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Corona-Auffrischimpfung: keine Panikmache, sondern die neue Realität

Eine Klinikmitarbeiterin zieht den Covid-19 Impfstoff von Biontech/Pfizer für eine Impfung auf eine Spritze.

Eine Klinikmitarbeiterin zieht den Covid-19 Impfstoff von Biontech/Pfizer für eine Impfung auf eine Spritze.

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Schon kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang 2020 machten Wissenschaftler auf die historische Zäsur aufmerksam, die mit dem Auftreten von SARS-CoV-2 verbunden ist: „Das Virus geht nicht mehr weg. Es gibt keine Rückkehr zu unserem alten Leben“, betonte zum Beispiel Richard Horton, langjähriger Herausgeber der weltweit wichtigsten medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“. Auch Lothar Wieler, damaliger Chef des Robert Koch-Instituts und „Cheferklärer“ der Pandemie, nutzte die Formulierung immer wieder. Nachdem dank der Impfungen das normale Leben zurückgekehrt ist und nur noch hier und da verblasste Plakate mit Abstandsregeln und Maskenvorschriften an die Pandemiezeit erinnern, ist man geneigt, diese Vorhersage zu verdrängen. Doch leider stimmt sie: Das Virus ist nicht weg, sondern höchst munter. Und unser altes Leben kommt nicht mehr zurück.

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Dabei ist die Lage zumindest auf den ersten Blick sehr entspannt: Die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach noch im Frühjahr 2022 befürchtete „Killervariante“ ist ausgeblieben. Vielmehr ist das eingetreten, was viele Wissenschaftler von Anfang an vorausgesagt hatten: Es setzen sich diejenigen Mutationen durch, die ansteckender sind, aber dafür leichtere Krankheitsverläufe verursachen. Genau das tut ein „kluges“ Virus, denn es will sich verbreiten und nicht zusammen mit seinem Wirt zu Grunde gehen.

Nichts deutet auf eine Rückkehr zu einer pandemischen Situation hin

Alle aktuellen Gesundheitsdaten weisen darauf hin, dass das Coronavirus für die große Mehrheit keine übermäßige Gefahr mehr darstellt. Derzeit sind lediglich 1,2 Prozent aller Intensivbetten mit Corona-Erkrankten belegt – in der Hochphase der Pandemie lag die Rate immerhin bei über 20 Prozent. Zwar steigen die Zahlen leicht, doch nichts deutet auf eine Rückkehr zu einer pandemischen Situation hin.

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Ist das Werben von Lauterbach für eine Auffrischimpfung von Risikogruppen also erneut Panikmache? Mitnichten. Mehrere Gründe sprechen dafür, dass eine Nachimpfung mit angepassten Vakzinen überaus sinnvoll ist – für den Einzelnen, aber auch für das Gesundheitswesen als Ganzes. Es wird zum einen dadurch belastet, dass es offenbar nach wie vor Nachholeffekte bei verschiedensten Viruserkrankungen gibt, was eine Folge der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie ist.

Auch wenn dieses Phänomen abnimmt, bleibt es jedoch dabei, dass künftig nicht nur Grippewellen durch das Land ziehen werden, sondern zusätzliche eben auch Corona-Wellen. Schon die Grippe allein war in früheren Jahren in der Lage, die Behandlungskapazitäten arg zu strapazieren. Kommt nun Corona hinzu, dürfte die Lage in den Arztpraxen noch angespannter werden.

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Der gewichtigste Grund ist allerdings, dass das Coronavirus gefährlicher bleibt als zum Beispiel die Grippe. Während diese in der Regel komplett ausheilt, hinterlässt SARS-CoV-2 nicht selten irreversible Schäden im Körper. Die genauen Zusammenhänge sind nach wie vor nicht vollständig klar, aber es gibt Hinweise darauf, dass Long Covid auch mit der Zerstörung von feinsten Blutgefäßen zu tun hat. Und es sind gerade die Älteren und Personen mit Vorerkrankungen, die nach einer Infektion unter Langzeitfolgen wie anhaltender Erschöpfung und Müdigkeit, Atembeschwerden, Gelenkschmerzen, Schlaf- und Angststörungen oder Depressionen leiden. Dass es dafür noch keinerlei Therapie gibt, spricht erst recht für eine Auffrischimpfung.

Der Minister selbst hat mit der eigenen Impfung seine Hausaufgaben aber noch nicht erledigt: Er muss endlich dafür sorgen, dass mehr Geld für die Long-Covid-Forschung zur Verfügung gestellt wird. Die Betroffenen dürfen mit ihren Problemen nicht allein gelassen werden.

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