So reagieren russische Medien auf den Anschlag in Moskau
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Ermittler sichern Spuren an dem Ort des Anschlags auf Darja Dugina. Für die russischen Medien scheint die Lage indes klar: Sie machen die Ukraine für das Attentat verantwortlich.
© Quelle: IMAGO/ITAR-TASS
Moskau. Es ist ein Schock, der Russland tief trifft: Der tödliche Anschlag auf Darja Dugina, die Tochter des rechtsextremen Politologen und Philosophen Alexander Dugin, ist nach wie vor die Hauptmeldung in vielen russischen Medien.
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Schon bevor der russische Inlandsgeheimdienst FSB am Montagnachmittag mitteilte, dass aus seiner Sicht „das Verbrechen von ukrainischen Geheimdiensten vorbereitet und begangen wurde“, versuchte die staatsnahe Presse in Russland Kiew die Täterrolle zuzuschieben: Die auflagenstarke Boulevardzeitung „Komsomolskaja Prawda“ etwa fragte: „Warum war es notwendig, das Auto in die Luft zu jagen? Warum wurde der ukrainische Geheimdienst sofort verdächtigt?“ Schließlich sei Alexander Dugin, dem der Anschlag höchstwahrscheinlich gegolten habe, ein Intellektueller, seine Tochter eine Politologin und Philosophin gewesen. Die zwei hätten nicht besonders viel Geld gehabt, keine politische Macht und keinen Zugang zum Kreml. Warum sie also töten?
Die Antwort ließ das Blatt den kremlnahen Politologen Sergej Markow geben. Dieser meint, dass die zunehmende Anzahl von Explosionen auf der Krim, verstärkte Sabotage und nun der Anschlag auf Dugina alles Glieder derselben Kette seien. Die Verursacher wollten der Nato beweisen, dass die Streitkräfte der Ukraine Russland Schaden zufügen könnten, um so mit noch mehr westlichen Waffen versorgt zu werden.
„Wie der Beschuss des Kernkraftwerkes Saporischschja“
Dass der Kiewer Präsidentenberater Mychajlo Podoljak die Urheberschaft der Ukraine für den Anschlag abgestritten habe, belege noch lange nicht, dass das Land nicht doch hinter dem Attentat stehe, suggeriert die „Komsomolskaja Prawda“ weiter und führt hierzu Bohdan Bezpalko an, der dem russischen Rat für interethnische Beziehungen angehört. Der meint laut der Zeitung, dass die Ukraine ihre militärische Unterstützung verlieren könnte, wenn ihr politische Attentate nachgewiesen würden. Denn der Westen werde seine Waffenlieferungen einstellen, wenn er befürchten müsse, dass damit friedliche Ziele angegriffen würden.
Die traditionsreiche Tageszeitung „Iswestija“ zitierte eine anonyme Quelle der russischen Ermittlungsbehörden, die den ukrainischen Geheimdienst als Verdächtigen ansehen würden. Das Motiv hinter dem Anschlag seien die politischen Aktivitäten der Dugins gewesen. Die „Iswestija“ ließ auch Marija Sacharowa zu Wort kommen, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, die auf ihrem Telegram-Kanal geschrieben hatte: „Wenn sich die ukrainische Spur bestätigt (…), dann müssen wir darüber reden, dass das Kiewer Regime eine Politik des Staatsterrorismus verfolgt.“ Dass die Ukraine im Zusammenhang mit dem Attentat beschuldigt werde, sei nicht unbegründet, so Sacharowa.
Auch im staatlichen Fernsehsender „Perwij Kanal“ wurde der These, dass die Ukraine den Anschlag auf Dugina verübt habe, schnell reichlich Raum eingeräumt: „Die Logik sagt mir, dass der gestrige Vorfall der fortgesetzte Versuch der Kiewer Behörden ist, uns einzuschüchtern“, spekulierte Anatolij Kusitschew, Moderator der Polit-Talkshow „Wremja pokaschet“ („Die Zeit wird es zeigen“), in der russischen Hauptnachrichtensendung am Sonntagabend munter drauflos. „Das gehört doch in dieselbe Kategorie wie der Beschuss des Kernkraftwerkes Saporischschja, die physische Liquidation der Verwaltung in den befreiten Gebieten, und so weiter.“
Moskau: Tochter von rechtem Ideologen Dugin bei Autoexplosion getötet
Nach Angaben russischer Ermittler war unter dem Auto auf der Fahrerseite ein Sprengsatz befestigt. Dugina starb noch am Unfallort.
© Quelle: Reuters
Zweifel an der „Operation Ponomarjow“
Wer in Russland etwas über die inzwischen aufgetauchte These erfahren wollte, dass der Anschlag auf Dugina von einer russischen Untergrundbewegung namens „Nationale Republikanische Armee“ verübt wurde, der musste sich an die unabhängigen Medien wenden. Unter dem Titel „Operation Ponomarjow“ berichtete das Exil-Nachrichtenportal „Nowaja Gazeta.eu“ über das Video, das der Ex-Duma-Abgeordnete und Putin-Feind Ilja Ponomarjow am Sonntagabend auf seinem Youtube-Kanal „Morgen des Februars“ veröffentlicht hatte. In dem Clip beklatscht der 47-Jährige die Tat, die er der bislang unbekannten Widerstandsbewegung gegen den Kreml zuweist: „Es gibt gute Russen, und es gibt sogar exzellente Russen“, sagte Ponomarjow. „Gestern sind sie zur Tat geschritten.“
Das habe er auf seinem Telegram-Bot „Rozpartisan“ von den Widerstandskämpfern aus erster Hand erfahren, mit denen er schon seit Monaten in Kontakt stehe und die schon mehrere Aktionen ausgeführt hätten, so der Dissident, der nach Kiew geflüchtet ist.
Die „Nowaja Gazeta.eu“ äußerte allerdings starke Zweifel an Ponomarjows Darstellung: „Es ist schwer vorstellbar, dass ein solcher Brand auf dem Territorium Russlands über Monate hinweg angefacht wird, ohne dass die Täter von den Geheimdiensten unterwandert werden.“
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