Hohe Verluste auf beiden Seiten

„Am Ende könnte die Masse der Soldaten entscheiden“: Wie viele Ukrainer kämpfen noch?

Ein ukrainischer Soldat sitzt am Rande einer Straße in Irpin.

Ein ukrainischer Soldat sitzt am Rande einer Straße in Irpin.

In der Ukraine wird Transparenz großgeschrieben. Auf der Website Pro Zorro werden Informationen zu kommunalen und staatlichen Ausschreibungen für jeder­mann zugäng­lich gemacht. Doch seit Kriegsbeginn fehlen dort die Angaben aus dem Verteidigungs­ministerium. Zu groß ist die Angst, dass beispielsweise aus den Zahlen der bestellten Brote und Kartoffeln Schluss­folgerungen auf die Truppenstärke der Ukraine gezogen werden könnten.

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Wie viele Soldaten für die Ukraine und für Russland kämpfen und wie viele verwundet und getötet wurden, ist streng geheim. Dass diese Zahlen nicht veröffentlicht werden, hat gleich mehrere Gründe. Einerseits versuchen beide Seiten, die eigenen Kosten des Krieges zu verschleiern. Zu groß ist die Gefahr, dass der Rückhalt in der Bevölkerung schwindet. Gleichzeitig gilt es durch eine Verschleierung der Todeszahlen in den eigenen Reihen die Demoralisierung der Streitkräfte zu verhindern.

Zu Beginn 260.000 ukrainische Soldaten

Trotzdem lässt sich anhand der unterschiedlichen Schätzungen ein grobes Bild ermitteln. „Zu Beginn des Krieges waren es etwa 260.000 Soldaten, also weit mehr als auf russischer Seite“, sagt Gardekommandant Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer. „Die Ukrainer haben in acht bis zehn Mobilisierungs­wellen Hunderttausende Soldaten mobilisiert“, so der Militärexperte im Gespräch mit dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND). Die Armee kann somit auf etwa 900.000 Reservisten und Reservistinnen zurückgreifen. Gleichzeitig muss man bedenken, dass nicht alle Soldaten zeitgleich kämpfen, sondern die Einsätze rotieren und es Erholungspausen nach einem Einsatz gibt. Außerdem kommen noch freiwillige Kämpfer aus dem Ausland hinzu, über die kaum etwas bekannt ist. Zu Beginn des Krieges sollen sich 20.000 Fremden­legionäre gemeldet haben.

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Allerdings gibt es nicht nur auf russischer Seite, sondern auch auf ukrainischer Seite massive Verluste. Erst in dieser Woche hatte der „Spiegel“ berichtet, dass der deutsche Auslands­nachrichtendienst Sicherheits­politiker und ‑politikerinnen des Bundestags in einer geheimen Sitzung darüber informierte, dass die ukrainische Armee bei Kämpfen um Bachmut täglich eine dreistellige Zahl an Soldaten verliere.

Wie viele Tote und Verwundete gibt es in der Ukraine?

Zuvor hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj von einer hohen zweistelligen Zahl gesprochen, für Kämpfe in der gesamten Ukraine. Im Juni hieß es, dass zwischen 60 und 100 Soldaten getötet und bis zu 500 verletzt würden. Mychailo Podoljak, ein hochrangiger Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, legte im Dezember neue Schätzungen des ukrainischen Generalstabs offen. „Diese reichen von 10.000 bis 13.000 Toten“, sagte er. Selenskyj werde die genauen Zahlen nennen, „wenn der richtige Moment gekommen ist“.

Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht. Beobachter glauben aber, dass diese Zahlen viel zu gering sind. Westliche Militärs gehen von deutlich mehr Toten und Verletzten aus. US-Generalstabschef Mark Milley hatte im November geschätzt: „Wir haben es mit weit über 100.000 getöteten oder verwundeten russischen Soldaten zu tun.“ Der ranghöchste militärische Berater von US-Präsident Joe Biden betonte: „Dasselbe gilt wahrscheinlich auch für die ukrainische Seite.“ Auch Militärexperte Reisner verweist im Gespräch mit dem RND auf Milleys Schätzung. „Ich halte sie für realistisch“, sagt Reisner dem RND. Er geht davon aus, dass die ukrainische Seite aber noch genügend Soldaten habe, um ihre Verteidigungs­stellungen zu besetzen.

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Probleme bei Rekrutierung neuer Soldaten

„Wir sehen aber schon jetzt, dass es Probleme bei der Rekrutierung neuer Soldaten gibt“, warnt Reisner. Etwa 44 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen leben in der Ukraine, doch rund acht Millionen von ihnen haben nach Angaben des UNHCR das Land verlassen. In Russland stehen mit etwa 144 Millionen Einwohnern deutlich mehr Menschen für eine potenzielle Mobilmachung zur Verfügung. Zwar ist das Mobilisierungs­potenzial in der Ukraine wesentlich geringer als in Russland, sagt Reisner, dafür ist aber die Moral der Ukrainer wesentlich höher. „Am Ende könnte aber die Masse der Soldaten entscheidend sein.“ Womöglich kann die Ukraine dies aber durch die Hilfe der USA kompensieren, zum Beispiel durch laufend exakte Zielaufklärung und moderne Waffen.

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