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Nach Abbas-Eklat

Regierungssprecher unter Druck: Kann man Olaf Scholz gut „verkaufen“?

Kanzler Olaf Scholz (SPD), gefolgt von seinem Sprecher Steffen Hebestreit, vor dem Abflug in die norwegische Hauptstadt Oslo.

Kanzler Olaf Scholz (SPD), gefolgt von seinem Sprecher Steffen Hebestreit, vor dem Abflug in die norwegische Hauptstadt Oslo.

Berlin. Steffen Hebestreit sprach am Mittwoch von sich in der dritten Person. Der Zwei-Meter-Mann beklagte in der Bundespressekonferenz eine „schlechte Performance des Regierungssprechers“. Und der Regierungssprecher ist kein Geringerer als er selbst.

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Am Abend zuvor hatte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Kanzleramt den Holocaust relativiert. Kanzler Olaf Scholz stand daneben, sagte aber nichts – obwohl er nach allgemeiner Einschätzung etwas hätte sagen müssen. Bald begannen Reparaturen in Gestalt nachgeschobener Erklärungen. Hebestreit nahm die Angelegenheit auf seine Kappe: Die Mikrofone seien bereits ausgeschaltet und er „nicht schnell und aufmerksam genug“ gewesen, um den Kanzler doch noch zu Wort kommen zu lassen.

Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zog daraufhin die Eignung des 50-Jährigen in Zweifel. Und manche Medien versahen ihre Texte über den Vorfall mit Fotos, die ihn in einem nicht besonders günstigen Licht erscheinen lassen. Angesichts sich häufender kommunikativer Pannen stellt sich nun die Frage: Liegt‘s am Chef oder seinem Angestellten, dass es nicht läuft? Die meisten Insider sagen: Es liegt am Chef.

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Hebestreit war bis 2014 Parlamentskorrespondent bei der DuMont-Redaktionsgemeinschaft. Von dort wechselte er als Sprecher zur damaligen SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi und 2015 auf den Posten des Leiters der Hamburger Landesvertretung in Berlin. Erster Bürgermeister in der Hansestadt war damals ein gewisser Olaf Scholz, dem er 2018 zunächst ins Finanzministerium und später als Regierungssprecher folgte. Hebestreit ist schnell im Kopf, kenntnisreich und rhetorisch versiert. Allerdings eilt ihm auch der Ruf voraus, ähnlich wie Scholz so viel Selbstbewusstsein zu besitzen, dass er 90 Prozent davon abgeben könnte und immer noch genug hätte.

In Treue fest

Unterdessen besteht an Hebestreits Loyalität kein Zweifel. Er stellt sich buchstäblich vor seinen Vorgesetzten – so etwa bei einem Fernsehinterview, bei dem ein Redakteur unliebsame Fragen zum Cum-ex-Skandal anbringen wollte. Da drehte sich der Sprecher vor die Kamera und vollendete den Seitenwechsel. Dies dürfte ihm genutzt haben. Scholz ist bekannt dafür, dass er Treue honoriert. So machte der Kanzler seinen langjährigen Vertrauten Wolfgang Schmidt zum Chef der Regierungszentrale. Seine gescheiterte Mitkandidatin für das Amt der SPD-Vorsitzenden, Klara Geywitz, bekam im Dezember ein Bauministerium, das es in dieser Form bis dahin gar nicht gegeben hatte.

Dies wiederum ändert an den kommunikativen Zwischenfällen im Wochenrhythmus nichts. Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Bundestag sprach, verzichtete Scholz auf eine Erwiderung. Klimaaktivisten rückte er in die Nähe von Nazis. Eine polnische Journalistin, die nach etwaigen Sicherheitsgarantien für die Ukraine fragte, ließ er abperlen. Einem deutschen Medienvertreter, der Cum-ex thematisierte, drohte er indirekt mit der Justiz.

Als Scholz die Polin beim G7-Gipfel, also vor der versammelten Weltpresse, auflaufen ließ, da wollte Hebestreit ihn noch durch Gesten zu einer ausführlichen Antwort bewegen. Er sah das Unglück kommen. Doch statt sich darauf einzulassen, sagte der: „Das war‘s.“ Und grinste. Robert Habeck, grüner Vizekanzler und kommunikatives Naturtalent mit im Gegensatz zu Scholz Spitzenumfragewerten, würde das nie tun.

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Hebestreit sagte im Mai in einem Interview mit dem Magazin „Journalist“: „Der Bundeskanzler ist ein sehr erfahrener Politiker, der öffentlichen Druck gewohnt ist und sich nicht kirre machen lässt.“ Er sagte jedoch ebenfalls: „Wenn man versuchen würde, aus dem Kanzler kommunikativ einen Barack Obama zu machen, ginge das definitiv nach hinten los.“ Schließlich formulierte his masters voice noch einen Satz, der rückblickend prophetisch klingt: „Grundsätzlich ist immer die Kommunikation schuld.“ Sprich: er. Dem schloss sich laut Manuskript ein Lachen an, das zwischen Spaß und Ernst stecken blieb.

„Ich bin sattelfest“

Scholz ist für Selbstkritik, wie Hebestreit sie am Mittwoch ungewöhnlich offen übte, nicht bekannt. Einer, der sich mit politischer Kommunikation auf Spitzenebene auskennt, aber nicht genannt werden möchte, sagt, der Kanzler mache seit Jahrzehnten erfolgreich Politik und habe das Gefühl: „Ich hab‘s im Griff und bin sattelfest.“ So jemand stelle sich nicht mehr infrage nach dem Motto: „Was kann ich besser machen?“ Dies gelte umso mehr, als Hebestreit deutlich jünger sei. Ob die Zeitungen motzten, das sei Scholz ohnehin „nicht wichtig“.

Hebestreit müsse das akzeptieren. Einerseits. Andererseits müsse er nicht fürchten, beim Regierungschef Rückhalt zu verlieren, wenn der öffentlich in einem schlechten Licht erscheine.

Ob das so weitergeht, ist ungewiss. Der Kanzler sei „in Interviews viel zu knapp“, sagt der Kommunikationsexperte. „Nur zu sagen, ich mache einen guten Job, ist zu wenig.“ Das dürfte in den kommenden Monaten erst recht gelten – wenn sich die Energiekrise und damit die politische Lage weiter zuspitzen. Dann käme es erst recht auf den Sprecher an.

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Scholz sei immerhin 64 Jahre alt, verlautet aus der Ampelkoalition. „Man kann ihn nicht mehr ändern.“

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