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„Ukraine braucht große Raketenallianz“

Nach Storm-Shadow-Erfolg: Deutsche Marschflugkörper für Kiew?

Storm Shadow an einem Tornado (Symbolbild).

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Die britischen Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow entpuppen sich in der Ukraine als eine Superwaffe. Mehrere Präzisionsschläge haben die ukrainischen Streitkräfte bereits mit den Langstreckenraketen verübt und Ziele in von Russland besetzten Gebieten getroffen – weit hinter der Frontlinie. Mit einer Reichweite von bis zu 400 Kilometern können sie russische Versorgungslinien, Munition- und Treibstofflager, Kommandostationen und Radaranlagen treffen, die Russland zum Schutz vor Himars-Angriffen erst vor einigen Monaten weiter ins Hinterland verlegt hat. Nun gerät Russland erneut unter Druck.

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Fabian Hoffmann, Raketenexperte an der Universität von Oslo, bestätigt einen „relativ großen Erfolg“ der Ukraine mit den Storm Shadows. „Russland scheint momentan noch nicht in der Lage zu sein, diese Marschflugkörper abzufangen“, so der Experte im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Der Erfolg der Storm Shadows ist auf die besonderen Eigenschaften des Marschflugkörpers und die Defizite der russischen Flugabwehr zurückzuführen.“ Die Marschflugkörper seien auf dem Radar nur schwer zu erkennen und könnten beim Anflug geografische Hindernisse als Deckung nutzen.

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„Ukraine braucht eine große Raketenallianz“

Die Flugabwehr der Russen hat zudem Probleme mit kleineren Zielen, wie Marschflugkörper und Drohnen. Besonders tieffliegende Objekte können sie nur schwer abfangen. „Deshalb sind die Storm Shadows eine große Hilfe für die Ukraine“, so Hoffmann. Er macht aber deutlich, dass ein paar dieser Raketen noch keinen durchschlagenden Erfolg garantieren. Erst in großer Zahl könnten diese Waffensysteme den Krieg verändern. „Die Ukraine braucht eine große Raketenallianz, damit sie einen Vorteil auf dem Schlachtfeld erzielt“, sagt Hoffmann.

Ein paar Storm Shadows werden auf dem Schlachtfeld keinen Unterschied machen.

Fabian Hoffmann,

Experte für Verteidigungspolitik, Raketentechnologie und Nuklearstrategie an der Universität Oslo

Neben Storm-Shadow-Marschflugkörper hat Großbritannien dem ukrainischen Militär auch Langstreckenangriffsdrohnen geliefert. CDU-Verteidigungspolitiker und Oberst a.D. Roderich Kiesewetter sieht darin eine neue Strategie in der Unterstützung der Ukraine. „Die Partner der Ukraine müssen jetzt ‚all-in‘ gehen und der Ukraine alles liefern, was die Ukraine im Gefecht der verbundenen Waffen einsetzen kann und völkerrechtlich zulässig ist“, fordert Kieseweter gegenüber dem RND. „Taurus-Marschflugkörper mit einer Reichweite von bis zu 400 bis 500 Kilometern wären hierbei ein sehr hilfreicher Beitrag aus Deutschland.“ Man sollte alles liefern, was die NATO auch selbst verwenden würde. „Es darf hier keine roten Linien mehr geben.“

Taurus: 150 einsatzbereite Marschflugkörper

Die Taurus-Raketen sind das deutsche Pendant zu den britischen Storm Shadows, die Unterschiede laut Experte Hoffmann sehr gering. Beide seien sehr flexibel einsetzbar, die Reichweite der Taurus sogar etwas größer. Deutschland hat laut Kiesewetter zwar eine geringe Anzahl dieser hochpräzisen Lenkwaffen, aber sie würden der Ukraine massiv einen qualitativen Mehrwert bringen und Schläge gegen die militärische Infrastruktur der Russen weit hinter der Frontlinie ermöglichen. „Vor 10 Jahren wurden für die Bundeswehr rund 600 dieser Marschflugkörper beschafft, davon sind allerdings nur noch um die 150 einsatzbereit“, sagt der CDU-Politiker. Diese Lenkwaffen seien jedoch wesentlich sinnvoller in der Ukraine eingesetzt – als dass sie in Deutschland lagern.

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Vor 10 Jahren wurden für die Bundeswehr rund 600 dieser Marschflugkörper beschafft, davon sind allerdings nur noch um die 150 einsatzbereit.

Roderich Kiesewetter,

CDU-Verteidigungspolitiker und Oberst a.D.

Experte Hoffmann geht davon aus, dass der deutsche Rüstungshersteller MBDA die Produktion der Taurus wieder hochfahren kann, wenn die Bundesregierung eine Lieferung an die Ukraine beschließen sollte. Zuletzt hatte der Konzern 2018 Taurus an Südkorea geliefert. Erst vor wenigen Tagen hatte MBDA angekündigt, die Produktion von Patriot-Lenkflugkörpern erheblich auszuweiten. Wie schnell mit der Nachproduktion von Taurus begonnen werden kann, wollte ein Unternehmenssprecher auf RND-Nachfrage nicht beantworten. Experte Hoffmann glaubt, dass MBDA mit der entsprechenden Eile und einem Auftrag in der Lage sei, einen Teil der momentan nicht einsatzfähigen Taurus-Marschflugkörper schnell wieder auf Vordermann zu bringen.

Vor dem Einsatz müssen die Kampfjets der Ukraine allerdings noch modifiziert werden. Denn mit westlichen Waffensystemen sind die sowjetischen Flieger in der Regel nicht kompatibel. Bei den britischen Storm Shadows hatte dies etwa drei Monate gedauert. „Wenn die Storm Shadows in ein sowjetisches Kampfflugzeug integriert werden können, dann ist das im Prinzip auch für Taurus kein Problem“, sagt Hoffmann dem RND. Der Osloer Experte rechnet damit, dass die Ukraine und ihre westlichen Partner mit all ihrer Erfahrung die Taurus-Marschflugkörper in ein bis zwei Monaten einsatzbereit haben könnten.

Für eine ukrainische Raketenallianz könnten neben Taurus aus Deutschland auch Frankreich und Italien weitere Storm Shadows liefern. Hoffmann hält das für einen notwendigen Schritt: „Wir haben gesehen, wie wichtig Abstandspräzisionswaffen im modernen Krieg sind“, erklärt er. „Das sind Fähigkeiten, auf die kann die Ukraine mittelfristig nicht verzichten.“

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Pistorius zurückhaltend zu möglicher Taurus-Lieferung

Verteidigungsminister Boris Pistorius äußerte sich am Dienstag zurückhaltend zum Vorschlag einer Lieferung der Taurus an die Ukraine. Er wolle nicht auf jedes Waffensystem eingehen und auf eine hypothetische Frage eine hypothetische Antwort geben, sagte der SPD-Politiker am Dienstag am Rande des EU-Verteidigungsministertreffens in Brüssel. „Ich glaube, es hat sich bewährt, dass wir nicht permanent so vorgehen oder rote oder weiße Linien ziehen“, sagte Pistorius. Man solle die Ukraine maßgeblich unterstützen und verantwortlich damit umgehen. Gleichzeitig erklärte Pistorius, er sei „der Auffassung, dass wir die Ukraine mit allen völkerrechtlich zulässigen Systemen unterstützen sollten, die es braucht, um diesen Krieg zu gewinnen und die wir imstande sind, zu geben“.

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