Karliczek zu Corona und Schule: „Ich kann nur raten, umsichtig und vorsichtig zu bleiben“
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Anja Karliczek (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, spricht bei einer Pressekonferenz zur Lage in der Corona-Pandemie (Archivbild).
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Frau Karliczek, droht die Durchseuchung an den Schulen?
Die Kinder und Jugendlichen müssen im neuen Schuljahr wieder durchgängig in ihren Klassen unterrichtet werden. Ich kann aber nur raten, dabei umsichtig und vorsichtig zu bleiben. Das ist auch der Rat von führenden Virologen. Auf das Tragen von Masken und das regelmäßige Testen in der Schule kann aus meiner Sicht bei einem Präsenzunterricht zunächst nicht verzichtet werden. Kinder und Jugendliche erkranken im Schnitt weniger schwer als Erwachsene, aber es gibt auch hier schwere Fälle. Der Gesundheitsschutz an den Schulen kann auch in dieser Phase der Pandemie nicht über Bord geworfen werden. Wir müssen insbesondere die Zeit überbrücken, bis auch ein Impfstoff für die unter 12‑Jährigen zugelassen ist.
Die Lasten der Pandemiepolitik liegen weiter stark bei den Kindern.
Die Erwachsenen haben zum Großteil den Schlüssel in der Hand, damit die Schulen wieder gut laufen. Jeder Erwachsene, der sich impfen lässt, trägt dazu bei, das Leben und damit auch den Schulbesuch für Kinder sicherer zu machen. Es gibt auch Hinweise, dass es unter Kindern, die geimpfte Eltern haben, weniger Infektionen gibt.
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Die Pandemie und wir
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Auch viele Jugendliche sind noch nicht geimpft. Wie lässt sich hier das Tempo erhöhen?
Wenn die ärztliche Beratung der Kinder und Eltern sichergestellt ist, wären flächendeckende Impfangebote an den Schulen ein Beitrag, um das Impftempo zu erhöhen. Wenn es in der Schule ein Impfangebot gibt, müssten Eltern sich nicht extra um einen Arzttermin kümmern.
Wird es im neuen Schuljahr wirklich durchgehend Präsenzunterricht geben?
Die Delta-Variante macht es uns zwar nicht leicht, aber angesichts der nach und nach steigenden Impfquote in der Bevölkerung bin ich zuversichtlich. Ich gehe davon aus, dass es im kommenden Schuljahr fast überall durchgehend Präsenzunterricht geben wird. Das ist wichtig für die Kinder. Flächendeckende Schulschließungen soll es definitiv nicht mehr geben.
Eltern fürchten, dass ihr Kind plötzlich in Quarantäne geschickt wird. Wie sehen aus Ihrer Sicht angemessene Regeln zu diesem Thema aus?
Ich werbe dafür, dass sich die Länder bei der Quarantäne in den Schulen auf eine klare Linie verständigen, die den Gesundheitsämtern aber auch notwendige Spielräume im Einzelfall lässt. Das RKI überarbeitet ja auch seine Empfehlungen. Grundsätzlich gilt: Die Empfehlungen sollten die Richtschnur sein. Ich würde mich freuen, wenn die Quarantänezeit von 14 Tagen für Kinder mit einer klugen Teststrategie verkürzt werden könnte.
Viele Eltern können es nicht fassen, dass es in diesem Sommer dieselbe Debatte über Luftfilter gab wie im letzten.
Luftfilter sind kein Allheilmittel. Es war auch längere Zeit nicht klar, welchen Nutzen gerade mobile Luftfilter haben. Der Bund hat jetzt aber noch einmal Geld zur Verfügung gestellt. Dabei geht es vor allem darum, Unterstützung in den Fällen zu geben, in denen sich die Fenster in Klassenzimmern nicht richtig öffnen lassen. Dort können mobile Luftfilter einen wichtigen Beitrag leisten. Maskentragen und Fensteröffnen bleiben am wichtigsten.
Falls es in einigen Jahren – was niemand hofft – noch einmal eine Pandemie geben sollte, werden die Klassenzimmer dann standardmäßig mit Luftfiltern ausgestattet sein?
Die Pandemie hat uns gelehrt: Eine gute Be- und Entlüftung sowie Luftfilter in Klassenräumen müssen zum generellen Standard werden. Das muss jetzt bei jeder Sanierung und bei jedem Neubau einer Schule mitbedacht werden. Wir können nicht ausschließen, dass es erneut zu einer Pandemie kommen kann. Von daher ist ein höheres Maß an Prävention erforderlich, als wir es früher kannten.
Der Digitalpakt Schule ist bis 2024 konzipiert. Wer immer in der nächsten Legislaturperiode das Bundesbildungsministerium führt, muss sie oder er nicht sofort beginnen, mit den Ländern über ein Folgeprogramm zu sprechen?
Der Bund hat mit dem Digitalpakt eine Grundlage geschaffen, damit die digitale Bildung flächendeckend in den Schulen aufgebaut werden kann. Es geht hier um die Unterstützung von Investitionen mit inzwischen 6,5 Milliarden Euro Bundesmitteln. Das ist eine gewaltige Summe. Der permanente Betrieb der Schulen ist die Aufgabe von Ländern und Kommunen, so sieht es auch unser Grundgesetz vor. Deshalb pochen die Länder in Fragen von Bildung und Schule auch sehr stark auf ihre Eigenständigkeit. Das bedeutet dann aber auch, dass sie eigenständig für die laufenden Kosten aufkommen müssen.
Der Bund sollte ab 2024 aus Ihrer Sicht also keinen Cent mehr dazugeben?
Natürlich versuchen die Länder überall, finanzielle Unterstützung des Bundes zu bekommen. Auf der anderen Seite sagen sie, der Bund hat in der Schulpolitik nichts zu suchen. Meines Erachtens sollten Bund und Länder aber bei diesem Kernthema für eine gute Zukunft Deutschlands künftig enger zusammenarbeiten können. Und wenn die Länder einen neuen, dauerhaften Digitalpakt für die Schulen und damit neues Geld vom Bund wollen, sollten sie auch bereit sein, mit dem Bund eine Grundgesetzergänzung zu vereinbaren. Eine solche Grundgesetzergänzung würde es ermöglichen, dass Bund und Länder bei der digitalen Bildung auch inhaltlich kooperieren können, mehr nicht. Der Bund will den Ländern keine Kompetenzen streitig machen.
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Am Montag kommen der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zusammen, um über den Rechtsanspruch auf Ganztag in der Grundschule zu sprechen. Bekommen Sie das noch hin?
Ich bin vorsichtig optimistisch, dass es beim Rechtsanspruch auf Ganztag in der Grundschule im Vermittlungsausschuss noch in letzter Minute zu einer Einigung kommt. Das ist ein zentrales Projekt dieser Legislaturperiode. Wir wollen Eltern helfen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Gerade in der Krise haben wir erlebt, wie sehr alle Eltern darauf angewiesen sind, dass es ein gutes Betreuungsangebot gibt. Und der Ganztag bietet auch mehr Möglichkeiten, Kinder zu fördern.
Haben die Länder nicht recht, wenn sie mit Blick auf den Bund sagen: „Wer bestellt, muss auch bezahlen“?
Nicht der Bund bestellt den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule. Die Menschen im Land wollen ihn – und die Eltern werden mehr und mehr darauf angewiesen sein. Der Bund ist den Ländern hier bereits vor der Sommerpause weit entgegengekommen. Statt den ursprünglich geplanten 2 Milliarden Euro für Investitionskosten hatte der Bund 3,5 Milliarden Euro angeboten. Dazu wollte er künftig knapp eine Milliarde Euro Unterstützung jährlich für die Betriebskosten beisteuern, obwohl es sich um eine originäre Länderaufgabe handelt. Alle Seiten sollten sich zusammenraufen, ohne sich gegenseitig zu überfordern.
Die SPD und Kanzlerkandidat Olaf Scholz liegen wenige Wochen vor der Bundestagswahl in Umfragen vorn. Wie konnte es passieren, dass die Union ihren Vorsprung so verspielt hat?
Wir haben die Frage der Kanzlerkandidatur zu spät entschieden, und die Debatte darüber war auch zu heftig. Das hat vielen Menschen, die uns üblicherweise wählen, nicht gefallen. Aber jetzt sind die Reihen geschlossen, und die Alternativen liegen für die Wählerinnen und Wähler nun auf dem Tisch. Wir stehen für modernes und stabiles Deutschland, während die SPD ein rot-rot-grünes Experiment mit ungewissem Ausgang starten will. Der kämpferische Auftritt von Armin Laschet im TV-Triell stimmt mich optimistisch für den Wahlkampfendspurt.
Hat es Sie überrascht, dass Armin Laschet die schleswig-holsteinische Kultusministerin Karin Prien für das Thema Bildung in sein Zukunftsteam berufen hat? Was bedeutet das für Sie?
Es ist doch erfreulich, dass Armin Laschet am Freitag Kolleginnen und Kollegen präsentiert hat, die in der Union mit ganz unterschiedlichen Biografien auch für wichtige Zukunftsthemen stehen. Ich finde es gut, dass er mit Karin Prien in dieser Phase des Wahlkampfs auch eine Landespolitikerin für das Thema Bildung an seiner Seite hat. Das zeigt, dass wir der Bildungspolitik auf allen Ebenen – im Bund wie in den Ländern – höchste Priorität geben und wir insgesamt hier gut aufgestellt sind. Wir brauchen in der Bildungspolitik auch mehr Kooperation zwischen Bund und Ländern. Und dafür stehen Karin Prien und ich.
Nach den Verhandlungen zur großen Koalition sind Sie überraschend Ministerin geworden. Was würden Sie aus heutiger Sicht auf jeden Fall anders machen?
Ich wollte damals zuerst das ganze Ministerium intensiv kennenlernen. Das war wichtig und gut. Heute würde ich mir aber gleichzeitig sofort ein bestimmtes Projekt vornehmen, das ich sehr offensiv nach außen tragen würde. Dann wäre manche Debatte über meine Arbeit in der Anfangszeit anders verlaufen. In einem neuen Job lernt jeder dazu: Das gilt auch für eine Ministerin oder einen Minister.