Fund von Dokumenten bei Biden: Werden in den USA zu viele Informationen als geheim eingestuft?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/MTPSL7VO6FDP3LPKQ2I55BFIAM.jpeg)
Joe Biden, Präsident der USA, steht wegen der Funde zunehmend unter Druck.
© Quelle: Carolyn Kaster/AP/dpa
Top Secret oder gar nicht so geheim? Nach dem jüngsten Fund geheimer Regierungsdokumente in privaten Räumen von US-Präsident Joe Biden gehen die Debatten über den Umgang damit weiter – und über den Vergleich mit dem früheren Fund von Geheimpapieren bei Ex-Präsident Donald Trump. Dabei wird auch Kritik an dem US-Klassifizierungssystem von geheimen Unterlagen laut.
Drei Stufen der Klassifizierung von Dokumenten
In diesem System wird zwischen drei Stufen unterschieden: vertraulichen („confidential“), geheimen („secret“) und streng geheimen („top secret“) Dokumenten. Dargelegt sind die Unterschiede in einer 2009 vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama unterzeichneten Verordnung. Umso höher die Stufe, umso sensibler die Daten und desto mehr würde die unbefugte Offenlegung die nationale Sicherheit beeinträchtigen.
Bei vertraulichen Informationen kann demnach erwartet werden, dass sie „die nationale Sicherheit schädigen“, wenn sie offengelegt werden. Die Veröffentlichung geheimer Dokumente könnte der nationalen Sicherheit „ernsthaften Schaden“ zufügen, heißt es. Als Beispiele hierfür nennt der „Code of Federal Regulations“ etwa die Enthüllung bedeutender militärischer Pläne oder Geheimdienstoperationen.
„Top secret“ – also streng geheime Dokumente, sind solche, von denen erwartet wird, dass sie der nationalen Sicherheit „außerordentlich schweren Schaden“ bei Veröffentlichung zufügen. Diese Informationen sollen demnach höchsten Schutz genießen. Beispiele im Bundesgesetzbuch sind etwa die Kompromittierung lebenswichtiger nationaler Verteidigungspläne oder komplexer kryptologischer und Kommunikationsaufklärungssysteme oder die Enthüllung sensibler Geheimdienstoperationen. Ein reales Beispiel aus dem Jahr 2017 führt die „Washington Post“ auf: Damals ließ der Geheimdienstdienstleister Reality Winner einen streng geheimen Bericht über Russlands Hackerangriffe auf Intercept durchsickern und erhielt eine fünfjährige Haftstrafe, nachdem er sich schuldig bekannt hatte.
Wie erkennt man die Dokumente und wer klassifiziert sie?
Zu erkennen sind klassifizierte Dokumente der drei Stufen an deutlich sichtbaren Stempeln darauf oder Umschlägen, aus denen hervorgeht, dass der Inhalt als sensibel gilt. Laut „taz“ gibt es aktuell mehr als 800 Beamte in 16 Ministerien und Behörden, die Papiere als „vertraulich“ oder „geheim“ markieren dürfen und so für Jahrzehnte vor den Augen der Öffentlichkeit verbergen können.
Was wird an der Klassifizierung kritisiert?
Wie die „Washington Post“ berichtet, gibt es „ein allgemein bekanntes Problem der Überklassifizierung in der US-Regierung“. 2010 habe der Kongress sogar ein Gesetz dazu verabschiedet, den „Reducing Over-Classification Act“, der jedoch keine Definition von Überklassifizierung enthalten habe.
Nach dem jüngsten Fund geheimer Regierungsdokumente in Bidens Privaträumen fordert unter anderem die US-Zeitung Reformen des Systems der Geheimhaltung: Die Rede ist von einem „gewaltigen Problem“, das „seit Jahrzehnten gärt und die nationale Sicherheit, die Demokratie und die Rechenschaftspflicht bedroht: das Klassifizierungssystem für den Umgang mit Geheimnissen ist überfordert und bedarf dringend der Reparatur.“
Zu viele Informationen zur nationalen Sicherheit würden als geheim eingestuft und zu wenig werde freigegeben, heißt es in dem Kommentar vom Sonntag. „Überklassifizierung ist kontraproduktiv, erschwert es Behörden zu funktionieren, frisst Haushaltsmittel und untergräbt das öffentliche Vertrauen. (...) Das gesamte System muss in Ordnung gebracht, und seine Störung sollte nicht ein weiteres Jahrzehnt ignoriert werden.“
Berichte zu neuem Fund liefern Angriffsfläche für US-Präsident Biden
Biden hatte sich als Reaktion auf den bekannt gewordenen Fund überrascht gegeben. Er wisse nicht, wer die Dokumente dorthin gebracht habe oder deren Inhalt.
© Quelle: dpa
Was für Dokumente wurden bei Biden gefunden?
Doch was wurde nun genau bei Biden gefunden? Im Privathaus des Präsidenten im Bundesstaat Delaware wurden am Samstag, so teilte es sein Berater Richard Sauber am vergangenen Samstag (14. Januar) mit, weitere fünf Seiten an vertraulichen Regierungsunterlagen gefunden. Bidens Mitarbeiter hatten zuvor bereits in mehreren Tranchen an verschiedenen Orten Unterlagen aus seiner Zeit als US-Vizepräsident entdeckt.
Biden war von 2009 bis 2017 Stellvertreter des damaligen Präsidenten Barack Obama. In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass vertrauliche Regierungsunterlagen aus dieser Zeit an verschiedenen Orten entdeckt worden waren: in privaten Büroräumen Bidens in Washington und in seinem Haus in Wilmington in Delaware. In Wilmington entdeckten Mitarbeiter Geheimunterlagen in Bidens Garage, aber auch in einem „angrenzenden Raum“, den Biden seine „persönliche Bibliothek“ nannte. Die erste Tranche an vertraulichen Regierungsunterlagen war am 2. November entdeckt worden – kurz vor den Kongresswahlen in den USA. Darunter war laut einem Bericht des US-Senders CBS Material der höchsten Geheimhaltungsstufe. Offizielle Angaben gibt es dazu allerdings noch nicht.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/JVCQ3JVSP5H65L37BKEGTZ7V2Q.jpg)
What’s up, America?
Der wöchentliche USA-Newsletter liefert Hintergründe zu den amerikanischen Entwicklungen in Politik, Gesellschaft und Kultur - immer dienstags.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Was für Folgen hat der Dokumentenfund?
Für den Präsidenten Biden sind die Enthüllungen politisch höchst heikel – nicht nur, weil es nicht erlaubt ist, vertrauliche Regierungsunterlagen nach dem Ausscheiden aus einem Amt privat zu lagern, denn dafür ist in den USA das Nationalarchiv zuständig. Der Dokumentenfund bei Biden hat auch deshalb große Brisanz, weil der frühere republikanische Präsident Donald Trump mit einem ähnlichen Fall im Sommer für einen Skandal gesorgt hatte: Trump bewahrte nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus in großem Umfang vertrauliche Regierungsunterlagen in seinem privaten Anwesen in Florida auf – darunter etliche Dokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe. Die Bundespolizei FBI durchsuchte das Anwesen im August und beschlagnahmte diverse Verschlusssachen. Biden kritisierte Trumps Umgang mit den Dokumenten damals. Nun ist er selbst heftiger Kritik von Trump und dessen Republikanern ausgesetzt.
Biden gerät aktuell zunehmend unter Druck. Der Demokrat und das Weiße Haus stehen auch wegen ihrer Kommunikationspolitik in dem Fall stark in der Kritik. Dass das Weiße Haus einen weiteren Fund einräumen muste, ist für Biden höchst unangenehm. Denn schon zuvor hatte die Regierungszentrale nur scheibchenweise Informationen preisgegeben und die Öffentlichkeit insgesamt lange nicht eingeweiht.
Justizminister Merrick Garland hat den Topjuristen Robert Hur als Sonderermittler in dem Fall eingesetzt. Er soll prüfen, wie die als vertraulich oder geheim eingestuften Regierungsdokumente aus Bidens Zeit als Vizepräsident in dessen Anwesen und früheren Büro landen konnten – und ob es dabei zu Fehlverhalten kam.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/VNOEYQ6WKJBJ7HQWW5N336SKE4.jpg)
Robert Habeck: Ein Mann sieht gelb
Mit keinem Kabinettskollegen hat Vizekanzler Robert Habeck im ersten Jahr der Ampelregierung so viel gestritten wie mit Finanzminister Christian Lindner. Es brauchte 200 Milliarden Euro, um den Streit zu entschärfen. Doch nun rückt ein anderer Liberaler in Habecks Fokus. Das Porträt einer toxischen Beziehung.
Was fordern die Republikaner nun?
Die Republikaner im Kongress forderten am Sonntag bei der Regierung weitere Informationen zu dem Fall an. Der Vorsitzende des House Oversight Committee – der Ausschuss für Aufsicht und Reformen im Repräsentantenhaus – verlangte am Sonntag die Übergabe sämtlicher Informationen rund um die Suchaktionen von Bidens Team. Vom Weißen Haus habe er auch eine Auflistung aller Besucher von Bidens Residenz in Wilmington im Zeitraum vom 20. Januar 2021 – also dem Tag seiner Amtseinführung – bis heute angefordert, erklärte der Ausschusschef James Comer. Ihm gehe es darum, zu ermitteln, wer Zugang zu Verschlusssachen im Haus Bidens gehabt haben könnte und wie das Material dorthin gelangt sei, erklärte Comer.
Der Secret Service teilte in einer Reaktion auf Comers Forderung mit, dass über die Zahl der Besucher in Bidens Haus nicht Buch geführt werde, da es sich um eine Privatresidenz handele. Zwar würden Gäste überprüft, doch gebe es kein Protokoll zu solchen Kontrollen, sagte Sprecher Anthony Guglielmi am Sonntag. Das Weiße Haus bestätigte dies.
RND/mit dpa