Galoppsport

37 Siege in einer Saison: Lilli-Marie Engels ist mit Abstand der beste deutsche weibliche Jockey

Schönes Bult-Bild: Siegerin Lilli-Marie Engels am 6. Juni auf Rufolo zwischen den Fans.

Schönes Bult-Bild: Siegerin Lilli-Marie Engels am 6. Juni auf Rufolo zwischen den Fans.

Hannover. Manchmal darf man einfach ein Foto wirken lassen, um sich einer in der Öffentlichkeit noch nicht so bekannten Sportlerin zu nä­hern – und so schauen wir gern noch einmal auf den perfekten Schnapp­schuss unseres Fotografen Florian Petrow. Glücklich thront da am Pfingstmontag dieses Jahres eine schlanke junge Frau mit blau-weiß-schwarz gestreiftem Dress und weißem Helm auf dem Rücken des etwas gelangweilt wirkenden Erfolgswallachs Rufolo. Sie breitet die Arme aus und wird durch ein Spalier von überwiegend jugendlichen Fans ge­führt, die mit der Reiterin ab­klat­schen wollen – oder we­nigs­tens ihre Fingerspitzen be­rüh­ren.

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Jetzt, ein knappes halbes Jahr später, sitzt die schlanke junge Frau in einem Café in Langenhagen und erinnert sich lächelnd an diesen Moment. Sie heißt Lilli-Marie Engels und sagt: „Das war ein schöner Mo­ment, ich hatte für meinen Stall gewonnen, es war ein Heimrennen, die Leute waren begeistert, perfekt.“ Zuvor war Engels mit Rufolo über das Geläuf der Neuen Bult ins Ziel geflogen, engelsgleich, schwärmte unser Reporter seinerzeit. Für Trainer Dominik Moser war es Anfang Juni der achte Saisontreffer, für seine Auszubildende Engels be­reits der vierzehnte.

Der erste Sieg gelingt Lilli-Marie Engels im September 2015

Seit Sommer ist „Lilli“, wie man sie nennen soll, kein Lehrling mehr, sondern geprüfte Pferdewirtin und mit Abstand der beste deutsche weibliche Jockey. Engels sagt übrigens genderfrei „Jockey“ zu der Be­zeich­nung ihres Berufs, mit Be­grif­fen wie Jockette und Jo­ckeuse „kann ich nicht so viel anfangen“. Die 22-Jährige be­legt den sechsten Platz in der Profistatistik der Berufsrennreiter, stolze 37 Siege bei 291 Starts stehen in ihrer Erfolgsbilanz für 2022. Insgesamt liegt sie bei 132 Karrieresiegen, ih­ren ersten feierte sie im September 2015 – auf Mister Spock auf der Bult.

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Lilli-Marie Engels

Galoppsport, Topjockey von der Neuen Bult in Hannover-Langenhagen

Dass „Lilli“ später mal ir­gend­et­was mit Pferden ma­chen würde, war schon in frühester Kindheit nicht zu verhindern. „Meine Eltern haben mich als Baby tausendmal aufs Pferd gesetzt“, das Shetland-Pony Max könnte es im Familienstall in Wa­ren­dorf noch bezeugen – das treue Tier ist 40 Jahre alt und wird bei jedem Heimatbesuch ge­strei­chelt.

Die Bezeichnung „Pferdeflüsterin“ hört sie nicht gerne

Viel Zeit für die alten Freunde bleibt allerdings nicht, Engels sitzt an den Wochenenden meistens im Rennsattel, in Wahrheit knien die Jockeys aber eher athletisch auf dem Pferderücken: „Du kannst da viel falsch machen – den Oberkörper zu weit oben, die Ha­cken zu weit unten oder die Arme nicht lang genug beim Vorwärtsschieben.“ Engels hat das natürlich auch in ihrem Ausbildungsstall von Dominik Moser auf der Bult („wie eine tolle Familie“) trainiert und sich mit unzähligen Videos weitergebildet, das Geheimnis ihrer besonderen Fähigkeiten ist aber vor allem ihr tierisches Einfühlungsvermögen. Man könnte sie „Pferdeflüsterin“ nennen, das hört „Lilli“ aber nicht so gern. Sie sagt stattdessen: „Ich kann mich auf jedes Pferd gut einstellen.“

Ihren eigenen Körper muss Engels natürlich auch einstellen. Ihre 54 Kilo bei 1,70 Meter sind Wettbewerbsgewicht, Engels vermeidet Süßigkeiten und Alkohol, sie joggt viel und erledigt in der Wohnung einiges an Fitnessübungen, ihr Podenco-Mischling Pepino hält sie zusätzlich auf Trab. Tatsächlich muss sie als Jockey austrainiert sein, bis zu zehn Rennen auf verschiedenen Pferden sind an einem Tag drin, „das ist schon anstrengend“. Jockeys werden für die einzelnen Einsätze von Ställen und Besitzern ge­bucht, das bringt 90 Euro pro Ritt und 5 Prozent der Gewinnsumme. Gutes Geld für En­gels, die sich im neuen Jahr von der ge­wohn­ten Ba­sis-Stall­ar­beit ab morgens um 6 Uhr verabschieden kann, weil sie künftig nur noch reitet – das ist ein Aufstieg für die junge Profifrau. Den Moser-Stall auf der Bult gibt es seit Kurzem nicht mehr, sie wechselt nach Köln zu An­dre­as Subo­rics, der deutlich mehr Pferde hat – das wird En­gels mehr Einsätze und wohl auch mehr Siege bringen. Auf ihrer Erfolgswunschliste stehen noch Triumphe in den wichtigen Listen-, Auktions- und Gruppenrennen sowie in einem Ausgleich I. Und natürlich: Das Derby in Hamburg, „das ist der Gipfel für alle Jockeys“.

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Sicher wird man „Lilli“ auch auf der Bult wiedersehen, sie freut sich bereits auf ihre Heim-Fans: „Ich finde es gar nicht wichtig, ob die Leute auf der Bahn sich genau auskennen oder nur wetten wollen und Spaß haben – Hauptsache, sie kommen.“ Das passende Bild dazu haben wir schon vor Au­gen: Engels wird wieder die Arme ausbreiten und engelsgleich durchs Spalier reiten.

Von Uwe von Holt

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