Wohnkomplex in Essen ausgebrannt: Warum hat sich das Feuer so schnell ausgebreitet?
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Die Feuerwehr löscht weiterhin den ausgebrannten Wohnkomplex in Essen.
© Quelle: Bernd Thissen/dpa
Essen. Kurz nach Mitternacht bricht in einem Essener Wohnkomplex ein Feuer aus. Wenig später steht das ganze Gebäude in Flammen. Am Montagvormittag waren zwar die größten Flammenherde gelöscht, es kam aber immer wieder zu kleinen Brandausbrüchen, erklärte Mike Filzen, Pressesprecher der Essener Feuerwehr, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) am Montagvormittag.
Die Ursache des Feuers ist noch nicht bekannt – auch weil das Gebäude durch die Flammen schwer beschädigt wurde. „Es ist fraglich, ob der Wohnkomplex überhaupt noch einmal betreten werden kann“, sagte Filzen. Es besteht Einsturzgefahr. Das behindere nicht nur die Nachlöscharbeiten, sondern auch die Ermittlungen zur Brandursache. „Wir kommen nur von außen ran“, betonte der Feuerwehrsprecher. „Das kann im Inneren immer wieder aufflammen.“
Feuerwehr meldet „Feuer aus“
In der Nacht zum Dienstag haben Feuerwehrleute mehrfach mit einer Wärmebildkamera kontrolliert, ob etwas aufglimmt, wie ein Sprecher der Feuerwehr am Dienstagmorgen schilderte. Immer wieder seien kleine Glutnester aufgetaucht, die gelöscht worden seien. Gegen 7 Uhr hätten die Einsatzkräfte dann „Feuer aus“ gemeldet, sagte der Sprecher. Damit werde die Einsatzstelle der Kriminalpolizei übergeben.
Die Brandstelle sei aufgrund der Einsturzgefahr noch nicht betretbar, sagte eine Polizeisprecherin am Dienstagmorgen. Im Laufe des Tages werde geprüft, ob ein neuer vierbeiniger Polizei-Roboter mit Kamera den Brandort erkunden soll.
Schadenshöhe noch unbekannt
Zur Schadenshöhe seien Aussagen noch nicht möglich, da auch die Brandsachverständigen noch nicht ins Gebäude könnten. 35 Wohnungen brannten nach einer ersten Bilanz der Stadt völlig aus, weitere wurden beschädigt. 128 Menschen verloren ihre Wohnung.
Feuerwehrsprecher: „Brandgeschehen hatte eine dramatische Dynamik“
Der Gebäudekomplex sei etwa zehn Jahre alt. „Die massive Brandausbreitung hat alle Einsatzkräfte sehr überrascht. Das Brandgeschehen hatte eine dramatische Dynamik“, sagte Filzen dem RND. Er sei schon lange Feuerwehrmann, etwas Vergleichbares habe er aber noch nicht erlebt.
Warum das Feuer sich so schnell ausbreiten konnte, müsse nun ermittelt werden. Filzen, der sich am Morgen selbst vor Ort über den Einsatz informierte, und seine Kollegen haben aber schon erste Vermutungen: „Der starke Wind wird das Feuer immer wieder angefacht haben. Zudem sind die Balkonabtrennungen und die Rollläden aus Kunststoff. Wenn die Feuer fangen, springen die Fensterscheiben und die Wohnungen gehen durch den Wind in Flammen auf. Wir vermuten, dass das Feuer von der einen Seite rein, durch die Wohnungen, und dann auf der anderen Seite wieder herausgekommen ist“, sagte der Sprecher.
Das Feuer in dem Wohnkomplex habe sich von einem Balkon aus ausgebreitet, teilte die Feuerwehr offiziell mit. Das in der Nacht wütende Sturmtief „Antonia“ sorgte dann offensichtlich dafür, dass sich das Feuer rasend schnell über die im Wind liegende Fassade und Balkone ausdehnte.
Brandsperren sollen schnelle Ausbreitung eigentlich verhindern
Moderne Gebäuden haben Brandsperren, die eine schnelle und großflächige Brandausbreitung verhindern sollen. Laut Filzen habe auch der abgebrannte Wohnkomplex solche Sperren gehabt. Warum es dennoch zu einer derartigen Ausbreitung kommen konnte, sei ebenfalls Bestandteil der Ermittlungen.
Dabei in den Fokus rücken könnte laut Filzen die Dämmung der Außenfassade. Das Gebäude mit einer Fassadenlänge von etwa 65 Metern mit viereinhalb Geschossen sei mit einer Wärmedämmverbundfassade ausgestattet.
180 Menschen in Notunterkunft untergebracht – nur drei Verletzte
Der Großbrand betreffe 39 Wohnungen, teilte die Vivawest Wohnen GmbH mit. Das Unternehmen sagte den rund 100 Mietern der abgebrannten Wohnungen Unterstützung zu. „Wir sind tief betroffen und wünschen den verletzten Mietern baldige Genesung“, sagte Uwe Eichner, Vorsitzender der Geschäftsführung.
Bei dem Brand waren drei Menschen verletzt worden. Nach Angaben von Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU), die Feuerwehrsprecher Filzen gegenüber dem RND bestätigt, wird niemand vermisst. Drei Menschen wurden wegen einer Rauchgasvergiftung behandelt. Ihnen gehe es aber gut, sagte Filzen: „Es ist schon fast ein Wunder, dass nicht mehr passiert ist.“
180 Menschen sind kurzzeitig in einem benachbarten Hörsaalzentrum untergebracht worden. Dazu gehörten Kinder, Ältere, Menschen im Rollstuhl, „der komplette Altersquerschnitt“, sagte der zuständige Abschnittsleiter Betreuung, Sebastian Smitmans, von den Maltesern. Nicht nur die Bewohnerinnen und Bewohner des abgebrannten Wohnkomplexes, sondern auch Teile umliegender Häuser wurden evakuiert.
Wohnungsgesellschaft bietet Wohnungsalternativen
Die meisten Menschen, die ihre Wohnung durch das Feuer verloren haben, besorgten sich im Laufe des Montags selbst eine Unterkunft. Wer nicht privat unterkam, dem hatte die Wohnungsgesellschaft Vivawest als Eigentümerin des Komplexes Hotelzimmer und langfristig die Vermittlung von Ersatz- oder Übergangswohnungen angeboten.
RND/nis mit dpa