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Bundeskanzler auf Ostafrikareise

Scholz in Kenia: Was macht das Land für Deutschland so interessant?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht auf William Ruto, Präsident von Kenia, nach der Pressekonferenz im State House zu. Kenia ist der wichtigste Wirtschaftspartner Deutschlands in Ostafrika.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht auf William Ruto, Präsident von Kenia, nach der Pressekonferenz im State House zu. Kenia ist der wichtigste Wirtschaftspartner Deutschlands in Ostafrika.

Nairobi. Mit vorauseilendem Lob ist Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitagmorgen zu seinem zweitägigen Besuch in der kenianischen Hauptstadt Nairobi angekommen: Wichtigster Partner in Ostafrika sei Kenia, habe eine lange demokratische Tradition und sei Vorreiter bei grüner Energie. Und mit etwas Eigenlob: Der SPD-Politiker betonte, dass Deutschland als erstes Land vor mehr als 60 Jahren Kenia nach der Unabhängigkeit anerkannt habe.

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Eine „gefestigte und funktionierende Demokratie“ nannte Scholz Kenia während des Besuchs von Staatspräsident William Ruto in Berlin Ende März. Auf das Wiedersehen mussten die beiden Staatschefs nur sechs Wochen warten. Am Freitagvormittag empfing Ruto den Kanzler in Nairobi. Der SPD-Politiker betonte die Rolles des Landes am Horn von Afrika als Stabilisator und „Konfliktmanager“ in der Region.

Bundeskanzler Scholz reist zum zweiten Mal in seiner Amtszeit nach Afrika
04.05.2023, Brandenburg, Schönefeld: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), steigt zu seiner Afrika-Reise ins Flugzeug. Bei der zweiten große Afrika-Reise des Kanzlers seit seinem Amtsantritt wird Äthiopien und Kenia besucht. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Mit der zweiten großen Reise nach Afrika will Kanzler Scholz in Äthiopien und Kenia zeigen, dass er den Nachbarkontinent nicht links liegen lässt.

Kenia – eine vorbildliche Demokratie?

Wenn Scholz über Kenia spricht, klingt es fast so, als reise der Kanzler in eine Vorzeigedemokratie. Ganz so ist es aber nicht: Die letzten Präsidentschaftswahlen im August 2022, als Ruto ins Amt kam, waren überschattet von gewaltsamen Unruhen, Protesten und Anfechtungen des Wahlergebnisses. Der amtierende Präsident gewann mit hauchdünnem Vorsprung. Das Wahlergebnis gilt als umstritten, Teile der Stimmenauszählung sind laut Mitgliedern der Wahlkommission „alles andere als transparent“ verlaufen.

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Bundeskanzler Olaf Scholz (links, SPD) neben William Ruto, Präsident von Kenia, in Nairobi.

Bundeskanzler Olaf Scholz (links, SPD) neben William Ruto, Präsident von Kenia, in Nairobi.

Ruto geriet zuletzt in die Kritik, nachdem er oppositionelle Proteste mit übermäßiger Härte niederschlagen ließ. Bereits 2007 wurde er wegen seiner Rolle bei Unruhen vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Der Prozess wurde eingestellt. Damals kamen nach einer von Betrugsvorwürfen überschatteten Wahl mehr als 1000 Menschen ums Leben, nachdem der langjährige Oppositionsführer Raila Odinga behauptet hatte, ihm sei der Wahlsieg gestohlen worden. Es war Odinga, gegen den Ruto 2022 die Präsidentschaftswahl gewann.

Probleme mit Korruption und brutalen Sicherheitsbehörden

Kritik kam von Scholz im Vorfeld der Afrikareise zum Verbot von Homosexualität in Kenia. Der Kanzler machte deutlich, dass man mit der Gesetzgebung nicht einverstanden sei. Die Nichtregierungsorganisation „Freedom House“ vergibt an das Land derzeit einen Freiheitsscore von 52 von 100. Zwar gebe es regelmäßig Wahlen mit mehreren Parteien, allerdings seien Korruption und Brutalität seitens Sicherheitsbehörden ernsthafte Probleme.

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Für Scholz spielt Kenia auch mit Blick aus den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine eine bedeutsame Rolle. Das Land hat Putins Vorgehen von Anfang an deutlich verurteilt. Keine Selbstverständlichkeit: Nur etwa die Hälfte der 54 afrikanischen Staaten schlossen sich der UN-Resolution an, den Angriffskrieg zu verurteilen. Das Nachbarland Äthiopien nahm gar nicht erst an der Abstimmung teil.

Klare Kante gegen Russland

Weltweit gefeiert wurde wenige Tage vor Kriegsbeginn im Februar 2022 eine Rede des kenianischen UN-Botschafters. Martin Kimani verglich die eskalierende Situation in der Ostukraine mit den Entwicklungen im postkolonialen Afrika. Sein Argument: Wenn die afrikanischen Staaten ihren Frieden mit den damals von den Kolonialmächten teils willkürlich gezogenen Grenzen gefunden hätten, könne Russland das auch tun. Staatengründungen auf Grundlage ethnischer, rassischer oder religiöser Homogenität sorgten dagegen für blutige Kriege.

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Seit vergangenem Jahr sind Deutschland und Kenia Klima- und Entwicklungspartner. Erneuerbare Energien, Wasserstoff und Dürreresilienz in der Landwirtschaft sind laut Kanzleramt die wichtigsten Themen der Zusammenarbeit. Besonders interessant dürfte für Scholz daher der Besuch der größten Geothermieanlage Afrikas sein, die in Kenia steht. Die Erdwärmetechnologie sei „die perfekte Ergänzung zur Windenergie“, konstatierte der Kanzler kürzlich während der Eröffnung eines ebensolchen Kraftwerks in Mecklenburg-Vorpommern. Auch in der Wind- und Solarenergie sieht Scholz „enorme Potenziale“ auf dem afrikanischen Kontinent.

Kenia: Ausbau der Erneuerbaren im Eiltempo

Dass Kenia 90 Prozent seines Energiebedarfs mithilfe von erneuerbaren Energien deckt, wird gern hervorgehoben. Allerdings: Der Bedarf ist nur ein Bruchteil von dem, was Deutschland an Strom benötigt. Rund ein Viertel der kenianischen Haushalte sind bisher nicht ans Stromnetz angeschlossen, und Industrie gibt es nur wenig.

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Das ostafrikanische Land hat neben dem größten Geothermiekraftwerk seit 2018 auch die größte Windfarm des Kontinents, in der Region Turkana. Präsident Ruto will den Ausbau der Erneuerbaren weiter vorantreiben. Davon haben nicht alle Kenianer etwas. Menschenrechtler warnen: Beim grünen Energieausbau im Eiltempo habe die lokale Bevölkerung zu wenig Mitspracherecht, werde im schlimmsten Fall einfach vertrieben und enteignet. Trotz einer erfolgreichen Klage gegen den Windpark in Turkana ist die Anlage weiter in Betrieb. In dem Gebiet lebende Nomaden fühlen sich hintergangen: Weder erhalten sie für die Windräder auf ihrem Land Geld, noch sind sie ans Stromnetz angeschlossen, wie die „Deutsche Welle“ berichtet.

Machtkampf um den Einfluss in Afrika

Eine Wirtschaftsdelegation begleitet den Kanzler nach Ostafrika, dem wichtigsten Wirtschaftspartner für Deutschland in der Region. Es gebe in Kenia gute Möglichkeiten für wirtschaftliche Kooperationen, sagte Scholz, auch mit Blick auf den Energiebereich. Das Land ist für die deutsche und europäische Wirtschaft ein möglicher Anker auf dem Kontinent. Denn in Afrika gibt es seit Längerem einen Machtkampf zwischen Russland, China und den USA um Einfluss, in dem immer wieder vom abgehängten Europa die Rede ist.

Scholz will stärkere Nutzung von Geothermie in Deutschland

Dies sagte der Bundeskanzler beim Besuch der größten Erdwärme-Anlage Afrikas in Kenia.

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Für viele afrikanische Länder sind die Chinesen beliebte Partner und Geldgeber: Sie seien schneller bei Entscheidungen und mischten sich weniger in die inneren Angelegenheiten ein, wie eine Umfrage der Friedrich-Naumann-Stiftung unter mehr als 1600 afrikanischen Entscheidungsträgern ergab. Während Partner wie die EU sich in Kenia vor allem auf Projekte zur humanitären Hilfe und Demokratisierung fokussierten, gehe es bei der Beziehung mit China vor allem um Zusammenarbeit im Bereich Wirtschaft und Infrastruktur, wie die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung in einem Bericht schreibt. China hat demnach diverse „Megaprojekte“ in Kenia angeschoben, darunter Autobahnen, Schienenstrecken und Häfen.

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