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Anfangsverdacht der „kriminellen Vereinigung“

Wie geht es weiter mit der Letzten Generation?

Berliner Polizeikräfte versuchen, eine Aktivistin der „Letzten Generation“ von der Straße zu lösen.

Berliner Polizeikräfte versuchen, eine Aktivistin der „Letzten Generation“ von der Straße zu lösen.

Die Luft um die Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation wird dünner. Machte das Bündnis zunächst vor allem durch Straßenblockaden und Kartoffelbreiwürfe auf Kunstwerke Schlagzeilen, stehen mittlerweile deren juristische Folgen im öffentlichen Fokus.

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Dabei ging es anfangs primär um Geld- und Bewährungsstrafen. Es folgten erste Freiheitsstrafen ohne Bewährung. Mit der Bestätigung des Anfangsverdachts, es könne sich bei der Letzten Generation um eine kriminelle Vereinigung handeln, hat das Landgericht Potsdam nun jedoch eine neue Eskalationsstufe eingeleitet.

Denn: „Bei einer kriminellen Vereinigung ist bereits deren Unterstützung oder die Werbung von Mitgliedern strafbar“, sagt Rechtsanwalt Christian Rode, der Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins ist. Das gelte auch für Spenden.

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Letzte Generation geht von 12,5 Millionen Euro Geldstrafen aus – allein 2022

Und auf Spenden ist die Letzte Generation dringend angewiesen. Hatte es Anfang Mai noch kurz danach ausgesehen, als würde die Ökoworld AG, die ihr Geld vor allem durch ökologische Finanzprodukte verdient, die Geldstrafen der Aktivistinnen und Aktivisten übernehmen, zog deren Gründer und Vorstandsvorsitzender, Alfred Platow, eine entsprechende Ankündigung wenig später wieder zurück und begründete das mit öffentlichen Anfeindungen.

Dabei rechnet die Letzte Generation allein für 2022 mit Geldstrafen in Höhe von rund 12,5 Millionen Euro. Aus diesem Grund hat das Aktionsbündnis eine Spendenkampagne gestartet. Laut eigener Webseite sind so bislang rund eine Million Euro zusammengekommen.

dpatopbilder - PRODUKTION - 13.04.2023, Berlin: Eine Aktivistin der Klimagruppe "Letze Generation" hat vor der FDP-Bundesgeschäftsstelle ölartige Farbe im Gesicht nachdem die Parteizentrale mit dieser beschmiert wurde. Foto: Christoph Soeder/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Wie einig sind sich FFF und Letzte Generation?

Im Lager der Klimaretter brodelt es. Die Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation wollen erneut Berlin blockieren. Fridays for Future fürchtet um den Ruf der Bewegung. Auch die Wut der Pendlerinnen und Pendler wächst. Wie viel ziviler Ungehorsam nutzt wirklich der guten Sache?

Nach aktuellem Stand ist diese Form der Unterstützung juristisch unbedenklich. „Grundsätzlich ist es unproblematisch, wenn andere Menschen für verurteilte Straftäter eine Geldstrafe bezahlen“, sagt Rechtsanwalt Rode. „Etwas anderes ist es, wenn man eine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, auch bei zukünftigen Fällen für eine bestimmte Tätergruppierung alle Geldstrafen zu übernehmen. Das kann als Beihilfe oder als Anstiftung zur Begehung zukünftiger Straftaten gewertet werden.“

Eine kriminelle Vereinigung ist „auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet“

Da es bei den mutmaßlichen 12,5 Millionen Euro um Strafen aus dem Jahr 2022 geht, ist nicht davon auszugehen, dass Gerichte Spenden an die Letzte Generation derzeit als Anstiftung zu Straftaten werten würden. Gleichwohl hätte die Bezahlung der Geldstrafen durch die Ökoworld AG ein juristisches Nachspiel haben können, allerdings aus anderen Gründen: „Im Fall der Ökoworld AG kann die Zusage eine Untreue darstellen, weil der Vorstandsvorsitzende einer AG nur Gelder für die Zwecke einer AG ausgeben darf“, sagt Rode. „Zweck der Ökoworld AG ist es aber nicht, die Begehung von Straftaten zu unterstützen.“

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Letzte Generation: Gespräche mit Wissing seien „erster Schritt“

Eine Vertreterin der Gruppe sagte, es sei ein menschlich sehr gutes Gespräch gewesen. Die Proteste der Klimaaktivistinnen und -aktivisten sollen aber fortgesetzt werden.

Eine Einstufung als kriminelle Vereinigung würde die Situation jedoch auch für private Spenderinnen und Spender zuspitzen. „Das würde die Sache wirklich hochschleusen, weil dann Unterstützung und Mitgliedschaft allein schon für eine Verurteilung ausreichen würden“, sagt der Anwalt.

Voraussetzung für die Einstufung als kriminelle Vereinigung ist laut Paragraf 129 des Strafgesetzbuches, dass es sich bei einer Personengruppe um eine „auf längere Dauer ausgelegte“ Vereinigung handelt, deren Zweck „auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet ist“, die mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder mehr bestraft werden können. Zur Einordnung: Der bei Straßenblockaden herangezogene Straftatbestand der Nötigung kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden.

Die Letzte Generation bezeichnet den Beschluss des Potsdamer Landgerichts als „Kriminalisierung“

Allerdings sei Straftatbestand der kriminellen Vereinigung „restriktiv auszulegen“, heißt es auf Anfrage bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Es würden daher „nur solche Vereinigungen erfasst, die eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen“. Dieses Merkmal sei zwar nicht schriftlich festgehalten, es finde sich aber sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Gesetzesbegründung.

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Auf den Aspekt der erheblichen Gefahr beruft sich auch die Letzte Generation selbst und bezeichnet den Beschluss des Landgerichts Potsdam daher als „Kriminalisierung“: „Maßnahmen gegen die Klimakrise und für eine nachhaltige Politik – das sind keine Wünsche oder persönlichen Anliegen, sondern Grundrecht von uns allen“, kommentiert Sprecherin Carla Rochel laut einer Pressemitteilung.

Nichtsdestotrotz warnt Christian Rode vor einer weiteren Eskalation, „die möglicherweise die wichtige Frage nach der Bedeutung des Klimaschutzes überlagern würde“. Er wünsche sich „eine Mäßigung bei der Letzten Generation und ein verhältnismäßiges Vorgehen des Rechtsstaates“, sagt der Anwalt. „Andernfalls besteht die Gefahr einer Eskalationsspirale, die in umweltterroristische Untergrundstrukturen führen könnte.“ Auch die linksextremistische Terrorgruppe Rote-Armee-Fraktion (RAF) sei schließlich aus der sogenannten Außerparlamentarischen Opposition hervorgegangen, einer Protestbewegung Studierender und Jugendlicher Ende der 1960er-Jahre.

Und die RAF, so ließe sich hinzufügen, wurde in den 1970ern auf Basis ebenjenes Paragrafen 129 verfolgt, den nun das Landgericht Potsdam gegen die Letzte Generation in Stellung gebracht hat.

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