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RKI-Chef gibt sein Amt auf

Der Mann an der Seite des Gesundheitsministers

Lothar Wieler (links), Chef des Robert Koch-Instituts, und Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister.

Lothar Wieler (links), Chef des Robert Koch-Instituts, und Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister.

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Er war der Mann an der Seite des Gesundheitsministers: Lothar Wieler – Leiter des Robert-Koch-Instituts, Tierarzt und Mikrobiologe. Der konservative Katholik aus dem Rheinland ist in der Corona-Pandemie in den Fokus der Öffentlichkeit geraten wie noch nie ein RKI-Chef vor ihm. Nun hat er überraschend seinen Rücktritt erklärt.

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Seit 2015 leitete Wieler das Institut, das insbesondere für den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen ansteckenden Krankheiten zuständig ist, weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Sein Haus war auf diese Pandemie nicht vorbereitet. Es ist ihm mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aber gelungen dazu beizutragen, dass Deutschland vergleichsweise gut durch die schwierige Zeit gekommen ist.

Da gab es schon andere Behördenleiter, die durch eine große Krise schnell von ihrem Chefsessel gefegt wurden – zum Beispiel der früher Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, der mit Flüchtlingslage 2015 komplett überfordert war. Da legte Wieler deutlich mehr Professionalität und Stehvermögen an den Tag. Er hielt Kritik und Druck stand und schaffte es, trotz der miesen Digitalisierung des Gesundheitswesens doch, wöchentlich einen Überblick über die Corona-Ausbrüche im Land zu geben.

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Wieler gehörte schon von Berufs wegen in der Pandemie zum Team Vorsicht, nachdem er von ersten Ausbrüchen des Virus im chinesischen Wuhan im Dezember 2019 bis zu den ersten Schutzmaßnahmenempfehlungen im März 2020 wie so viele Experten einen längeren Bremsweg hingelegt hatte. Mit dem früheren Gesundheitsminister Jens Spahn und der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) harmonierte er gut. Woche um Woche saß er neben Spahn in der Bundespressekonferenz und erklärte geduldig immer wieder, warum Deutschland so viele Vorsichtsmaßnahmen braucht, während andere Länder schon längst lockerten.

Im November 2021 äußerte er einmal ermattet: „Ich bin schon lange ein Papagei.“ Man spürte seinen Unwillen, dass er sich immer wieder den Mund fusselig reden muss, während mit dem Einzug der Liberalen in die Bundesregierung die Corona-Politik auf einen neuen Kurs zu schwenken schien.

Differenzen mit Lauterbach

Nun galt der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auch lange als oberste Kassandra in Sachen Corona, was eigentlich eine gute Zusammenarbeit erwarten ließ. Aber es zeigten sich Differenzen, auch weil sich Lauterbach Koalitionszwängen beugen musste. Mit Wieler kam es mehr als einmal zu öffentlichen Auseinandersetzungen über den richtigen Kurs.

Im Dezember 2021 platzte ein Papier des RKI mit weitreichenden Forderungen für mehr Corona-Maßnahmen ausgerechnet in eine Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz. Lauterbach stand düpiert da, entschied sich aber, den Streit beizulegen und an Wieler festzuhalten. Anfang 2022 wurde Lauterbach wiederum kalt erwischt, als das RKI die Fristen für den Genesenenstatus ohne Ansage einfach von sechs auf drei Monate senkte. Lauterbach war so unter Druck, dass er der Behörde die Zuständigkeit in dieser Frage entziehen musste.

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In dieser Zeit ist immer wieder über eine Absetzung von Wieler spekuliert worden – wahlweise, dass der Veterinärmediziner selbst das Handtuch werfen könnte. Wieler blieb aber – bis Mittwoch. In Koalitionskreisen hieß es, zuletzt sei aufgefallen, dass sowohl Lauterbach als auch Wieler zumindest in kleinem Kreis zunehmend schlecht übereinander gesprochen hätten. Lauterbach habe bei internen Gesprächen immer wieder kritisiert, dass im RKI keine Spitzenforschung betrieben werde. Wieler habe durchblicken lassen, dass er Lauterbach für einen Besserwisser halte und keine Lust habe, sich ständig vom Minister in seine wissenschaftliche Arbeit hineinreden zu lassen. Darauf deutet auch ein Satz in der gemeinsamen Pressemitteilung des Gesundheitsministeriums und des RKI vom Mittwoch hin. Dort wird Wieler mit dem Satz zitiert: „Die Unabhängigkeit der Forschung muss auch zukünftig akzeptiert werden, denn sie ist unabdingbar, damit das RKI seine Aufgaben erfüllen kann.“

Lothar Wieler verlässt das Robert Koch-Institut

Lothar Wieler hört zum 1. April als Präsident des Robert Koch-Instituts auf. Das teilen RKI und Bundesgesundheitsministerium in einem gemeinsamen Statement mit.

In Regierungskreisen wird versichert, Lauterbach habe Wieler nicht zur Aufgabe gedrängt. Vielmehr sei der RKI-Chef auf den Minister mit dem Wunsch zugekommen, den Posten zu verlassen und eine neue Aufgabe in „Forschung und Lehre“ zu übernehmen. Den Angaben zufolge steht bereits fest, wohin Wieler wechselt. Es sei aber Vertraulichkeit vereinbart worden.

Die Lesart des Vorgangs in der Regierung: Wieler sei nach den anstrengenden Corona-Jahren erschöpft, wobei nun der Übergang zur endemischen Phase ein guter Anlass für den Abschied gewesen sei. Für die Version, nicht Lauterbach sei der Treiber des Geschehens, spricht die Tatsache, dass das Ministerium nicht umgehend einen Nachfolger präsentiert hat. Kommissarisch soll nun Vize Lars Schaade das RKI leiten.

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