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Diplomatische Verstimmung

Israels Regierung beschwert sich über Botschafter Seibert – Bundesregierung verteidigt ihn

Steffen Seibert, bekannt als ehemaliger Regierungssprecher, ist heute Botschafter in Israel.

Steffen Seibert, bekannt als ehemaliger Regierungssprecher, ist heute Botschafter in Israel.

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Tel Aviv. Er hätte einen Mitarbeiter schicken können, er hätte die Live-Übertragung der Beratung im Fernsehen verfolgen können. Aber Steffen Seibert hatte sich aufgemacht nach Jerusalem. Im Obersten Gericht Israels kamen dessen 15 Richter zusammen, um über die Justizreform der Regierung zu beraten – und damit letztlich über ihre eigene Entmachtung. Es galt als historischer Termin.

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Seibert, Deutscher Botschafter in Israel, nahm auf einer hölzernen Zuschauerbank Platz und postete von dort im sozialen Netzwerk X (ehemals Twitter) ein kurzes Video: „Ich denke, etwas Wichtiges passiert hier für Israels Demokratie. Wir als Freunde Israels schauen mit großem Interesse auf das Oberste Gericht. Das wollte ich mir ansehen“, sagt er darin auf hebräisch.

Als ehemaliger TV-Journalist weiß der 63-Jährige um die Symbolkraft von Bildern. Als Regierungssprecher hat er immer wieder Angela Merkel in Szene gesetzt und Videoformate für die Kanzlerin entwickelt. Nun ist er dem Auswärtigen Amt unterstellt, wo Außenministerin Annalena Baerbock deutlich weniger zurückhaltend agiert als ihre Vorgänger und und auch auf mehr Wahrnehmbarkeit ihrer Diplomaten setzt.

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Die israelische Regierung unter Premier Benjamin Netanjahu, die die Justizreform trotz monatelanger Massenproteste vorantreibt, war wenig entzückt von Seiberts Präsenz im Gericht. Eine knappe Woche nach dem Gerichtstermin wurde nun bekannt, dass sich Israels Außenminister Eli Cohen über Seiberts Verhalten beschwert haben soll. „Auf Anweisung des israelischen Außenministers Cohen hat ein hoher diplomatischer Beamter mit Botschafter Seibert gesprochen und unseren Protest in dieser Angelegenheit zum Ausdruck gebracht. Ähnliche Botschaften wurden von der israelischen Botschaft in Berlin an das Auswärtige Amt übermittelt“, teilte ein Sprecher der israelischen Botschaft auf Anfrage mit. Vorgeworfen werde Seibert die Einmischung in innere Angelegenheiten, schrieb die Nachrichtenagentur dpa.

„Ganz normaler Teil der Arbeit eines Diplomaten“

Das Auswärtige Amt allerdings ließ wissen, es sei keine offizielle Beschwerde der israelischen Seite angekommen. Es wies auch die Kritik zurück: Das Verfolgen relevanter innenpolitischer Verfahren sei „ganz normaler Teil der Arbeit eines Diplomaten“, sagte ein Ministeriumssprecher. Dazu gehöre auch der Besuch öffentlicher Gerichtstermine. Seibert mache seine Arbeit in Israel „exzellent“. Deutschland habe eine sehr enge Beziehung zu Israel. Dazu gehöre es, auch über Themen zu sprechen, „wo wir Differenzen haben“. Dies gelte für die Justizreform, wie auch für die Siedlungspolitik.

Steffen Seibert, Regierungssprecher, nimmt an der Pressekonferenz nach der Ministerpräsidentenkonferenz teil.

Diplomaten müssen auch mal unbequem werden

Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, besucht eine Gerichtsverhandlung – und nimmt damit symbolisch Stellung zur umstrittenen Justizreform. Von der Kritik der israelischen Regierung sollte sich Seibert nicht beeindrucken lassen, kommentiert Daniela Vates.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nahm Seibert gegen Kritik der israelischen Regierung in Schutz. „Der deutsche Botschafter ist ein sehr engagierter Mann mit sehr klaren Prinzipien“, versicherte Scholz am Montag bei seinem Besuch in New York. Auch Außenministerin Annalena Baerbock verteidigte Seiberts Verhalten ausdrücklich: „Es ist das Alltagsgeschäft von Diplomatinnen und Diplomaten, auf dem aktuellen Stand von Entwicklungen in unterschiedlichen Ländern zu sein“, sagte die Grünen-Politikerin vor Beginn der UN-Vollversammlung in New York.

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Rückendeckung für Seibert im Bundestag

Aus dem Bundestag kam ebenfalls parteiübergreifend Rückhalt für Seibert: „Eine Einmischung in innere Angelegenheiten kann ich nicht erkennen“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Botschafter müssten nicht nur Kontakte zu Regierung und Parlament pflegen, sondern auch zur Zivilgesellschaft. Diese habe monatelang gegen die Justizreform demonstriert. „Ich halte es deswegen für vollkommen angemessen, dass Botschafter Seibert vor Ort war.“

Ähnlich äußerte sich Vize-Unions-Fraktionschef Johann Wadephul: „Es ist die natürliche Aufgabe eines Botschafters, über wichtige Entwicklungen und Diskussionen in seinem Gastland zu berichten“, sagte er dem RND. „Deshalb sollte das in oder von Israel nicht kritisiert werden.“ Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin lobte, Seibert sei „seinen Aufgaben in vorbildlicher Weise nachgekommen“. Er habe seine Botschaft klar und diplomatisch angemessen übermittelt. Deutschland sei „dem Existenzrecht Israels als demokratische Heimstätte für Jüdinnen und Juden verpflichtet“, sagte Trittin dem RND. Dies umfasse nicht nur die Sicherheit Israels, sondern auch den Schutz von Demokratie und Rechtstaatlichkeit des Landes.

Entschieden wurde bei dem Gerichtstermin, in dem acht Petitionen gegen das Gesetz vorlagen, noch nichts. Bis Anfang Oktober können nun zunächst noch Ergänzungen zu den Beratungen eingereicht werden.

Mit dpa

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