Vor 50 Jahren verlor er seinen Bruder im Himalaya: Reinhold Messner über den schlimmsten Tag seines Lebens
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Vor 50 Jahren, am 27. Juni 1970, erklimmen Reinhold Messner und sein Bruder Günther den Gipfel des Nanga Parbat.
© Quelle: dpa
Es ist ein trauriger Jahrestag, der an viele schmerzhafte Erinnerungen gebunden ist: Vor 50 Jahren, am 27. Juni 1970, erklimmen Reinhold Messner und sein Bruder Günther den Gipfel des Nanga Parbat. Reinhold Messner war damals 25 Jahre alt, sein Bruder ein Jahr jünger. Es sollte der letzte gemeinsame Trip der beiden gewesen sein – denn nur Reinhold Messner schaffte damals den Weg zurück.
Anlässlich dieses traurigen Jubiläums sprach der Extrembergsteiger mit der “Bild” über den schlimmsten Tag seines Lebens. An diesem Tag sollte er seinen jüngeren Bruder auf dem Gipfel des Nanga Parbat verlieren. Eigentlich wollte Messner den Gipfel des Berges im Westhimalaya alleine besteigen, machte sich nachts auf den Weg zur alles entscheidenden Etappe. Doch sein Bruder Günther folgte ihm, ohne ausreichend Proviant im Gepäck, dafür mit zu kräftezehrendem Tempo.
Günther Messner holte seinen Bruder ein, es herrschten minus 30 Grad. Nach dem Aufstieg war den beiden erfahrenen Bergsteigern jedoch klar: Beiden würde der Abstieg nicht gelingen. Im Gespräch mit der “Bild” erzählt Messner: “Es gab nur eine Möglichkeit: Wir mussten über die völlig unbekannte Diamir-Seite runter, sonst würden wir beide sterben.”
Messner verlor sieben seiner Zehen
Reinhold Messner ging voraus, um die Strecke auszukundschaften, bis er bemerkte, dass sein jüngerer Bruder ihm nicht folgte. Er ging zurück, doch er konnte seinen Bruder nicht finden: “Günther war nicht da. Gar nichts mehr da. Keine Spur, keine Ausrüstung, kein Bruder. Nur Eisbrocken und Schnee. Da war mir klar: Eine Lawine hat ihn erwischt. Ich habe einen Tag und eine Nacht wie ein weidwundes Tier nach ihm gesucht, gebrüllt. Ich bekam keine Antwort. Es war der schlimmste Tag meines Lebens.”
Verzweifelt sucht Reinhold Messner nach seinem Bruder, verbringt eine weitere Nacht in der Kälte, ehe er irgendwann vollkommen entkräftet den Weg zurück ins Tal schafft. Sieben seiner Zehen verlor der heute 75-Jährige damals infolge der Unterkühlung.
Vorwürfe wurden laut, der Bergsteiger habe seinen Bruder im Stich gelassen und lange konnte Reinhold Messner keinen Frieden finden. Erst 2005 wurde der Leichnam Günther Messners gefunden. Auch 50 Jahre nach dem tragischen Ereignis leidet Reinhold Messner noch unter dem Geschehenen. Das Interview schließt er mit folgenden Worten ab: “Für mich ist der Günther nie wirklich gestorben. Ich bin der festen Meinung, dass ein Mensch erst dann tot ist, wenn niemand mehr an ihn denkt.”
RND/liz