Fußballfans begehren auf: Darum geht es im Streit mit Polizei und Innenministern

Viele Fußballfans hierzulande zieht es am Sonntag nach Sachsen. In Leipzig, wo am Montag die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ihr letztes Qualifikationsspiel zur WM 2026 gegen die Slowakei bestreitet, hat die Gruppierung Fanszenen Deutschlands zum Demonstrationszug gegen den laut Pressemitteilung „aktuellen Sicherheitswahn der Innenminister“ geladen. Auch Fangruppen, die sich im normalen Spielbetrieb spinnefeind sind, wollen dann gemeinsam durch Leipzig laufen.
Die ursprünglich für 1500 Personen angemeldete Demonstration wird immer größer. Mittlerweile werden nach Angaben aus Fankreisen offiziell bis zu 5000 Demonstrierende erwartet, die Anmeldung der Demo sei entsprechend bei der Stadt Leipzig aktualisiert worden. Schätzungen gehen sogar von bis zu 15.000 Demonstrierenden am Sonntag aus.
Wenn Fans den Fußball, wie sie ihn lieben, in Gefahr sehen, finde sich das Netzwerk eben schnell über Vereinsgrenzen hinweg zusammen, sagte ein Sprecher der Initiative Die Fanszenen Deutschlands dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Schon bei den letztlich erfolgreichen Protesten Ende 2023 bis Anfang 2024 gegen den geplanten Investoreneinstieg bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) agierte die Szene mit gleichem Ziel. Wochenlang wurden aus Protest beispielsweise Tennisbälle von den Tribünen auf die Spielfelder in den Stadien der höchsten Ligen geworfen.

„Dortmunder kennen Schalker, Schalker kennen Dortmunder“, erklärt der Sprecher mit Verweis auf die wohl bekannteste Rivalität im deutschen Fußball. Und in diesem Fall seien diejenigen, die sich sonst in Schwarzgelb und Königsblau unversöhnlich gegenüberstehen, in der Sache vereint.
Doch was bringt die Fans derartig auf, dass sie sogar über Rivalitäten hinweg ein gemeinsames Ziel haben?
Die Pläne der Innenministerien
Vertreter von Politik, Polizei, dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), der DFL und der sogenannten Koordinierungsstelle Fanprojekte (KOS) haben in den vergangenen Monaten in der Bund-Länder-offenen-Arbeitsgruppe (BLoAG) genannten Runde über die Sicherheit in Fußballstadien diskutiert. Die Arbeitsbelastung der Polizei rund um die Spiele und - wie es heißt - „öffentlichkeitswirksame Gewaltvorfälle“ hatten die Politik dazu bewogen, in das Thema hineinzuleuchten. Anfang Dezember soll bei der Innenministerkonferenz darüber diskutiert werden.
Unter anderem Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hatte die Ziele der Politik zuletzt benannt: Sie forderte beispielsweise eine konsequentere Umsetzung von Stadionverboten, um die „jeweiligen Vereine enger zu begleiten“, so Behrens. Dafür solle eine zentrale Stadionverbotskommission eingerichtet werden. „Wir hatten in den vergangenen Jahren mit Ausnahme der letzten Saison mehr Gewalttaten im Stadion, aber die Zahl der Stadionverbote ist gleichzeitig heruntergegangen“, sagte Behrens der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“.
Wie sicher sind die deutschen Stadien?
1338 Personen wurden laut der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) in der Saison 2023/2024 rund um Begegnungen der ersten drei Ligen verletzt (plus 13,8 Prozent), darunter 306 Polizeibeamte und 160 Ordnungskräfte. Dazu wurden 7351 Straftaten gezählt. Das sei ein Anstieg von 12,2 Prozent im Vergleich zu 2022/2023, hieß es. Die DFL verwies in der Vergangenheit auf eine repräsentative Fan-Studie: 96 Prozent der Stadionbesucher fühlen sich während des Spieltags sicher. Insgesamt 721 bundesweite Stadionverbote waren Ende August dieses Jahres in Kraft, schrieb der „Spiegel“ mit Verweis auf DFB-Angaben. dpa
Weitere Ideen der Politik sind personalisierte Eintrittskarten bei Spielen, bei denen mit Gewalt gerechnet wird, den sogenannten Risikospielen. Dazu wird beispielsweise diskutiert, die Anzahl an Karten für den jeweiligen Gästebereich zu reduzieren.
Die Reaktion der Fans
Als „überzogen und einseitig“ kritisieren die organisierten Fans die Forderungen der Innenministerien. Fußballfans würden zunehmend pauschal als Sicherheitsrisiko behandelt. Maßnahmen wie zentral ausgesprochene Stadionverbote, personalisierte Eintrittskarten und gesteigerte Überwachung bezeichnen sie als „besonders problematisch“, da „lokale Fan- und Stadionstrukturen über Jahre hinweg erfolgreich für Sicherheit gesorgt haben“.
Die für die Demonstration reformierte Gruppierung Fanszenen Deutschlands, deren Protagonisten namentlich nicht genannt werden wollen, fürchten um die „lebendige Fankultur“, die entscheidend dazu beitrage, dass der deutsche Fußball auch international als Marke betrachtet werde. Man trete deswegen für ein „faires Miteinander im Stadion, gegen pauschale Repressionen und für den Erhalt der lebendigen Fankultur ein“.
Das sagen DFB und DFL
Der mit mehr als acht Millionen Mitgliedern größte Sportverband der Welt und die Organisation der Profiligen in Deutschland versuchen, eine Art Mittler zwischen Behörden und Konsumenten zu bilden. In ihrer Stellungnahme zu den Ergebnissen der BLoAG-Gespräche heißt es abschließend: „DFB und DFL bleiben dem gemeinsamen Ziel verpflichtet, das hohe Sicherheitsniveau auch künftig zu gewährleisten, Polizeieinsatzstunden zu reduzieren und eine positive Fankultur zu erhalten.“
Diese Stellungnahme kritisierte der Sprecher der Fanszenen Deutschlands gegenüber dem RND als „zu weich“: „Mir fehlt die klare Kante gegenüber der Politik.“
Eine nächste Eskalationsstufe haben die Fangruppierungen aktuell noch nicht in Planung. Neuerliche Tennisball-Aktionen seien nicht angedacht. „Wir hoffen, dass die Demonstration am Sonntag Wirkung zeigt“, sagt der Sprecher.





