Yad-Vashem-Vorsitzender Dani Dayan zum ersten Mal in Deutschland
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Dani Dayan, Vorsitzender der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, gibt eine Pressekonferenz. Dayan besucht zum ersten Mal Deutschland.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Schon als Jugendlicher hatte sich Dani Dayan geschworen, niemals einen Fuß auf deutschen Boden zu setzen. „Das hatte nichts mit Hass zu tun, und alles mit Erinnerung“, sagt der Leiter der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Es gebe eine jüdische Tradition, erklärt er: Manche Jüdinnen und Juden ließen in ihren Häusern bewusst ein Stück der Wand unbemalt – als Erinnerung an die Zerstörung Jerusalems vor 2000 Jahren. In ähnlicher Weise habe ihm die Entscheidung, niemals nach Deutschland zu reisen, als Erinnerung an die Schrecken der Shoah gedient.
Was diese Sätze des israelischen Gedenkstättenleiters so besonders macht, ist, dass er sie bei einer Pressekonferenz in einem Westberliner Hotel spricht. Dayan hat sich umentschieden. Zum ersten Mal in seinem Leben ist der 67-Jährige nun doch nach Deutschland gereist. Auch diese Entscheidung ist eng mit dem Gedenken an den Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden verknüpft.
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Ausstellung im Bundestag
Gemeinsam mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wird Dayan am Dienstag die Ausstellung „Sechzehn Objekte“ im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags eröffnen. Jeder der 16 dort ausgestellten Gegenstände hat einst einer Person oder Familie in Deutschland gehört. Ihre jüdischen Besitzer flohen vor den Nationalsozialisten oder wurden deportiert und teilweise in Gettos und Konzentrationslagern ermordet. Die Alltagsgegenstände erzählen Geschichten von Menschen aus allen 16 heutigen Bundesländern, die die Nationalsozialisten in ihrem antisemitischen Wahn auslöschen wollten. „Das ist eine sehr außergewöhnliche Ausstellung, die aus Gegenständen aus unserer umfangreichen Sammlung von Holocaust-Artefakten besteht“, sagt Dani Dayan.
Er eröffnet während seines Besuchs in Berlin nicht nur die Ausstellung im Bundestag, sondern trifft in Berlin auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz, CDU-Chef Friedrich Merz sowie Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesinnenministerin Nancy Faeser und andere Spitzenpolitiker.
„Wir nähern uns einem entscheidenden Punkt im Gedenken an den Holocaust“, erklärt Dayan. „Ich hoffe, es dauert noch einige Jahre. Aber ab einem gewissen Zeitpunkt leben wir unausweichlich in einer Welt ohne Holocaust-Überlebende.“ Er habe Angst, dass dieser Tag zu einer „Happy Hour“ der Holocaustleugner wird, sagt Dayan. Deshalb sei es umso wichtiger, heute der Opfer des Holocaust zu gedenken und über die Verbrechen der Nationalsozialisten aufzuklären.
Gedenken und Bildungsarbeit gegen Antisemitismus
Holocaust-Gedenken und Bildungsarbeit seien gewiss kein Allheilmittel gegen Antisemitismus, sagt Dayan. Sie seien aber ein wesentlicher Bestandteil. „Sie können keine Bildungsarbeit gegen Antisemitismus, Bigotterie, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit betreiben, ohne über die Shoah aufzuklären.“ Dabei sei es sinnlos, Antisemiten selbst aufzuklären, meint Dayan. „Das mag nicht nur nutzlos sein, es könnte den Antisemiten sogar Spaß machen, Bilder toter Juden zu sehen.“ Stattdessen gehe es darum, die Mehrheit der anständigen Menschen aufzuklären.
Bei dieser Aufklärungs- und Gedenkarbeit spielt die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem seit 70 Jahren international eine wichtige Rolle. Dort wird sowohl Israelis als auch jüdischen und nicht jüdischen Besucherinnen und Besuchern aus aller Welt Wissen über die Shoah vermittelt. Im Mittelpunkt stehen dort die jüdischen Opfer des industriellen Massenmords durch Deutschland. Dani Dayan ist seit 2021 Vorstandsvorsitzender der staatlichen Gedenkstätte. Zuvor war Dayan Geschäftsmann, Repräsentant einer Organisation israelischer Siedler im Westjordanland und von 2016 bis 2020 Generalkonsul Israels in New York.