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Kommentar

Kosovo-Konflikt: eine gefährliche Mischung aus Zögerlichkeit und Zündeln

KFOR-Soldaten (vorne) und Kosovo-Polizisten bewachen ein städtisches Gebäude nach den gestrigen Zusammenstößen zwischen ethnischen Serben und Truppen der Nato-geführten KFOR-Friedenstruppe.

KFOR-Soldaten (vorne) und Kosovo-Polizisten bewachen ein städtisches Gebäude nach den gestrigen Zusammenstößen zwischen ethnischen Serben und Truppen der Nato-geführten KFOR-Friedenstruppe.

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Berlin. Diplomaten haben zuweilen den Hang zu bedächtigen Formulierungen. Das zeigt sich derzeit am Beispiel des Kosovo: „Die Lage ist aufgrund von politischen Zuspitzungen zwischen Kosovo und Serbien seit einiger Zeit angespannt“, heißt es in den Reisehinweisen auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes. Angespannt, nun ja: Am Montag eskalierte eine Demonstration im Norden des Landes so sehr, dass 30 Soldaten der Nato-geführten KFOR-Truppe verletzt wurden. Serbien versetzte seine Truppen an der Grenze in Alarmbereitschaft.

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Das muss über die Schusswunden, Verbrennungen und Knochenbrüche der internationalen Truppen hinaus bekümmern. Denn es geht um mehr als um den Streit zwischen serbischen und albanischen Kosovaren um Bürgermeisterämter, der die Demonstrationen auslöste. Der Konflikt um das Gemeindeamt im Örtchen Zvecan ist keine Lokalposse, sondern Ausdruck des immer noch ungelösten Konflikts zwischen Serbien und Kosovo.

Viele Möglichkeiten sind verbaut

Und an dem haben viele ihren Anteil: machtbewusste Politiker vor Ort, die Ressentiments geschickt befördern, um ihre eigenen Interessen zu bedienen. Eine uneinige EU, eine Staatengemeinschaft, die zwischen Zögerlichkeit und naiver Gutgläubigkeit schwankt. Und nicht zuletzt Russland, das sich eigene Einflusssphären sichern will und Unruhe in Europa etwas abgewinnen kann. Es ist eine Mischung, die verzweifeln lässt, weil sie so viele Möglichkeiten verbaut. Und weil sie leicht gefährlich werden kann.

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Dabei ist doch gerade ein Durchbruch beschworen worden. Wieder einmal. Seit Kosovo – bis dato serbische Provinz – sich im Jahr 2008 für unabhängig erklärte, gab es zur Lösung des Konflikts mit Serbien EU-Vorschläge, deutsch-französische Vorstöße, einen „Normalisierungsdialog“, einen EU-Sonderbeauftragten und Anfang des Jahres ein Grundlagenabkommen. Wieder und wieder wurde gute Nachbarschaft empfohlen und der Verzicht auf Gewalt im Konfliktfall. Es war der Versuch, das Gestrüpp aus Ressentiments, jahrhundertealten Gebietsstreitereien und zum Mythos verklärten Schlachten wenn nicht zu entwirren, dann doch dem Reiz des Miteinanders unterzuordnen. Allen Vorschlägen ist eines gemein: Um die Anerkennung des Kosovo durch Serbien mogelte man sich herum. Das kann eine clevere Methode sein, um überhaupt im Gespräch zu bleiben. Sicherheit schafft die Unklarheit allerdings nicht. Und mit dem Gewaltverzicht klappt es ja offenkundig auch nicht.

Serbiens autokratischer Präsident Alexander Vucic hält den Konflikt am Köcheln, statt selbstbewusst für eine Lösung einzutreten. Die Macht dazu hätte er zumindest bisher gehabt, aber offenbar nicht den Mut. Und nun bröckelt auch die Macht: Seit Wochen gibt es immer wieder große Demonstationen gegen Vucic – ausgerechnet unter dem Motto „Serbien gegen Gewalt“. Auch Kosovos Präsident Albin Kurti agiert nicht immer segensreich.

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Bundeswehrmandat verlängert, Nato verstärkt Truppen

Aber es drohen keine Konsequenzen: Die Aufnahme in die EU, die beide Länder beantragt haben, ist ohnehin nicht in Sicht. Dazu kommt das Gefühl der fehlenden Beachtung, der Nebenrolle im europäischen Konzert. Von einem Aufnahmestatus im Eiltempo, wie er der Ukraine vergangenes Jahr zugesprochen wurde, konnten die Westbalkan-Staaten nur träumen.

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Russlands Staatspräsident Wladimir Putin kann es nur recht sein, wenn die EU durch einen eskalierenden Konflikt an ihrer Südostflanke abgelenkt und möglicherweise entzweit wird. Gemeinsam mit China schlug er sich im Zvecan-Konflikt auf die Seite Serbiens.

Die Nato will nun ihre KFOR-Truppen im Kosovo erst einmal verstärken. Der Bundestag hat das Mandat für die Bundeswehr gerade verlängert. Aber eine Lösung ist damit noch lange nicht erreicht. Die Lage bleibt angespannt. Es würde helfen, wenn die Aufmerksamkeit bliebe, auch ohne verletzte Soldaten.

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