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Studierter Mediziner unter praktizierenden Ärzten

Karl Lauterbach beim Ärztetag: scharfe Kritik und ein bisschen Beifall

Karl Lauterbach, Gesundheitsminister, und Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer.

Karl Lauterbach, Gesundheitsminister, und Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer.

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Berlin. Es ist erstaunlich, dass einem Ärztepräsidenten dieser doppeldeutige Gag nicht schon früher eingefallen ist: Der Gesundheitsminister habe zweifellos eine Vision von der Entwicklung des deutschen Gesundheitswesens, sagt Klaus Reinhardt, Chef der Bundesärztekammer, am Dienstag zur Eröffnung des 127. Ärztetags an Karl Lauterbach gerichtet. Dann zitiert der Mediziner allerdings die Bemerkung des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD), wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen. Reinhardt: „In diesem Sinne heiße ich Sie herzlich willkommen auf dem Deutschen Ärztetag.“

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Lauterbach nimmt es gelassen, schließlich betrachtet er sich als Kollege der 250 Delegierten des Ärztetags, der auch als das „Parlament der deutschen Ärzteschaft“ bezeichnet wird. Allerdings fangen hier die Probleme mit den Standesvertretern schon an: Im vergangenen Jahr warf Reinhardt im Streit um Spargesetze dem Gesundheitsminister „Aneignung“ vor. Er habe zwar Medizin studiert, sei aber kein Arzt, weil er nicht praktisch tätig sei.

Viel Kritik an Lauterbach

Und auch zu Beginn des Ärztetags spart Reinhardt nicht mit Kritik. Es sei ein „schwerer politischer Fehler“, dass Lauterbach die Ärzteverbände bei seinen Reformen nicht einbeziehe, sondern sie als Lobbyisten diskreditiere. Als Beispiel nennt der Ärztepräsident die Klinikreform, die erhebliche Auswirkungen auch auf die Weiterbildungsmöglichkeiten der Ärztinnen und Ärzte habe, was aber bisher von Lauterbach nicht berücksichtigt worden sei. Als „absolut unverständlich“ bezeichnet der Mediziner zudem das Vorhaben von Lauterbach, die für die Digitalisierung im Gesundheitswesen zuständige Institution zu verstaatlichen und damit auch die Ärzteschaft dort „hinauszudrängen“.

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Ärztinnen und Ärzte seien guten Willens und offen für digitale Anwendungen, versichert Reinhardt. Jedoch seien viele nach wie vor frustriert, weil die Technik nicht stabil funktioniere. „Politik und Industrie sollte klar sein, dass Arztpraxen und Kliniken keine Versuchslabore für unausgereifte Technik sind“, so der Ärztepräsident, der sich am Donnerstag nach vier Jahren Amtszeit zur Wiederwahl stellt. Gegen ihn tritt die Vorsitzende der Ärztevereinigung Marburger Bund, Susanne Johna, an, der allerdings nur geringe Chancen eingeräumt werden.

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24/7 Personenschutz für Lauterbach

Lauterbach hält sich trotz der Anwürfe wacker, schließlich weiß er durchaus, wie das Publikum tickt. Alle Ärztinnen und Ärzte seien mit großen Idealen in den Beruf gestartet, wovon heute wegen der schwierigen Umstände im Gesundheitswesen oft nichts übrig bleibe, beklagt er. Denn statt die Patienten und deren Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen, seien von der Politik in der Vergangenheit technokratische Lösungen umgesetzt worden, „die die Seele der Versorgung auffressen“, so der SPD-Politiker. „Wir müssen wieder dahin zurück, jedem die bestmögliche Versorgung zu schenken und nicht die, die gerade noch bezahlbar ist“, so Lauterbach. Diese und ähnliche Bemerkungen bringen ihm großen Beifall ein – obwohl er nicht darauf eingeht, wie er das angesichts der bestehenden Finanzprobleme schaffen will.

Und noch etwas bringt ihm großen Respekt ein, was vielen Delegierten möglicherweise bisher nicht klar war: Dass Lauterbach nach wie vor 24/7 von Personenschützern bewacht werden muss. „Dass für Sie immer noch die höchste Sicherheitsstufe aufgrund von Entscheidungen und Äußerungen rund um die Corona-Pandemie gilt, macht uns alle betroffen“, sagt der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, zur Eröffnung des Ärztetags. Wer sich wie Lauterbach klar und deutlich öffentlich zur Pandemie geäußert habe, habe Dank verdient – „und nicht eine hohe Sicherheitsstufe.“

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