Reorganisation der Querdenker

Verfassungsschützer warnt vor „deutschem Wutwinter“

Berlin im November 2020: Teilnehmer stehen auf der Querdenken-Demo gegen die Corona-Einschränkungen

Berlin im November 2020: Teilnehmer stehen auf der Querdenken-Demo gegen die Corona-Einschränkungen

Potsdam/Berlin. Der Extremismusforscher Andreas Zick rechnet im Herbst mit erneuten Demonstrationen der „Querdenker“-Szene. Die Szene sei nie weg gewesen, sie organisiere sich lediglich neu, sagte Zick dem Evangelischen Pressedienst in Bielefeld. Anlässe für neue Protestaktionen könnten erneute Coronamaßnahmen und harte Energiesparmaßnahmen sein. „Nach der Hochphase in den Lockdowns erfolgt aktuell eine Reorganisation, die sich im Herbst bemerkbar machen wird“, warnte der Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld.

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Die Ideologie der „Querdenker“-Szene, wie ein vermeintlicher Entzug von Grundrechten und einer Politik als nicht legitime Vertretung, werde mit Maßnahmen zum Infektionsschutz und zum Energiesparen verknüpft, erläuterte der Wissenschaftler. Auch die Feindbilder seien teilweise noch da und würden nun langsam ersetzt: „Merkel, Lauterbach und Drosten“ funktionierten nicht mehr. Sie würden etwa durch Habeck und andere Politiker ersetzt, die als Feindbilder genutzt würden. Potenzielle Angriffsziele seien „alle, die lokal oder im Land ‚Eliten‘ darstellen“.

„Normalität des Radikalen“ die eigentliche Herausforderung

Unter dem Dach der „Querdenker“ hätten sich neue extremistische Allianzen gebildet, die gemeinsam handelten, warnte der Wissenschaftler. „Die neuen nationalistisch orientierten Gruppen sehen sich als Opfer, aber gehen ihrem Alltag in der Gesellschaft nach“, erläuterte Zick. Die „Normalität des Radikalen“ sei die eigentliche Herausforderung. Das gelte ebenso für den Alltagshass, der sich weniger in besonders aufsehenerregenden Hasstaten als vielmehr in ideologisch motivierten Alltagsaggressionen zeige. Auch politisch motivierte Straftaten aus der Anti-Corona-Szene würden zunehmen.

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Auch Brandenburgs oberster Verfassungsschützer, Jörg Müller, warnt davor, dass Extremisten die Energiekrise und die hohe Inflation für ihre Zwecke ausschlachten könnten. „Extremisten träumen von einem deutschen Wutwinter“, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Sie hoffen, dass Energiekrise und Preissteigerungen die Menschen besonders hart treffen, um die Stimmung aufzugreifen und Werbung für ihre staatsfeindlichen Bestrebungen zu machen. Wir verfolgen dieses Treiben mit wachsamen Augen und offenen Ohren.“ Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) befürchtet, dass Demokratiefeinde Angst und Verunsicherung schüren wollen.

„Einflussreiche Minderheiten“

Die sogenannte Verrohung der Gesellschaft sei laut Extremismusforscher Zick jedoch kein Problem der Mehrheit der Gesellschaft. Die Mehrheit sei nicht gespalten oder polarisiert. „Es geht um einflussreiche Minderheiten, die gesellschaftlichen Druck, Gewalt und Aggressionen ausüben“, erklärte Zick. Es sei immer noch nicht angekommen, dass Konflikte in einem aufgeheizten gesellschaftlichen Klima immer weniger reguliert werden könnten. „Wir müssen präventiver denken und aufziehende gesellschaftliche Konflikte, die radikalisierbar sind, identifizieren und ernst nehmen“, mahnte der Extremismusforscher.

Bundesinnenministerin Faeser sagte der „Welt am Sonntag“: „Demokratiefeinde warten nur darauf, Krisen zu missbrauchen, um Untergangsfantasien, Angst und Verunsicherung zu verbreiten.“ Derzeit suchten solche Kreise nach neuen Themen mit Mobilisierungspotenzial. Angesichts wachsender Krisenstimmung infolge von Corona, Krieg und Energiepreisen ist auch der Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, besorgt um die innere Sicherheit. Es sei realistisch, dass die Demonstrationen der Querdenker-Szene von 2020 und 2021 „ein Kindergeburtstag waren im Vergleich zum kommenden Herbst und Winter“, hatte er im Juli dem „Handelsblatt“ gesagt.

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RND/epd/dpa

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