Auch Kindergeld soll steigen

Wie viel Geld erhalten Sie? So will Lindner die Inflationsgewinne zurückgeben

Finanzminister Christian Lindner (FDP) stellt sein Programm zum Inflationsausgleich in Berlin vor.

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Berlin. Noch am Montag stellte Regierungssprecher Steffen Hebestreit klar, dass die Frage des Ausgleichs der kalten Progression erst im Herbst geklärt werden soll. Doch Finanzminister Christian Lindner (FDP) will angesichts der Widerstände in der eigenen Koalition nicht so lange warten, sondern macht bereits jetzt Nägel mit Köpfen:

Nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) will Lindner die Inflationsgewinne des Staates bei der Einkommensteuer an die Steuerzahlenden zurückgeben und sie dadurch 2023 um mindestens 10 und in den Folgejahren um weitere 7 Milliarden Euro entlasten. Das sieht sein Entwurf für ein „Inflationsausgleichsgesetz“ vor, der dem RND vorliegt. Am Mittwochvormittag hat der Minister seine Pläne in Berlin vorgestellt. Durch eine Anhebung des Grundfreibetrags und eine Verschiebung der Tarifsätze um die Inflationsrate soll die Einkommensteuer 2023 im Schnitt um 192 Euro sinken. Nur die Einkommensgrenzen bei der „Reichensteuer“ von 45 Prozent sollen unverändert bleiben.

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Nach Berechnungen des Finanzministeriums beträgt die Entlastung im kommenden Jahr bei einem zu versteuernden Einkommen von 30.000 Euro rund 172 Euro. Bei 50.000 Euro steigt sie auf 352 Euro. Ab ungefähr 61.000 Euro ist die maximale Ersparnis von 479 Euro erreicht. 2024 steigt die Entlastung gegenüber dem heutigen Tarif bei den Gehaltsbeispielen auf insgesamt 278, 535 beziehungsweise 730 Euro. Damit werden kleinere Einkommen nicht absolut, aber prozentual stärker entlastet als höhere Gehälter: Bei 30.000 Euro müssen knapp 4 Prozent weniger gezahlt werden, bei 100.000 Euro nur rund 2 Prozent.

Inflation wird ausgeglichen

Genau genommen handelt es sich nicht um eine klassische Steuerentlastung, sondern vielmehr um einen Verzicht auf eine Mehrbelastung, die die Inflation mit sich bringt. „Diese Beträge wären die Steuererhöhung, die entstehen würde, wenn wir untätig blieben“, hieß es im Finanzministerium. Der Mechanismus: Im deutschen Einkommensteuersystem muss von jedem zusätzlich verdienten Euro ein größerer Anteil an das Finanzamt gezahlt werden. Erhalten Arbeitnehmer eine Lohnerhöhung, die aber nur die Preissteigerung ausgleicht, müssen sie dennoch mehr Steuern zahlen, ohne sich tatsächlich mehr leisten zu können. Durch die geplante Verschiebung des Tarifverlaufs wird dieser als kalte Progression bezeichnete Effekt verhindert.

„Sozial ausgewogen“: Lindner wehrt sich gegen Kritik an seinen Steuerplänen

Kritiker meinen, vom Vorschlag des Finanzministers profitieren Geringverdiener zu wenig – dabei sind sie besonders betroffen von der hohen Inflation.

„48 Millionen Deutschen drohen neben steigenenden Lebenserhaltungskosten eine massive Steuererhöhung. In diesen Zeiten eine Steuererhähung vorzusehen, ist nicht fair und für die wirtschaftliche Entwicklung gefährlich“, sagte Lindner bei der Vorstellung des Plans am Mittwoch. Die wirtschaftliche Lage verlange sofortiges Handeln, erklärte der Minister weiter. Deswegen gehe es bei seinem Vorhaben nicht um eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, sondern darum, eine zusätzliche Belastung zu verhindern.

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Im Ministerium hieß es mit Blick auf die kritische Haltung insbesondere der Grünen, es handele sich um einen „fairen“ Vorschlag. Würde auf den Ausgleich der kalten Progression verzichtet, nähme man die geringen Einkommen „in Geiselhaft“.

Konkret soll der Grundfreibetrag, der das steuerfreie Existenzminimum darstellt, von derzeit 10.347 Euro auf 10.632 Euro im nächsten Jahr und 10.932 Euro im übernächsten Jahr angehoben werden. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent, der gegenwärtig bei einem zu versteuernden Einkommen von 58.597 Euro einsetzt, gilt ab 2023 erst ab 61.972 Euro und ein Jahr später ab 63.515 Euro. Die „Reichensteuer“ soll dagegen unverändert bei 277.826 Euro einsetzen.

Auch der Kinderfreibetrag soll steigen, von 2730 Euro bis 2024 auf 2994 Euro. Parallel dazu soll das Kindergeld für die beiden ersten Kinder 2023 um 8 Euro auf dann 227 Euro angehoben werden. Auch für das dritte Kind bekommen Eltern dann 227 Euro. Für das vierte Kind bleibt es bei 250 Euro. Im Jahr darauf steigt das Kindergeld für die ersten drei Kinder noch einmal um 6 auf dann 233 Euro.

Alle Zahlen dürften im Herbst nach oben korrigiert werden, weil Lindner bisher die vergleichsweise niedrige Inflationsrate aus der Frühjahrsprognose der Regierung angesetzt hat. Später sollen die vermutlich höheren Werte aus der Herbstprognose genutzt werden.

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Für die Umsetzung hat Lindner im Etatentwurf für 2023 bereits Geld reserviert. Er braucht aber zusätzlich die Zustimmung der Länder, schließlich entfallen nach dem üblichen Verteilungsschlüssel auf sie 42,5 Prozent der Steuerausfälle und auf die Gemeinden 15 Prozent.

Zunächst benötigt Lindner aber das Okay der Koalitionspartner. Die Grünen übten jedoch heftige Kritik. „Milliarden-Steuererleichterungen, von denen viel Verdienende absolut gesehen dreimal so stark profitieren wie weniger Verdienende – das ist nicht auf der Höhe der Zeit“, sagte die Finanzpolitikerin Katharina Beck dem RND. „Andersrum wäre es richtig: Starke Schultern müssten mehr tragen als einkommensschwache und nicht überproportional entlastet werden“, mahnte sie.

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Auch die Linkspartei lehnte die Pläne ab. Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach von einem schlechten Witz. „Es ist das Gegenteil von zielgenau und dazu sozial ungerecht“, sagte er. „Wer viel verdient, profitiert am meisten“, beklagte er. Bei kleinen und mittleren Einkommen komme dagegen viel zu wenig an, so Bartsch.

Kritik von der Linksfraktion

Alle Ampel-Parteien hätten vor der Wahl versprochen, Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten, und tatsächlich sei die Steuer- und Abgabenlast für Gering- und Normalverdiener zu hoch - lange vor den explodierenden Energiepreisen, erklärte Bartsch. „Ein Abbau der kalten Progression wäre richtig, aber Lindners Pläne zur Entlastung von mittleren Einkommen sind steuerpolitisches Klein-Klein.“

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Notwendig sei vielmehr eine große, wesentlich von Topverdienern finanzierte Steuerreform, die Normalverdienern rund 100 Euro monatlich netto mehr ins Portemonnaie bringt, forderte er: „Dabei sollten ein später einsetzender Spitzensteuersatz und der Reichensteuersatz deutlich steigen.“ SPD und Grüne müssten sich zudem bei der Übergewinnsteuer gegen die FDP-Blockade durchsetzen, so Bartsch. „Geht es bei Steuern und der Verteilung der Krisenkosten nicht endlich gerechter zu, fliegt das Land sozial auseinander.“

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