Die Klimabilanz des Xi Jinping
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Der chinesische Präsident Xi Jinping.
© Quelle: Getty Images
Peking. Als Xi Jinping am 16. Oktober den historischen 20. Parteitag eröffnete, sparte er in seiner zweistündigen Rede das Thema Klimawandel keineswegs aus. Ganz im Gegenteil: Der 69‑jährige Staatschef versprach, die Emissionen des Landes „grundsätzlich eliminieren“ zu wollen. Zudem sagte er vor den Parteidelegierten in der Großen Halle des Volkes: „Wir müssen danach handeln, dass unsere klaren Gewässer und üppige Berglandschaft von unschätzbarem Wert sind.“
Nun, nachdem Xi seine neue Führungsmannschaft vorgestellt hat, wäre es einmal an der Zeit, die Volksrepublik einer klimapolitischen Bilanz zu unterziehen – und auch in die Zukunft zu schauen, welchen Kurs die Regierung in den nächsten Jahren einschlagen wird. Angesichts der bevorstehenden UN-Klimakonferenz im ägyptischen Scharm el Scheich (7. bis 18. November) steht der weltweit größte CO₂-Verschmutzer schließlich zunehmend unter Druck, weitere Resultate zu liefern.
Chinas Wirtschaftswachstum führte zu apokalyptischen Feinstaubwerten in Städten
Feststeht: Xi Jinping wird als derjenige chinesische Staatschef in die Geschichtsbücher eingehen, unter dem der Umweltschutz erstmals zur Chefsache erklärt wurde. Und dafür war es auch höchste Zeit, denn die massiven Probleme in der Volksrepublik drohten längst die gesellschaftliche Stabilität des Landes zu gefährden: Das rasante Wirtschaftswachstum hatte zu apokalyptischen Feinstaubwerten in den Städten geführt, zu der Verschmutzung von unzähligen Gewässern sowie der Zerstörung von jahrtausendealten Landwirtschaften.
Wenn man sich die CO₂-Emissionen pro Kopf anschaut, dann sind diese im Reich der Mitte vor allem ab der Jahrtausendwende massiv angestiegen. Kurz vor Xi Jinpings Amtsantritt flacht die Kurve deutlich ab. Im Vorjahr betrug der Wert auf die Bevölkerung hochgerechnet 8,7 Tonnen – das ist deutlich weniger als in den Vereinigten Staaten (14,5), jedoch mehr als in Deutschland (8,1), Österreich (7,5) und der Schweiz (4).
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Klima-Check
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China ist vom Klimawandel überproportional stark bedroht
Dabei ist China vom Klimawandel auch im internationalen Vergleich überproportional bedroht. Diesen Sommer litt das Land unter der schlimmsten Hitzewelle seit Beginn der modernen Wetteraufzeichnungen vor sechs Dekaden. Die Flüsse trockneten aus, während sie in anderen Landesteilen sintflutartig überliefen. Fabriken mussten schließen, ganze Städte waren von Stromausfällen betroffen und der wirtschaftliche Schaden ging in die Milliarden. Wie Experten damals in den Staatsmedien warnten, müssen sich die 1,4 Milliarden Chinesen künftig an solche Extremwetter als neuen Normalzustand gewöhnen.
Den Ernst der Lage hat Chinas Staatschef zweifelsohne erkannt. 2020 verkündete Xi erstmals die langfristigen Klimaziele des Landes: Noch innerhalb der laufenden Dekade will man den Höhepunkt der nationalen CO₂-Emissionen erreichen, bis 2060 schließlich vollkommen klimaneutral werden.
Es wäre die größte Schadstoffreduktion in der Geschichte der Menschheit. Wie viel diese kosten würde, hat aktuell die Weltbank in einer Schätzung erhoben: Allein für die Klimaneutralität der zentralen Bereiche Strom und Verkehr müsste Peking insgesamt 14 Billionen US-Dollar investieren.
Hitzewelle trocknet Chinas größten Süßwassersee aus
Der Poyang-See liegt im Südosten des Landes. Seit circa 70 Tagen hält eine Hitzewelle das Gebiet fest im Griff.
© Quelle: Reuters
Ein Drittel der weltweit installierten Windenergie steht in China
Derzeit ist man von Klimaneutralität freilich noch weit entfernt: Wenn man die sogenannte CO₂-Emissionsintensität des Bruttoinlandsprodukts anschaut – also wie viele Schadstoffe gemessen am Wachstum produziert werden –, dann ist die Volkswirtschaft in China im Vergleich zur europäischen Union dreieinhalb mal so schmutzig. Vor allem aber, und darauf schauen ebenfalls viele Beobachter, ist die Volksrepublik China absolut gesehen mit Abstand der größte Schadstoffemittent weltweit. Fast ein Drittel der globalen CO₂-Emissionen werden im Reich der Mitte ausgestoßen.
Doch dies ist nur die eine Seite der Medaille. China verfügt nämlich gleichzeitig über ein Drittel der weltweit installierten Windenergie und ein Viertel der Solarkapazität. Im Bereich erneuerbarer Energien investiert das Reich der Mitte zudem mehr als die europäische Union und die Vereinigten Staaten zusammen.
Nicht zuletzt hat die chinesische Regierung im Vorjahr versprochen, dass man keine Kohlekraftwerke im Ausland mehr bauen werde. Von den insgesamt über 100 bereits geplanten Projekte wurden bereits ein Viertel suspendiert, was laut dem Center for Research on Energy and Clean Air jährlich 85 Millionen Tonnen Kohlendioxid verhindern wird.
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Nach Entscheidung in Hamburg: So viel China steckt schon im Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven
Offiziell gab es nie Gespräche über eine chinesische Beteiligung am einzigen deutschen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven, doch Staatsunternehmen haben bereits ihren Fuß in der Tür. Die neue rot-grüne Koalition will Verkäufe kritischer Infrastruktur künftig verhindern.
Herausforderungen: angeschlagene Wirtschaft und Konflikte
Doch natürlich bleiben bei Chinas Klimazielen viele Fragezeichen offen. Wenn sich die derzeit angeschlagene Wirtschaft nicht allmählich erholt, könnte die Regierung versucht sein, ihre Priorisierung der Umweltschutzmaßnahmen für ein höheres Wachstum zu opfern. Überhaupt steht Peking vor schmerzhaften Reformen, bei denen es darum geht, die energieintensive Volkswirtschaft nachhaltiger zu transformieren.
Zudem wird der globale Kampf gegen den Klimawandel massiv vom eskalierenden Konflikt zwischen Peking und Washington gelähmt. China hat schließlich seine Klimagespräche mit den USA prompt suspendiert, nachdem im August die Demokratin Nancy Pelosi Taiwan besucht hat. Auch im Umgang mit Europa könnte Peking künftig versuchen, die Klimakarte auszuspielen, um politischen Druck auszuüben.
Trotz aller Hindernisse scheint Chinas Staatsführung nach wie vor an seinen ambitionierten Zielen festhalten zu wollen. Und wenn man genauer hinschaut, kann man auch in der neuen Parteiführung einige Lichtblicke für die Zukunft beobachten: So hat es Ende Oktober der amtierende Bürgermeister Pekings ins mächtige Politbüro geschafft. Chen Jining hat an der berühmten Tsinghua-Universität Umwelttechnik studiert und unter Hochdruck die Hauptstadt grün und nachhaltig gestaltet. Je mehr Kader wie das von Chen an die Spitze des Machtapparats gelangen, desto tiefer wird die Klimapolitik des Landes in der Agenda des Landes verankert.