersatzansprüche prüft und dass die Manager sich nach anderen Elektroniklieferanten bereits umschauen.

Um die Versorgung für die gesamte Branche sicherer zu machen, werden in der EU seit geraumer Zeit Pläne gewälzt, wie unter dem Stichwort „digitale Souveränität“ auch die Halbleiterproduktion in Europa gestärkt werden kann – der hiesige Chiphersteller Infineon stellt eine seltene Ausnahme dar. Ein gewaltiger Kraftakt wäre nötig, denn das Know-how haben bisher Firmen vor allem in Asien und den USA. Um deren Vorsprung einzuholen, müssten nicht nur viele Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung gesteckt werden, es würde laut Unternehmensberatung McKinsey auch etwa 15 Jahre dauern, um mit den Weltmarktführern gleichzuziehen.

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RND

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