Grünen-Wirrwarr in Thüringen – nichts, was es nicht gibt
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Anja Siegesmund (Grüne), Thüringer Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz und Thüringens stellvertretende Ministerpräsidentin, erklärte im Dezember neben den Landessprechern Ann-Sophie Bohm und Bernhard Stengele ihren Rücktritt von allen Ämtern zum 31. Januar 2023.
© Quelle: Michael Reichel/dpa
Berlin. Das politische Thüringen ist seit geraumer Zeit dafür bekannt, dass es dort Sachen gibt, die es woanders nicht gibt. So wurde im Freistaat 2014 mit Bodo Ramelow der erste Linken-Politiker zum Ministerpräsidenten gewählt. Der wiederum führt, auch das ist ungewöhnlich, mittlerweile eine Minderheitsregierung an, die sich notwendige Mehrheiten im Ernstfall bei anderen Parteien zu suchen hat. Nicht zu vergessen ist schließlich die Episode aus dem Frühjahr 2020, als der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen aus CDU und AfD zum Kurzzeit-Regierungschef aufstieg, um bald darauf unter erheblichem öffentlichen Druck den Rückzug antreten zu müssen.
Die jüngste thüringische Episode passt in diese Reihe. Nachdem die jahrelange grüne Umweltministerin Anja Siegesmund aus persönlichen Gründen ihren Rückzug angekündigt hatte, wollten die Grünen auch ihren Justizminister Dirk Adams loswerden. Weil der 54-Jährige nicht von sich aus ging, händigte Ramelow dem Grünen-Politiker auf Druck der Partei am Montag seine Entlassungsurkunde aus. Das ist in etwa so, als würden die Grünen-Bundesvorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour Kanzler Olaf Scholz bitten, doch Wirtschaftsminister Robert Habeck oder Umweltministerin Steffi Lemke vor die Tür zu setzen – ein nahezu undenkbarer Vorgang.
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Grüne degradieren Adams
Ungewöhnlich ist ebenfalls, dass Thüringens Grüne anders als die Bundespartei strikt an der Trennung von Amt und Mandat festhalten. Adams hat deshalb keinen Sitz im Landtag und wird nun faktisch arbeitslos. Zum neuen Umweltminister soll an Siegesmunds Stelle Thüringens Grünen-Chef Bernhard Stengele aufsteigen, neue Ministerin für Justiz und Migration wird Doreen Denstädt.
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sagt über den scheidenden Justizminister: „Ich hatte immer ein offenes Ohr bei ihm.“ So sei es Adams beispielsweise ein Anliegen gewesen, die Justiz so auszustatten, dass Verfahren gegen Rechtsextremisten auch rechtsstaatlich abgeschlossen werden könnten. „Wir hatten da einen engen Austausch.“
Die Grünen legen Adams jedoch zur Last, in der Flüchtlingspolitik zu ungeschickt agiert zu haben. Das habe zu Unruhe in den Kommunen geführt. Auch Ramelow habe das Vertrauen zu dem Kabinettskollegen verloren. Dabei ist Adams kein Greenhorn, sondern amtierte vorher sechs Jahre lang als Fraktionsvorsitzender.
Kritiker zweifeln an neuer Justizministerin
Im Übrigen wird 2024 schon wieder ein neuer Landtag gewählt. Die Ökopartei, die in Umfragen knapp über der Fünfprozenthürde liegt, verspricht sich von einem Duo aus Stengele und Denstädt mehr Chancen. Denstädt, 1977 in Saalfeld geboren und zuletzt in der Polizeivertrauensstelle des Innenministeriums beschäftigt, wird nun die erste schwarze Ministerin Ostdeutschlands.
Kritiker bezweifeln unterdessen ihre Eignung und weisen ferner darauf hin, dass mit der Ministerin zugleich eine unerfahrene Staatssekretärin ins Amt kommen werde. Gehe die Sache schief, dann schade dies der rot-rot-grünen Minderheitsregierung insgesamt, heißt es. Den Nutzen habe in erster Linie die im Land ohnehin schon starke AfD.