Bundesamt für nukleare Entsorgung: Macrons Mini-AKW sind alter Wein in neuen Schläuchen
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Der Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), Wolfram König.
© Quelle: Foto: BASE/Cornelius Braun
Berlin. Wolfram König gilt als ausgewiesener Sicherheits- und Endlagerexperte. Er leitet seit 2016 das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Der 63-jährige Lübecker arbeitete zuvor über 18 Jahre als Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS).
Ihr Amt, Herr König, hat mit den Hinterlassenschaften von Atomkraftwerken zu tun. Die Atomenergie spielt in europäischen Klimaschutzdebatten verstärkt eine Rolle. Was hat sie mit Klimaschutz zu tun?
Die Atomenergie hat mit der nötigen Transformation der Energieversorgung im Zuge des Klimaschutzes zu tun. Sie hinterlässt Abfälle, die Generationen beschäftigen werden und die ein sehr hohes Gefährdungspotenzial besitzen. Aus dieser Fehlentwicklung sollten die Menschen lernen, wirklich nachhaltig Energien zu nutzen. Die Folgen der Atomenergie sind ökologisch, sozial und ökonomisch so groß, dass diese Energieform aus meiner Sicht nicht als nachhaltig gelten kann.
Die Endlagersuche, die Ihr Amt verantwortet, ist so ein Beispiel?
Weltweit hat noch niemand eine schlüssige und vor allem sichere Lösung für die nuklearen Abfälle realisiert. Der über Jahrzehnte in Deutschland favorisierte Salzstock Gorleben wird aus sicherheitstechnischen Gründen nicht mehr weiter verfolgt. Jetzt suchen wir weiter nach einem bestmöglichen Standort tief unter der Erde. Es ist ein schwieriger Prozess, der lange unterschätzt wurde. Also: Es gibt auch deshalb klügere Formen der Stromerzeugung.
In der EU-Kommission gibt es Bestrebungen, Investitionen in Atomkraft als nachhaltig einzustufen. Welche Folgen hätte das grüne Label auf dem Atomfass?
Die Erzeugung von Atomenergie ist nur durch Subventionen wirtschaftlich. Bei der aktuellen vor allem durch Frankreich forcierten Debatte geht es im Grunde genommen darum, ökonomische Bedingungen herzustellen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Denn was die Herstellungskosten angeht, sind die Erneuerbaren weitaus günstiger und zudem wirklich nachhaltig.
Was kann passieren, wenn Atomkraft plötzlich als grün eingestuft würde?
Wenn Atomkraft als grün eingestuft würde, besteht die reale Gefahr, dass sich der Markt entsprechend ausrichtet. Damit würden benötigte Innovationen und Investitionen in erneuerbare Energien möglicherweise nicht in gleichem Maße erfolgen. Das wiederum erschwert, erfolgversprechende Wege zur Klimaneutralität zu gehen. Wir sollten uns daran erinnern, warum Deutschland seine Atomkraftwerke schließt: Die eingesetzten Stoffe gefährden die Gesundheit und die Sicherheit einer Gesellschaft, und für die entstehenden strahlenden Abfälle hat unsere Generation selbst nach Jahrzehnten der Nutzung noch keine Lösung parat.
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Wolfram König, Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung.
© Quelle: Federico Gambarini/dpa
Ist der Ausstiegskonsens der deutschen Gesellschaft so gefestigt, dass es hier keine neue Atomdebatte gibt?
Die Atomdebatte wird spätestens seit den Vorstößen der EU-Kommission bereits geführt. Wir müssen uns immer wieder auch dieser Diskussion stellen und die Frage beantworten, warum der in Deutschland eingeschlagene Weg richtig ist und es keine bessere Alternativen gibt. Wer die Atomkraft wieder ins Spiel bringt, muss sich bewusst sein, dass der in der Bundesrepublik befriedete Großkonflikt wieder neu eröffnet werden könnte. Es gibt aber nicht eine Wahrheit, die für die Ewigkeit von uns definiert werden kann. Deshalb setzt sich unser Amt mit solchen Entwicklungen durch begleitende Untersuchungen auseinander. Festzuhalten bleibt: Aus fachlicher Sicht sind mir bislang keine Argumente bekannt, die zu einer Neubewertung führen könnten.
Der Glaube, dass wir durch Technik einfach weiterhin unseren Lebensstil beibehalten können, führt in die Irre.
Wolfram König,
Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE)
Große AKW zu bauen, dauert 20 Jahre – bringen also ohnehin nicht mehr für den Klimaschutz. Aber was ist mit den Minireaktoren, auf die Frankreich offenbar setzen will?
Die Reaktoren, die Frankreichs Präsident Macron protegiert, sind im Prinzip alter Wein in neuen Schläuchen. Die Konzepte werden vielfach seit mehr als 50 Jahren ventiliert. Die Wahrheit ist, man bräuchte davon Tausende, um allein die bestehenden Atomkraftwerke zu ersetzen. Auch wenn der Name niedlich klingt, die Folgen sind es nicht: Radioaktive Stoffe werden im Land verteilt, die Abfallmengen werden vergrößert und auch die Frage des Schutzes gegen terroristische Absichten stellt sich verschärft. All unsere Studien dazu sagen: Auch mit Mini-AKW geht es nicht in eine bessere Zukunft.
Länder, die wie Deutschland ausgestiegen sind, müssen jetzt beweisen, dass Klimaschutz trotz schnell steigenden Energiebedarfs auch ohne Atomtechnologie funktioniert?
Die Klimadiskussion fordert weltweit alle heraus. Allen muss dabei klar sein, dass die vor uns stehende Transformation nicht allein technisch zu lösen ist. Der Glaube, dass wir durch Technik einfach weiterhin unseren Lebensstil beibehalten können, führt in die Irre. Wir brauchen das Verständnis und die Akzeptanz der Menschen für eine grundlegende Verhaltensänderung – und den Mut der Verantwortlichen, dieses auch zu benennen.