Die Sorge vor den Abweichlern – Chancenaufenthaltsrecht wird für die Union zum Stresstest
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CDU-Chef Friedrich Merz, hier bei einer Bundestagssitzung (Archiv).
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Berlin. In der Unionsfraktion gibt es Ärger um die eigene Position zum geplanten Chancenaufenthaltsrecht der Ampelkoalition. Am Freitag bringen es SPD, Grüne und FDP zur zweiten und dritten Lesung in den Bundestag ein.
Das Chancenaufenthaltsrecht soll gut integrierten Ausländerinnen und Ausländern, die schon mehrere Jahre ohne gesicherten Status in Deutschland leben, eine Perspektive bieten. Wer zum Stichtag 31. Oktober 2022 fünf Jahre im Land lebt und nicht straffällig geworden ist, soll 18 Monate Zeit bekommen, um die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen. Dazu gehören beispielsweise Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts. Es soll neben der Reform der Staatsbürgerschaft sowie der Fachkräfteeinwanderung eine von drei Säulen zur erleichterten Einwanderung nach Deutschland sein. In der Unionsfraktion wird vor allem kritisiert, dass auch Ausreisepflichtige von dem Chancenaufenthaltsrecht profitieren würden, die sich jahrelang geweigert hätten, bei der Klärung ihrer Identität mitzuhelfen.
Abweichler kündigten Enthaltung an
Nach RND-Informationen war es in der Fraktionssitzung in dieser Woche zu einer Auseinandersetzung über die Ampelpläne gekommen. Die Innenpolitiker übten schon länger Kritik an dem Vorhaben. CDU-Politiker Throm warnte bereits vor einigen Wochen vor einem „massiven Anreiz für unerlaubte Migration nach Deutschland“. Man einigte sich dem Vernehmen nach darauf, am Freitag einen Entschließungsantrag einzubringen, der alle Positionen innerhalb der Fraktion berücksichtigt. Dieses Vorgehen ist nun aber wieder vom Tisch, wie Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) in einem Brief an die Abgeordneten bekannt gab. „Die federführende Arbeitsgruppe und das Votum des Fraktionsvorstandes empfehlen die Ablehnung des Gesetzesentwurfs. Die Fraktionsführung bittet darum, dieser Empfehlung zu folgen“, heißt es in dem Schreiben, das dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
Das ist brisant, weil zuvor 19 Abgeordnete in einer Erklärung mitgeteilt hatten, sich bei der Abstimmung über den Gesetzesentwurf enthalten zu wollen. Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern gehören die ehemalige Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen, Serap Güler, der frühere NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der frühere Gesundheitsminister Hermann Gröhe und die Chefin der Frauenunion, Annette Widmann-Mauz. Auch der CDU-Politiker Marco Wanderwitz schloss sich der Erklärung an: „Wir hatten eine ziemlich breite Debatte in der Fraktion. Jetzt gucken wir, wie wir das zusammengebunden kriegen“, sagte er dem RND. „Natürlich ist es ein Problem, wenn wir eine große Zahl an Ausreisepflichtigen haben, die nur in kleiner Zahl ausreisen. Aber wir brauchen Zuwanderung“, mahnte er. „Die Projektionen über den Bedarf an Fachkräften sind dramatisch. Und wenn wir es mit Leuten zu tun haben, die nicht strafffällig geworden sind, bei denen Integration funktioniert und die entweder einen Job haben oder einen bekommen können, dann sollte man sich nicht dogmatisch verhalten, sondern Übergänge schaffen und Spurwechsel ermöglichen.“ Wanderwitz forderte, „gesteuerte und ungesteuerte Zuwanderung“ zusammenzudenken. Da müsse man mit dem Florett unterwegs sein und nicht mit dem Breitschwert. „Das sage ich in beide Richtungen. Es geht darum, pragmatisch Lösungen zu finden“, so der Christdemokrat.
Nun müssen die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner entscheiden, ob sie dem Druck der Fraktionsführung nachgeben oder doch bei ihrer Haltung bleiben. „Die vorgeschlagenen Änderungen im Aufenthaltsgesetz für langjährig Geduldete sind sinnvoll und pragmatisch“, lobten die Abgeordneten die Ampelpläne. Sie kritisierten aber auch die Verkürzung der notwendigen Aufenthaltsdauer in Deutschland und die Ausweitung der Regelung bis zum 27. Lebensjahr.
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Frei fügte seinem Brief an die Abgeordneten noch ein Papier an, das die zuständige Arbeitsgruppe der Innenpolitikerinnen und -politiker ausgearbeitet hat. Darin ist beschrieben, welche Gesetze unter der Regierungsführung der Union bereits jetzt ermöglichen, dass abgelehnte Asylbewerber einen Aufenthaltsstatus in Deutschland bekommen können. „In den vergangenen Jahren haben wir umfangreiche Reformen im Asyl- und Aufenthaltsrecht vorangebracht, um Migration zu ordnen, zu steuern und auf ein sozial verträgliches Maß zu begrenzen und die Integration von Schutzberechtigten zu beschleunigen“, heißt es darin. Eine Art Erinnerungshilfe von der Fraktionsspitze für die Abgeordneten, die die bisherige Gesetzgebung nicht ausreichend finden.