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Ministerpräsident Hans: Impfverweigerer werden Nachteile haben

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans spricht sich im RND-Interview für eine unkomplizierte Umstellung der Impfkampagne aus. Außerdem warnt er beim Thema Klimaschutz – vor dem Verlust von Wohlstand.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans spricht sich im RND-Interview für eine unkomplizierte Umstellung der Impfkampagne aus. Außerdem warnt er beim Thema Klimaschutz – vor dem Verlust von Wohlstand.

Berlin. Herr Hans, wegen eines Hochwasser­ereignisses müsse man seine Klimapolitik nicht ändern, sagt Ihr Kanzlerkandidat Armin Laschet. Hat er recht?

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Es ist längst entschieden, dass wir CO₂-neutral werden wollen in Deutschland. Das ist Konsens in der Union. Wir machen im Wahlprogramm sehr deutlich, dass wir die CO₂-Ziele früher erreichen wollen als die EU, nämlich im Jahr 2045. Wegen des Hochwassers ist also kein Kurswechsel angesagt. Aber die Unwetter, die schrecklichen Bilder und das Leid der Menschen sind ein Ausrufezeichen hinter der Aussage: Wir müssen so schnell wie möglich die Wende hinbekommen.

Bis 2045 sind es noch ein paar Jahre. Müssen Sie da noch mal nachschärfen?

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Es kommt nicht darauf an, Wahlprogramme nachzuschärfen, sondern darauf, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Bundesregierung hat bemerkenswerte Entscheidungen getroffen, vom Atomausstieg nach dem Weckruf von Fukushima über den Kohleausstieg bis zu den aktuellen CO₂-Zielen. Die Flut und die bislang unbekannte Zerstörungswucht hat gezeigt, dass es allerhöchste Eisenbahn ist, den Schalter umzulegen.

War das auch wieder so ein Fukushima-Moment?

Das kann man absolut nicht vergleichen. Bei Fukushima ist die Unzulänglichkeit einer Technologie durch eine Naturkatastrophe zutage getreten. Die Flut ist ein weiterer Fingerzeig dieses Planeten, dass wir handeln müssen und dass wir bisher nicht konsequent genug waren.

Müssen Sie bei den Grünen Abbitte leisten, deren Klimawandel­­warnungen die Union lange als überzogen bezeichnet hat?

Die Grünen haben einen erheblichen Anteil daran, dass die Notwendigkeit klimapolitischen Handelns anerkannt wird. Dafür gebührt ihnen Respekt. Aber Respekt und Anerkennung gebührt auch CDU-Politikern wie Klaus Töpfer, einem der ersten Bundesumweltminister. Auch er hat früh darauf hingewiesen, wie wichtig Klimapolitik ist. Anders als die Grünen sind wir keine Einthemenpartei, sondern eine Volkspartei, die die Interessen des Planeten und der Menschen unter einen Hut zu bringen versucht. Umweltkatastrophen dürfen nicht zur Deindustrialisierung Deutschlands oder Europas führen. Wir müssen gemeinsam mit der Industrie arbeiten, sonst verlieren wir den Wohlstand.

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CSU-Chef Söder will den Kohleausstieg von 2038 auf 2030 vorziehen.

Es war schon schwierig genug, in langwierigen Verhandlungen das Zieldatum 2038 zu vereinbaren. 2030 ist sehr ambitioniert. Wenn der Kohleausstieg früher gelingt als geplant, ist das gut. Aber ein neues Zieldatum hilft nicht viel.

Ist es vorstellbar, dass die zerstörten Ortschaften so aufgebaut werden, wie sie waren?

Wo es erhaltenswertes Kulturgut gab, sollte es wiederaufgebaut werden. Hinzubauten muss man darauf überprüfen, dass sie nicht sofort wieder dem nächsten Starkregenereignis zum Opfer fallen. Und natürlich muss man Siedlungen daraufhin überprüfen, ob sie in alter Form wiederaufgebaut werden können oder ob man ausweichen sollte. Das wird aber wegen der dichten Siedlungsstruktur nicht überall möglich sein. Man kann ja Menschen nicht einfach zig Kilometer entfernt neu anfangen lassen. Sie müssen ihr Leben in der Gegend wiederaufbauen können, in der sie heimisch sind.

Friedrich Merz, der gerne Wirtschaftsminister werden würde, sagt, dass die aktuellen Ereignisse mit dem Klimawandel wenig zu tun haben. Wie passt das zu Ihrer Position?

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Dieses Hochwasser hätte auch stattfinden können, wenn wir alle Forderungen der Grünen erfüllt hätten. Aber dennoch führt es uns vor Augen, dass wir bei der Klimapolitik nicht weiter abwarten dürfen. Wir müssen die Klimawende schaffen, nur dann bekommen wir auch den Wettbewerbsvorteil für unsere Industrie hin. Die Wirtschaft hat längst verstanden, dass es nur mit nachhaltiger Produktion weitergeht. Das muss auch der nächste Wirtschaftsminister so umsetzen.

Müssen die Abstandsregeln für Windkraftanlagen gelockert werden?

Das muss regional geprüft und geregelt werden, je nach der Dichte der Besiedlung und nach dem vorhandenen Wind. Der Eingriff in die Natur darf nicht größer sein als der CO₂-bezogene Nutzen. Klar ist, dass wir die Windkraft verstärkt ausbauen müssen. Dabei wird auch über Abstandsregelungen zu diskutieren sein. Sinnvoll ist es, dabei immer die Bürger mit einzubeziehen.

Vor dem Hochwasser gab es konkrete Warnungen. Cell-Broadcasting, also die flächendeckende Warnung durch Handy-Kurznachrichten, wie sie etwa in den Niederlanden praktiziert wird, ist nicht zum Einsatz gekommen. Die EU wirbt dafür seit 2018. Wie kann das sein?

Man darf nicht drum herumreden: Es ist ein Versäumnis, dass wir diese Möglichkeit nicht haben. Sie muss schnellstmöglich geschaffen werden. Es ist aber auch nicht klug, auf die gute alte Sirene zu verzichten, weil ja bei Naturkatastrophen auch Telefonnetze ausfallen können. Die Alarmierung der Bevölkerung muss auf allen Kanälen funktionieren – über Warn-Apps, SMS oder das Geheul der Sirenen.

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Die Überprüfung der Sirenen fiel 2020 negativ aus. Eigentlich sollte das System innerhalb eines Jahres wieder ans Laufen gebracht werden. Nun wurde dies auf 2022 verschoben. Reicht das?

Es ist nicht zu erklären, dass das so lange dauert. Es ist wichtig, die Sirenen in Betrieb zu haben. Wir können auf diese einfache Technik nicht verzichten. Funknetze sind in schwierigen Lagen nicht immer verlässlich. Eine Lehre aus den aktuellen schrecklichen Ereignissen ist, dass diese Warnstrukturen funktionieren müssen. Das muss in Deutschland in einem Jahr zu schaffen sein.

Die Pandemie ist hinter den Bildern von der Hochwasserkatastrophe zurückgetreten. Wie lässt sich nun der Impfzurückhaltung bei einem Teil der Bevölkerung begegnen? Mit einer Impfpflicht?

Mit einer Impfpflicht kommen wir nicht weiter. Wir müssen die Impfkampagne jetzt umstellen: Es muss Impfmöglichkeiten an ungewöhnlichen Orten geben, etwa in Freizeiteinrichtungen und an Schulen, um dort Eltern, die noch nicht geimpft sind, ein niedrigschwelliges Angebot zu machen. Kinder und Jugendliche haben in der Pandemie sehr zurückstecken müssen, um Ältere zu schützen.

Jetzt muss umgekehrt eine Impfschutzmauer aufgebaut werden, damit Kinder und Jugendliche nicht infiziert werden. Das ist eine Frage staatsbürgerlicher Verantwortung und des sozialen Gewissens. Mit Impfen zeigt man Solidarität, mit Impfverweigerung zeigt man Egoismus. Wenn wir wollen, dass Schulen nicht wieder geschlossen werden, sollten sich alle über 18 Jahre impfen lassen. Die Menschen müssen die Impfung als Schutz für die gesamte Gesellschaft begreifen.

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Sollte man mit Anreizen arbeiten?

Es spricht nichts gegen Restaurant- oder Konzertgutscheine oder eine Verlosung eines Wochenendes im Hotel. Darüber müssen wir uns vor der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz im August noch mal Gedanken machen. Der größte Anreiz fürs Impfen bleibt aber natürlich der Schutz vor Krankheit. Von vollständig Geimpften geht aber auch eine wesentlich geringere Ansteckungsgefahr aus als von Nichtgeimpften. Man kann daher von ihnen auf Dauer nicht die gleichen Einschränkungen erwarten.

Deshalb wird auch der Punkt kommen, an dem die Mehrheit der geimpften Menschen nicht mehr bereit sein wird, auf Freiheiten zu verzichten, nur weil es ein paar Impfverweigerer gibt. Dann wird es so sein, dass Impfverweigerer mehr Einschränkungen haben: Sie müssen zum Beispiel für Schnelltests zahlen oder können nicht an jeder Veranstaltung teilnehmen. Es kann nicht sein, dass sich für Geimpfte nichts ändert, nur weil die Gesellschaft dauerhaft Rücksicht auf die Verweigerer nehmen muss.

Wenn es nicht zu der angestrebten Herdenimmunität von 85 bis 90 Prozent kommt, was passiert dann?

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Schon jetzt stehen wir am Fuß einer weiteren Viruswelle. Es besteht auch die Gefahr, dass neue Virusvarianten entstehen, wenn es keine ausreichende Herdenimmunität gibt. Das würde den Impfschutz gefährden. Jedem muss klar sein: Wir kommen umso schneller durch die Pandemie, je schneller sich alle impfen lassen.

Ist die Sieben-Tage-Inzidenz weiterhin das richtige Kriterium?

Die Sieben-Tage-Inzidenz bleibt wichtig für die Analyse des Infektionsgeschehens. Aber sie darf nicht mehr alleinige Grundlage für freiheitseinschränkende Maßnahmen sein. Unser Ziel war immer, die Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden. Deswegen ist letztlich die Belegung der Krankenhäuser der entscheidende Maßstab und nicht die Inzidenz.

Krisenzeiten sind eigentlich Regierungszeiten. Dennoch verliert die Union nach der Hochwasser­katastrophe an Zustimmung. Wie erklären Sie sich das?

Umfragen sind keine Stimmen. Die Union genießt weiter das stärkste Vertrauen in Deutschland, weil wir die verschiedenen Krisen der vergangenen Jahre gut gemanagt haben. Sicher gibt es aber eine gewisse Unsicherheit in der Bevölkerung: Mit den Bildern der Kanzlerin aus den vergangenen Tagen rückt stärker ins Bewusstsein, dass Angela Merkel nicht mehr antritt. Es war immer klar, dass sich das auswirken wird, wenn die Menschen das realisieren. Es wird Aufgabe der CDU sein, im Wahlkampf deutlich zu machen, dass wir Kontinuität verkörpern – und mit einem neuen Kanzler dennoch die nötigen Kursänderungen verbunden sind.

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