Ein neues Wahlrecht ist unausweichlich
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Es gibt zu viele Abgeordnete – schon lange wird über eine Wahlrechtsreform diskutiert.
© Quelle: Ralf Hirschberger/dpa
Der übergroße Bundestag ist seit Jahren ein Ärgernis, das von Bundestagswahl zu Bundestagswahl auch noch größer wird. Ein derart aufgeblähtes Parlament mit seinen vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Büros, den Fahrdiensten und natürlich den Abgeordneten selbst ist kostspielig für die Steuerzahlenden. Zudem büßt ein XXL-Bundestag auch an Effizienz ein. Es gibt also viele gute Gründe, die aktuelle Zahl von 736 Abgeordneten wieder auf das vorgesehene Maß von 598 zu bringen.
Für den Bundestag gilt, was der Volksmund über den Teich und die Frösche sagt, die man besser nicht fragen sollte, wenn der Tümpel trocken gelegt werden muss. Seit Jahren streiten die Fraktionen über die richtige Wahlrechtsänderung. Es gab eine Reihe von tauglichen Kompromissvorschlägen. Am Ende scheiterte die Reform an der CSU, die nicht bereit ist, auf Direktmandate zu verzichten und auch eine Verkleinerung der Wahlkreise ablehnt.
Ohne Reform sind bald über 1000 Abgeordnete möglich
Eine Reform des Wahlrechts ist unausweichlich. Durch die Veränderung der Parteienlandschaft mit immer mehr kleineren und mittleren Parteien, die in den unterschiedlichen Regionen Deutschlands unterschiedlich stark sind, funktioniert das personalisierte Verhältniswahlsystem nicht mehr so, wie es zu Gründungszeiten der Republik gedacht war. Wenn man es einfach so weiterlaufen lässt, könnte der Bundestag mit einer vierstelligen Zahl an Abgeordneten bald aus allen Nähten platzen. Dem Wahlvolk ist das nicht mehr zu erklären.
Nun hat die Ampelkoalition einen Vorschlag vorgelegt, der das Verhältniswahlrecht radikal umsetzt. Es ist nicht überraschend, dass dieses Konzept von der Ampelregierung kommt: Grüne und Liberale müssen dadurch auf nichts verzichten. Die Einbußen an Direktmandaten für die SPD bleiben überschaubar. Die Union gewinnt in einzelnen Bundesländern traditionell sehr viel mehr Direktmandate, als sie im Verhältnis an Zweitstimmen bekommt. Nach dem Vorschlag der Ampel träfe es also vor allem CDU und CSU-Kandidatinnen und Kandidaten, die trotz Gewinn ihres Wahlkreises nicht in den Bundestag einziehen könnten. Der Ampelvorschlag ist dennoch gerecht: Alle Parteien wären – wie dies auch aktuell der Fall ist – im Bundestag mit dem Anteil ihrer Zweitstimmen vertreten. Nur alle Überhang- und Ausgleichmandate fielen weg.
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Über die Wahlrechtsreform wurde genug diskutiert
Es wäre besser gewesen, wenn sich Regierungs- und Oppositionsparteien im Bundestag schon viel früher auf einen gemeinsamen Vorschlag hätten einigen können. Für die Akzeptanz der Demokratie ist es wichtig, dass das Wahlrecht von einer sehr breiten Mehrheit als gerechtes System erachtet wird. Der Gesetzgebungsvorstoß der Ampel wird im Bundestag sicher Zustimmung finden – die einfache Mehrheit reicht. Auch über den Bundesrat wird es die Union nicht aufhalten können. Danach – auch das ist gewiss – wird das neue Wahlgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Die obersten Richter müssen dann darüber befinden, ob der Wegfall von Direktmandaten dem Grundgesetz entspricht.
Die gewählten Abgeordneten sind nie gut beraten, wenn sie ein politisches Problem nicht selbst lösen können und ihre Gesetze sehenden Auges so gestalten, dass sie vor dem Verfassungsgericht landen.
Die gewählten Abgeordneten sind nie gut beraten, wenn sie ein politisches Problem nicht selbst lösen können und ihre Gesetze sehenden Auges so gestalten, dass sie vor dem Verfassungsgericht landen. Im Fall der Wahlrechtsreform ist dieser Weg allerdings der einzige, der aus der Sackgasse herausführt. Über die Wahlrechtsreform wurde wahrlich genug diskutiert – jetzt ist die Zeit reif für eine Entscheidung. Es wäre allerdings zwingend notwendig, dass die obersten Richter in Karlsruhe deutlich vor der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 ihr Urteil fällen. Die Parteien müssen ausreichend Zeit haben, ihre Wahllisten und ihre Wahlkreise auf ein neues Wahlrecht einzustellen.