Der Frauenfußball und das Geld

Guter Sponsor, schlechter Sponsor: die Fifa und ihr fruchtloses Techtelmechtel mit Saudi-Arabien

Die Weltmeisterschaft der Frauen findet im Sommer in Australien und Neuseeland statt.

Die Weltmeisterschaft der Frauen findet im Sommer in Australien und Neuseeland statt.

„Ich finde es bizarr, dass die Fifa ein Land protegiert, in dem ich als Person nicht unterstützt werde. Das verstehe ich nicht.“ Mit diesen Worten erregte US-Fußball-Superstar Alex Morgan kürzlich Aufsehen. Denn sie kritisiert nicht irgendjemanden, sie kritisiert Saudi-Arabien für seine Menschenrechtssituation und die Fifa für ihren zu diesem Zeitpunkt geplanten Werbedeal mit Saudi-Arabien. Für ein Turnier, bei dem Alex Morgan eines der berühmtesten Gesichter ist. „Jeder spricht sich dagegen aus, weil es moralisch einfach keinen Sinn macht“, so die 33-Jährige. Saudi-Arabien solle sich erst mal um die eigene Frauenfußball-Mannschaft kümmern.

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In rund vier Monaten beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Neuseeland und Australien. Und einer der Hauptsponsoren sollte die saudi-arabische Tourismusbehörde Visit Saudi sein. Schon kurz nach Bekanntwerden hagelte es Kritik, von Menschenrechtsorganisationen, von Spielerinnen, selbst vom Organisationskomitee. Auch die deutsche Spielerin Alexandra Popp sprach sich dagegen aus. Die Kritik war so stark, dass die Fifa nach Wochen des Schweigens einknickte und sich von der Idee verabschiedete. Am Donnerstag teilte Fifa-Präsident Gianni Infantino mit: „Es gab Diskussionen mit Visit Saudi. Am Ende haben die Diskussionen nicht zu einem Vertrag geführt.“

Frauenfußball wird für Marken attraktiver

Was im Männerfußball schon länger als problematisch angesehen wird, trifft nun auch die Frauen – mit der größeren Aufmerksamkeit, die der Sport bekommt, und dem schon länger anhaltenden Erfolg steigt das Interesse an Sportmarketing. „Frauenfußball hat sich weiterentwickelt, ist sportlich deutlich attraktiver geworden als noch vor zehn Jahren und hat sich von der Leistung dem Männerfußball angenähert“, sagt Gerd Nufer, Direktor des Deutschen Instituts für Sportmarketing, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Früher waren das zwei Sportarten, das ist heute nicht mehr so.“

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Doch nicht nur die Attraktivität des Spiels und der Erfolg sorgen für mehr Aufmerksamkeit, auch das Image der Frauen taugt den Fans mehr als das der Männer: Sie sind unbeschwerter und bodenständiger. Während es im deutschen Männerfußball in den vergangenen Jahren vor allem um Kapitalismus und Kommerzialisierung ging, um eine WM in Katar, um 50-plus-eins-Regelungen, um Marketing-Bezeichnungen wie „Die Mannschaft“ für die DFB-Elf, um hohe Ticketpreise und heimliche Trainings, steht bei den Frauen der Sport im Fokus und das Team gibt sich nahbar.

Einst Geschirr als Prämie – nun Werbepartner für den Thermomix

Mit dieser neuen Aufmerksamkeit gehen aber auch Herausforderungen einher, für die Sportlerinnen, die Verbände. Die gesellschaftlich geführte Debatte, wie viel Geld Profifußballerinnen verdienen sollten, die Angleichung der Gehälter bei Nationalmannschaftseinsätzen etwa für die USA, zeigt auch, dass der Frauenfußball nicht frei von Kommerzialisierung ist. Die Gehälter der Männer, sowohl in den Vereinen als auch bei den Verbänden, werden etwa durch Summen gedeckt, die auch von Sponsoren und TV-Übertragungen kommen. Wird mehr Geld verlangt, werden auch mehr Einnahmen gebraucht.

Der Sport wird als Vehikel genutzt, um zum einen von Negativem abzulenken, zum anderen, um den Tourismus als Einnahmequelle zu generieren.

Gerd Nufer,

Direktor des Deutschen Instituts für Sportmarketing

1989 gewannen die deutschen Fußballerinnen rund um die heutige Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und die ehemalige Nationaltrainerin Silvia Neid in Osnabrück den ersten Europameister-Titel für Deutschland im Frauenfußball. Während die Männer damals umgerechnet rund 64.000 Euro vom DFB für einen Titel erhielten (bei der WM 1990 in Italien), gab es für die Frauen das Kaffeeservice „Mariposa“ von Villeroy & Boch. Weißes Porzellan, blaue und rote Blüten.

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Nicht überraschend also, dass die jüngste Sponsorenbekanntgabe des DFB für Schmunzeln sorgte: Vorwerk wird Hauptsponsor der Frauennationalmannschaft. Vorwerk, das Unternehmen, das für Staubsauger und Thermomix bekannt ist, und für die die Profifußballerinnen nun werben. Ob es für den Gewinn der WM im Sommer (zusätzlich) Haushaltsgeräte für die Frauen geben wird, ist nicht bekannt.

Ein Supermodel als WM-Botschafterin

Wenngleich sich einiges geändert hat in den vergangenen Jahren, und die Frauen inzwischen auch Geld für den Titelgewinn erhalten (allerdings noch immer deutlich weniger als die Männer), ist man noch lange nicht soweit, dass Frauenfußball ohne Klischees auskommt. So gab die Fifa Anfang März bekannt, dass Supermodel Adriana Lima WM-Botschafterin wird. Lima hat keinerlei Verbindung zum Fußball, steht weltweit aber für ihr Aussehen in der Öffentlichkeit.

Die einstige australische Nationalspielerin Moya Dodd sagte daraufhin „The Athletic“, dass fußballspielende Mädchen keine Komplimente für ihr schönes Aussehen oder ihr hübsches Kleid bekommen wollen, sondern für spielrettende Tacklings und brillante Torschüsse gelobt werden wollen. „In einem WM-Jahr sollte diese Botschaft in der ganzen Welt laut und deutlich zu hören sein. Wie ein Supermodel da hineinpasst, ist wirklich rätselhaft.“

Phänomen Sportwashing: über passende und unpassende Sponsoren

Ein Supermodel als WM-Botschafterin, ein frauenfeindliches Regime als angedachter Sponsor – obwohl die Austragung in Neuseeland und Australien stattfindet, werden ähnliche Diskussionen geführt wie bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer nach Katar. „Manche Sponsoren werden als passend, andere als unpassend wahrgenommen“, sagt Nufer. „Werder Bremen dachte sich seinerzeit auch nicht: Wir wollen unbedingt eine Geflügelfarm als Trikotsponsor. Das war aber eben das beste Angebot“, sagt er über Wiesenhof, einen Sponsor des Bundesligisten. Sprich: Es geht darum, wer am meisten bezahlt. „Die Fifa ist kein Staat und kein Wohltätigkeitsunternehmen. Die Fifa ist eines der kapitalistischsten Unternehmen überhaupt“, sagt Nufer.

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Sponsoring hat sich im Laufe der Zeit verändert. Ging es Marken früher darum, sichtbar zu werden und eine größere Reichweite zu erzielen, hat Sportmarketing inzwischen viel mit Imagebildung zu tun. Sportwashing heißt der neumodische Begriff für diese Aktivitäten. „Der Sport wird als Vehikel genutzt, um zum einen von Negativem abzulenken, zum anderen, um den Tourismus als Einnahmequelle zu generieren“, erklärt Nufer.

Katar und Saudi-Arabien bereiten sich bereits auf die Zeit nach dem großen Ölgeld vor, wollen touristische Strukturen ausbauen und auf der Welt als offener Ort um Reisende werben – und das geht kaum effizienter und einfacher als mit Sport und Fußball. Cristiano Ronaldo spielt in Saudi-Arabien, Lionel Messi ist Werbegesicht für das Land und David Beckham wirbt in einem 180-Millionen-Euro-Deal für Katar – wenn die Stars werben, werden die Länder auch für die Fans attraktiv.

Die Gesellschaft fordert Haltung und Moral – auch von Sponsoren

Doch die Unternehmen treffen heute auf ein mündiges Publikum, das genauer hinschaut als zuvor und besser informiert ist als in der Vergangenheit. Die Gesellschaft fordert eine Haltung, fordert moralisches Agieren, politisch korrektes und zeitgemäßes Verhalten, fordert Vorbildfunktionen von Sponsoren, von Organisatoren, von Sportlerinnen und Sportlern. „Man erwartet von einem Sponsor heute mehr als früher“, sagt Nufer. In Deutschland glaubt man einem plötzlichen Imagewandel von Saudi-Arabien und Katar nicht.

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Sodann ist nicht überraschend, dass Saudi-Arabien in der westlichen Welt, und vor allem im Zusammenhang mit der Förderung von Frauensport, kritisiert wird. „Saudi-Arabien passt nicht zu Neuseeland und Australien als Austragungsorte. Frauenrechte stehen da einfach nicht ganz oben“, sagt Nufer. Dass sich Spielerinnen abwendeten, ist das eine. Aber auch Neuseeland und Australien versuchten aktiv, Saudi-Arabien als Sponsor der heimischen WM loszuwerden. Das hat einen Grund: Das Image, das ein Sponsor hat, überträgt sich auch auf die Gesponserten, in dem Fall auf Australien und Neuseeland und die Teilnehmerinnen.

Auch künftig werden wir bei sportlichen Großveranstaltungen ein sogenanntes Sponsor Shifting erleben, glaubt Nufer. Das hat auch mit geänderten Bedingungen sowohl im Sponsoring als auch bei der Austragung von Mega-Events zu tun. Ethiker Harald Friedl sagte dem RND bereits im Vorfeld der Männer-WM in Katar, dass ein Trend hin zu solchen Veranstaltungen in weniger bis nicht demokratischen Staaten erkennbar sei, weil sie sich besonders gut eignen. Während in demokratischen Staaten dagegen demonstriert wird, dass so viel Geld für eine Sportveranstaltung ausgegeben wird, ist es in Katar oder Russland einfach, die Austragung zu regeln. „Es ist hilfreich für die Regime, dass die Bürgerbeteiligung in diesen Staaten keine Rolle spielt“, sagte Friedl.

Für den Frauenfußball hat das Folgen, denn je schlechter das Image der Fifa, weil sie sich mit demokratiefeindlichen Staaten gemein macht, ob als Austragungsorte oder beim Sponsoring, desto mehr westliche Marken ziehen ihr Sponsoring zurück, weil sie nicht mehr mit der Fifa in Verbindung gebracht werden wollen. Vermeintlich unmoralische Angebote müssen dann aus finanziellen Gründen angenommen werden.

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Nufer sieht als Fußballfan aber noch ein weiteres Problem: „Die Diskussionen um einen Sponsor oder Austragungsort haben Einfluss auf sportliche Leistungen“, meint er. Die One-Love-Binde in Katar, die Menschenrechte in Katar, die toten Arbeiter, die Reaktion der deutschen Mannschaft mit dem zugehaltenen Mund – „das waren die 5 Prozent Konzentrationsmangel im Turnier, die durch zu viele Nebenschauplätze verursacht werden“. Auch wenn die Gesellschaft eine Reaktion und eine Haltung fordere, wünscht er sich, dass das nicht auf Spielerinnen und Spieler projiziert werde. „Dafür sind Funktionäre und Verbände zuständig, nicht die Spieler auf dem Platz.“

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