Kryptodilemma in der Influencer-Szene

Warum Skandal-Youtuber Logan Paul vor einem Scherbenhaufen steht

Der Youtuber Logan Paul bei einem Boxkampf gegen Floyd Meawether.

Der Youtuber Logan Paul bei einem Boxkampf gegen Floyd Meawether.

Hannover. Zugegeben: Ganz überraschend kommen die jüngsten Nachrichten um den Youtuber Logan Paul nicht. Der 27‑Jährige gehört nicht gerade zu den Influencern, die sich in den vergangenen Jahren mit positiven Aktivi­täten in die Öffentlichkeit gedrängt hätten – ganz im Gegenteil.

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Der Youtube-Kanal des US‑Influencers galt lange Zeit als Sammelsurium all dessen, was man andernorts als Trash‑TV bezeichnen würde. Pauls Vlogs, häufig gedreht in seiner riesigen Villa, umgeben von einer Gruppe egozentrischer Muskel-Dudes, schrien förmlich nach Aufmerksamkeit. Hier zeigte der Influencer sein Leben, das rund um die Uhr aus Spaß und Party zu bestehen schien. Rücksichtslos wurde herumgebrüllt, am laufen­den Band wurden teure Einrichtungsgegenstände zertrümmert und kontinuierlich Grenzen überschritten.

Mehrfach geriet Paul mit Tierschützerinnen und Tierschützern aneinander. Einmal holte er für ein Youtube-Video einen Karpfen aus dem Wasser und imitierte an ihm eine Herzdruckmassage, bis das Tier schließlich tot im Teich zurückgelassen wurde. Im selben Video beschoss er zwei tote Ratten mit einem Elektroschocker. Die Videoplattform Youtube schmiss Paul daraufhin aus ihrem Premium-Partnerprogramm.

Ein anderes Mal verkündete Paul eine glorreiche Videoidee: Er wolle für einen Monat lang „schwul leben“. Vertreterinnen und Vertreter der LGBTQ+-Bewegung zeigten sich außer sich – als sei die sexuelle Orientierung etwas, das man einfach anziehen und wieder ablegen könnte, wie es gerade passt.

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Paul filmt Leiche im Wald

Für internationale Schlagzeilen sorgte aber ein ganz anderer Skandal: Im Dezember 2017 erschien auf dem Youtube-Kanal des heute 27‑Jährigen eine sogenannte Übernachtungs-Challenge: Gemeinsam mit Freunden wollte Paul eine Nacht im Aokigahara verbringen, ein dichter und weitläufiger Wald in Yamanashi, Japan, um den sich viele Horrormythen ranken.

Was die Gruppe schließlich im Wald fand, war eine echte Leiche. Der Aokigahara wird landläufig auch als „Suizid-Wald“ bezeichnet, weil sich hier überdurchschnittlich viele Menschen das Leben nehmen. Paul schlachtete den Fall genüsslich auf seinem Youtube-Kanal aus – inklusive halb verpixelter Aufnahmen des Leichnams direkt auf dem Vorschaubild. Erst später, nach massiver Kritik, ruderte der Youtuber zurück und entschuldigte sich für sein Verhalten.

Pauls Karriere, und das ist der erstaunliche Teil der Geschichte, schadete all das nicht. Der 27‑Jährige gehört weiterhin zu den erfolgreichsten Influencern der Welt. Er hat einen Podcast, ein eigenes Modelabel und seit Neuestem auch ein eigenes Erfrischungsgetränk, für das Jugendliche in den USA und Großbritannien die Supermärkte stürmen. Ja sogar im Fernsehen darf Paul noch auftreten, zuletzt etwa in der US‑Variante der Show „The Masked Singer“.

Pauls unterirdisches Verhalten ist kein Fehltritt, sondern festes Konzept. Der 27‑Jährige steht für eine Gene­ration viel zu schnell reich gewordener junger Männer, mit Protzkarren, riesigen Villen und riesengroßem Ego – und: jeder Menge Fans (die sogenannte Logang), die zu Paul aufschauen und genau diesen Lifestyle feiern. Mit dieser Ausgangslage ist es für Influencer auch ein Leichtes, lukrative Geschäftsmodelle zu entwickeln und noch mehr Geld zu machen. Man verkauft einfach den Traum, den man seinen Fans selbst vorlebt.

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Das Influencer-Geschäft mit den NFTs

Mit seinem neuesten Streich allerdings könnte sich der Youtuber nun endgültig ins Aus geschossen haben – denn selbst die treuesten Fans kehren dem 27‑Jährigen inzwischen enttäuscht den Rücken. Der Grund: Ein von Paul beworbenes Onlinegame mit dem Namen „Cryptozoo“, hinter dem ein zwielichtiges Geschäft mit sogenannten NFTs steckt.

NFT ist die Abkürzung für Non-Fungible Tokens. Darunter versteht man ein Echtheitszertifikat für ein digitales Kunstobjekt. Mit ihm wird ein digitales Werk, etwa Bilder oder Musikdateien, das ja eigentlich problemlos kopierbar ist, zum Original erklärt. Dabei werden die Werke digital signiert und gemeinsam mit dem Besitzer auf einer Blockchain registriert. Dadurch werden die Werke zum Unikat und handelbar. Die Blockchain ist auch die Grundlage für Kryptowährungen wie etwa Bitcoin.

In den vergangenen Jahren ließ sich mit solchen NFTs richtig viel Geld machen. Beim Auktionshaus Christie’s etwa wurden digitale Kunstobjekte für Millionen versteigert. Beliebt waren sie zum Beispiel bei Sportfans, die sich etwa Videoclips mit den besten Aktionen ihrer Idole als Original sichern können. Und will man das Zertifi­kat nicht mehr haben, so lässt es sich für noch mehr Geld einfach weiterverkaufen.

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Schlechter Ruf durch Influencer

Oder eben auch nicht. Der Ruf von NFTs begann schnell zu bröckeln. Schnell sprangen Betrüger auf den Hype auf, auch die Zertifikate selbst brachten irgendwann kaum noch Gewinne ein. Und auch Influencerinnen und Influencer trugen nicht gerade zum guten Ruf der Technologie bei.

Sie nutzen NFTs für immer abstrusere Geschäftsideen, um ihren Fans noch mehr Geld aus den Taschen zu ziehen. Die Sängerin Azealia Banks etwa verkaufte ein Filmchen, das sie beim Geschlechtsverkehr mit dem Künstler Ryder Ripps zeigt – für 22.500 Dollar. Der Rapper Snoop Dogg verscherbelte in einem Onlinespiel virtuelle Grundstücke neben seinem Haus für bis zu 450.000 Dollar.

Und auch Logan Paul mischte kräftig mit: Er verkaufte 44 NFTs, die ihn auf einer einzigartigen „Pokémon“-Karte zeigen.

„Cryptozoo“ wird zum Desaster

Und dann wäre da eben noch „Cryptozoo“. Hinter dem NFT-Projekt steckt ein 2021 gestartetes „Spiel“, das den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht nur Spaß machen, sondern auch Geld bringen soll – so zumindest das Versprechen Logan Pauls.

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Die Grundidee: Spielerinnen und Spieler kaufen einen Krypto-Token, der sich „Zoo“ nennt – eine In-Game-Währung. Damit wiederum lassen sich im Spiel digitale Eier als NTFs kaufen, aus denen wiederum virtuelle Tiere schlüpfen können. Und diese Tiere können dann wiederum so gezüchtet werden, dass aus ihnen Hybridtiere werden. Paart man also einen Gorilla mit einer Katze, wird daraus eine „Gorkitty“.

All das klingt wie eine Mischung aus Tamagotchi und Pokémon – nur als lukrative Investitionsmöglichkeit. Je einzigartiger das gezüchtete Tier und damit der NFT, desto mehr Zoo-Tokens bringt es ein. Mit diesen lassen sich dann neue Eier kaufen – oder das eingenommene Geld kann auszahlt werden.

Teilnehmer fühlen sich betrogen

In der Theorie zumindest. Der Journalist Stephen Findeisen hat kurz vor Ende des Jahres eine Recherche auf seinem Youtube-Kanal Coffeezilla veröffentlicht. Darin spricht Findeisen mit zahlreichen „Cryptozoo“-Teilnehmern (allesamt Männer), die sich von Paul hinters Licht geführt fühlen. Einer etwa berichtet, dass es nicht einmal möglich gewesen sei, die erworbenen Eier zum Schlüpfen zu bringen. Und Geld hätten die Spieler, wie ursprünglich versprochen, auch nie gesehen – im Gegenteil: Einige hätten Hunderttausende Dollar in das Spiel gesteckt – offenbar weil sie darin einen riesigen Hype sahen und den großen Gewinn witterten, der jedoch ausblieb.

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Findeisen prangert in seiner Videoreihe noch weitere Missstände an. Etwa, dass die gezeigten NFT‑Tiere, in denen laut Paul die monatelange Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern stecke, einfach nur gemorphte Stockfotos seien. Entwickler des Spiels seien nicht bezahlt worden, weswegen es zum Bruch mit Paul und seinem Team gekommen sei und das Projekt schließlich auf Eis lag.

Und nachdem die erste Kritik an dem Spiel laut wurde, sei Paul auch noch abgetaucht und habe sich bei seinen Investorinnen und Investoren schlichtweg nicht mehr gemeldet – geschweige denn, sie über den Stand des Projektes „Cryptozoo“ informiert. Weder in Podcastfolgen noch andernorts sei das Projekt jemals wieder erwähnt worden, während der Youtuber öffentlich schon wieder ganz neue Projekte bewarb. Gerade einmal zwei Nachrichten habe der Influencer innerhalb eines Jahres im Supportforum von „Cryptozoo“ geschrieben, eine davon lautet „Yoooooo“.

Logan Paul dementiert

Warum ist das so? Darüber gibt es nun unterschiedliche Deutungen. Findeisen zeichnet in seiner Videoreihe den Fall eines Kryptobetrugs, an dem eine explosive Mischung zwielichtiger Männer mitgewirkt habe. Neben Influencer Logan Paul seien das auch noch sein Manager, ein fragwürdiger Kryptoguru, sowie ein unseriöser Internetunternehmer gewesen, der sich bereits in der Vergangenheit als Hochstapler und Lügner entpuppt hatte – trotzdem aber bei dem Projekt die Fäden in der Hand hielt.

Logan Paul selbst dementiert die Betrugsvorwürfe – er sieht sich als Opfer. In einem Statementvideo und einem Podcast erklärt er, er selbst sei auf einen vorbestraften kriminellen Entwickler hereingefallen, der den Code des Spiels gestohlen habe und die Schweiz geflüchtet sei. Von den anderen zwielichtigen Team­mitgliedern habe man sich umgehend getrennt, als man von ihren Kontroversen erfahren habe. Er habe keine Updates zum Projekt liefern können, weil in Sachen „Cryptozoo“ ermittelt worden sei.

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Dass das Spiel nicht richtig funktioniert habe, dementiert Paul ebenfalls. Selbstverständlich habe man die NFT‑Eier auch ausbrüten können. Und tot sei das Projekt keinesfalls, beteuert der Influencer: 2023, vielleicht aber erst 2024 solle das Projekt endgültig an den Start gehen, verspricht Paul mit einer Bildtafel am Ende des Statementvideos.

Fans kehren Influencer den Rücken

Von investigativem Journalismus Findeisens scheint Paul derweil nicht viel zu halten – und geht auf Konfrontation. Den Journalisten wolle er wegen seiner Anschuldigungen vor Gericht bringen, droht Paul mehrfach. Die Videoreihe lobt der Influencer zwar – die Rückschlüsse, die Findeisen gezogen habe, seien aber falsch. Er sei kein Betrüger, er habe mit „Cryptozoo“ nie Geld verdient und seinen Krypto-Token nie verkauft, beteuert der Youtuber. Tatsächlich bestätigen das auch die Recherchen von Findeisen.

Fans des Youtubers überzeugt all das nicht sonderlich – schon gar nicht diejenigen, die mit „Cryptozoo“ Geld verloren haben. In den Kommentarspalten unter den Videos finden sich schon nach wenigen Stunden mehrere Zehntausend Wortmeldungen, zum großen Teil enttäuscht oder spöttisch. Es scheint, als würden sich nun auch die letzten treuen Fans des Youtubers gegen ihn wenden.

„Schade, dass er seine Fehler nicht einmal zugibt“, schreibt einer. „Mein Lieblingsteil war, als er sich bei allen echten Opfern entschuldigte“, schreibt ein anderer sarkastisch – von Entschuldigungen ist in Pauls Video nämlich nichts zu hören. „Hier sieht man einen Masterclass, wie man für nichts die Verantwortung übernimmt“, spottet jemand.

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Auch Kliemann handelte mit NFTs

Der Skandal um „Cryptozoo“ ist der vorläufige Tiefpunkt einer ganzen Reihe zwielichtiger Influencer-Projekte, die auf Kryptoprojekten und NFTs basieren. Mit Aufkommen des Hypes hatten auch zahlreiche deutsche Akteure das schnelle Geld gewittert und eigene NFT‑Projekte an den Start gebracht – die zum Teil in hand­festen Skandalen endeten.

Der Unternehmer und Musiker Fynn Kliemann, bundesweit bekannt gewordenen durch einen von Jan Böhmermann aufgedeckten Maskenskandal, hatte 99 kurze Musikstücke als digitale Kunstwerke verkauft, dabei jedoch offenbar die Regeln nicht ganz eingehalten. Wie das ARD-Magazin „Kontraste“ im Sommer berichtete, seien auch Gebote über das Aktionsende von 20 Uhr hinaus angenommen worden, was den Umsatz um 68.000 Euro erhöht habe.

Der Streamer Montana Black bewarb Projekte, bei denen man vermeintlich NFTs gewinnen konnte. Diese jedoch entpuppten sich später als Betrug. Der Influencer entschuldigte sich in einem Livestream. Er wolle erst mal die Finger von „NFT‑Giveaways lassen, da man sich nicht wirklich sicher sein kann, was Scam ist oder nicht“.

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Der Kryptohype ist vorbei

Etwas weniger skandalträchtig waren die Projekte anderer deutsche Influencer. Mitunter sprangen Julien Bam, Unge, der Rapper Kool Savas sowie die Fußballer Mario Götze, Toni Kroos und Mesut Özil auf den NFT‑Hype auf. Der Rapper Cro versteigerte eine virtuelle Version seiner Maske für umgerechnet 26.000 Euro.

Mittlerweile ist der Kryptomarkt am Boden. Neben den massiven Ausverkäufen von Cyberdevisen wie Bitcoin oder Ether waren auch die Preise für NFTs zuletzt eingebrochen. Und auch die meisten Projekte der Influencer liegen längst auf Eis.

Manche einfach nur, weil sich niemand mehr für sie interessiert. Andere Projekte, die das schnelle Geld versprachen, dürften hingegen noch ein juristisches Nachspiel haben.

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