AfD zwischen Richtungsstreit und Konsolidierung: „Wir müssen geradlinig und wahrnehmbar sein“
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Werden sie das neue Spitzenduo? AfD-Parteichef Tino Chrupalla und Parteivize Alice Weidel auf dem Bundesparteitag in Riesa.
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Riesa. Der Bundesparteitag der AfD im sächsischen Riesa begann am Freitag wie alle Zusammenkünfte der Rechtspartei: Mit reichlich Verspätung, gefolgt von mehrstündigen Diskussionen über die Tagesordnung, gewürzt mit mehreren taktisch gut gesetzten Interventionen des Thüringer Landeschefs Björn Höcke. Der Rechtsextreme ließ geschickt offen, was genau sein Ziel auf dem Parteitag ist: Will er sich zu einer Art Chefideologen wählen lassen – oder strebt er doch in den Bundesvorstand?
Beim amtierenden AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla ist der Fall klar: Der 47-jährige Handwerksmeister aus der Lausitz will an der Spitze bleiben. Gewählt wird der neue Bundesvorstand am Samstag. Die Ansätze zu einer innerparteilichen Revolte gegen Chrupalla sind im Vorfeld des Parteitags größtenteils zusammengebrochen. Nach den Wahlniederlagen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen hatten mehrere Bundestagsabgeordnete den Parteichef scharf kritisiert.
AfD wählt neuen Vorstand auf dem AfD-Parteitag
Der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Norbert Kleinwächter, erklärte bereits zum Anfang, dass er gegen Tino Chrupalla kandidieren werde.
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Sein Herausforderer Norbert Kleinwächter bezeichnet sich selbst als „gemäßigt“. Der 36-jährige Brandenburger Bundestagsabgeordnete konnte jedoch keine schlagkräftige Mannschaft um sich sammeln, während Chrupalla ein zumindest regional ausgewogenes „Team Zukunft“ zusammengetrommelt hat. Inhaltlich haben die meisten seiner Ausgewählten keine Distanz zu den besonders radikalen Kräften in der Partei erkennen lassen. Sollte sich Chrupallas Liste am Samstag durchsetzen, wäre auch eine Richtungsentscheidung getroffen: Die AfD würde sich weiterhin als Bewegungspartei mit einem kurzen Draht zur Straße und rechten Vorfeldorganisationen aufstellen und in den Parlamenten mit harter Oppositionsrhetorik auffallen.
Chrupalla machte aus der Begrüßung der Delegierten bereits eine Art Bewerbungsrede. Es müsse ein neuer Bundesvorstand gewählt werden, der „kollegial und konstruktiv, vertrauens- und rücksichtsvoll“ zusammenarbeite. Es gehe jetzt darum, „die destruktive Stimmung der vergangenen Zeit hinter uns“ zu lassen.
Die AfD hat seit 2020 mehr als 4000 Mitglieder verloren und ist unter die Marke von 30.000 gerutscht. Zum Vergleich: Linke und FDP haben mehr als doppelt so viele Parteigänger. Das liegt nicht nur daran, dass die Mitgliederlisten von säumigen Beitragszahlern gereinigt wurden – viele scheinen einfach den Dauerstreit und die politische Perspektivlosigkeit sattgehabt zu haben.
Ex-Kanzlerin Merkel „respektiert“ Karlsruher Urteil zu AfD-Rechten
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte zuvor geurteilt, Merkel habe gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien verstoßen.
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„Wir müssen geradlinig und wahrnehmbar sein“, redete Bundestags-Fraktionschefin Alice Weidel den Delegierten ins Gewissen. Vor allem aber dürfe die Partei sich nicht weiter selbst zerlegen. „Machen wir doch einfach Schluss mit den nach außen getragenen Streitigkeiten“, forderte Weidel und bekam mit den lautesten Applaus des Tages.
In einer richtungsweisenden Entscheidung beschloss der Parteitag, dass die AfD in Zukunft auch von einem einzelnen Vorsitzenden geführt werden darf. Der Bundesparteitag stimmte einem Antrag des Thüringer Landeschefs Björn Höcke zu. Vor der Neuwahl des Bundesvorstands am Samstag müssen die Delegierten gesondert entscheiden, ob diese mit einer Einzel- oder Doppelspitze erfolgen soll.
Höcke sieht „Phase der Konsolidierung“ gekommen
„Wir kommen in eine Phase der Konsolidierung“, sagte Höcke. Eine Einzelspitze bedeute „Führung in Freiheit und Verantwortung auf Zeit“. Der Antrag erreichte mit 69 Prozent Zustimmung knapp die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit.
Die AfD wurde in ihrem kann zehnjährigen Bestehen bisher von Dreier- oder Doppelspitzen geführt. Mehrmals zerstritten sich die beiden Vorsitzenden. So war es bei Frauke Petry und Jörg Meuthen, Meuthen und Alexander Gauland und zuletzt bei Meuthen und Tino Chrupalla.
Seit März beobachtet der Verfassungsschutz die AfD bundesweit als rechtsextremen Verdachtsfall. Für die Einschätzung ist unter anderem relevant, wie groß der Einfluss der Rechtsaußenströmung um Höcke ist. Am Freitag sagte er am Rande des Parteitages, er fühle sich in Erfurt „sehr wohl“. Auf dem Podium warb er für einen auch von Chrupalla unterstützten Antrag zur Einsetzung einer Kommission zur Vorbereitung einer „Parteistrukturreform“. Die darin enthaltenen Vorschläge würden dem Gestaltungsspielraum der neu zu wählenden Parteispitze wohl engere Grenzen setzen als bisher und die Einflussmöglichkeiten der Landesverbände stärken.
„Wir müssen schlagkräftiger werden“, begründete Höcke seinen Vorschlag, der von den Delegierten mit einigem Applaus quittiert wurde. Die AfD brauche „effektivere Strukturen“, sagte der Parteirechtsaußen, dessen Landesverband in Thüringen als gesichert rechtsextremistische Bestrebung beobachtet wird.
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