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Keine Mutter- und Vatertagsgeschenke

Streit um Elternbrief einer hessischen Kita eskaliert: Erzieherinnen und Erzieher werden beschimpft und bedroht

Der Dialog rund um den Elternbrief der Kita in Amöneburg läuft laut Bistum Fulda bereits.

Der Dialog rund um den Elternbrief der Kita in Amöneburg läuft laut Bistum Fulda bereits.

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Amöneburg. Erzieherinnen und Erzieher einer katholischen Kindertagesstätte im hessischen Amöneburg werden nach dem Versenden eines Elternbriefes beleidigt und bedroht. Die Kita im Landkreis Marburg-Biedenkopf teilte in dem Schreiben mit, dass die Erziehungskräfte mit den Kindern keine Geschenke zum Muttertag und Vatertag basteln werden. Die Einrichtung verwies dabei auf Diversität und stereotypische Geschenke. „In der heutigen Zeit, in der die Diversität einen immer höheren Stellenwert erhält, möchten wir diese vorleben und keinen Menschen ausschließen“, hieß es in dem Elternbrief der Kita im Ortsteil Mardorf vom vergangenen Freitag.

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Der Elternbrief der Kita.

Der Elternbrief der Kita.

Wie die „Oberhessische Presse“ (OP) berichtete, führte der Brief zu Beleidigungen und Drohungen am Telefon und in sozialen Netzwerken. Am Montagmorgen kam es zudem zu einer Sachbeschädigung. Das Kita-Team entdeckte Glasscherben auf dem Gelände, die Scheibe einer Gartenhütte war zerstört worden. Ob ein Zusammenhang mit dem Elternbrief besteht, war allerdings unklar, schrieb die „OP“ unter Berufung auf die Polizei. Am selben Tag fanden Polizeibeamte ein Absperrband, mit dem das Gelände wohl symbolisch abgesperrt werden sollte.

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Familienvater ist „absolut fassungslos“

Die Erzieherinnen und Erzieher seien geschockt, sagte ein 37‑jähriger Vater zweier Kinder, die in der Einrichtung betreut werden. „Denen geht es nicht gut“, erklärte er der „OP“. Der Familienvater sei „absolut fassungslos“ darüber, welche Empörung der Brief ausgelöst hat. Das Telefon der Kita habe nicht mehr stillgestanden. Es habe reihenweise Drohanrufe gegeben. Erzieherinnen und Erzieher sollen auf übelste Weise beschimpft und beleidigt worden sein, berichtete der Mann der Zeitung.

„Es wird ja nicht das Basteln verboten. Es wird nur nicht zentral ein Geschenk für alle Mamas oder Papas gebastelt. Wenn die Kinder hier sagen, sie wollen etwas für Mama oder Papa basteln, wird ihnen das niemand verbieten“, sagte der 37‑Jährige. Einige Erziehungskräfte hätten nun Angst, mit den Kindern in den Garten zu gehen. Dies hänge auch damit zusammen, dass Boulevardzeitungen und Kamerateams bereits in den Morgenstunden versuchen würden, Statements von den Kita-Kräften und Eltern zu bekommen.

CDU-Politiker Kuban teilt Kontaktdaten der Kita

Dass die Entscheidung der Kita in der Kleinstadt mit etwa 5000 Einwohnerinnen und Einwohnern überhaupt bundesweites Interesse erlangte, ist wohl den sozialen Netzwerken geschuldet. Hundertfach wurde der Elternbrief auf Facebook und Twitter geteilt – meist ungeschwärzt, mit Adresse und Telefonnummer der Kita. So verbreitete auch der CDU‑Bundestagsabgeordnete Tilman Kuban das Schreiben am Montag auf Twitter inklusive der Kontaktdaten und schrieb dazu: „Dem Wahnsinn sind keine Grenzen mehr gesetzt.“ Später löschte er seinen Tweet und erneuerte ihn, sodass Adresse und Telefonnummer nun nicht mehr zu erkennen waren.

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Der Kreisvorsitzende der Freien Wähler Marburg-Biedenkopf, Gökhan Özdemir, sprach auf Facebook von einer „kranken Ideologie“. Die „Bild“-Zeitung titelte online „katholische Kita in Hessen knallhart woke“. Die Minderheit stellte sich hinter die Entscheidung der Kita. Die Bundes­tags­abgeordnete Nina Stahr (Grüne) entgegnete Kuban auf Twitter: „Ich finde es auch ziemlich cool, wenn kein Kind traurig danebensitzen muss, während alle anderen basteln, weil es eben nicht bei der Mutter aufwächst, die womöglich nicht mal mehr da ist.“ Kuban wisse „doch null, wie die Situation in dieser Kita aussieht“.

Kita entschuldigt sich – Träger will keine Schuldzuweisungen liefern

Die Kita reagierte auf die heftige öffentliche Kritik. In einem weiteren Elternbrief, der bereits am vergangenen Sonntag angefertigt worden sein soll, baten die Erzieherinnen und Erzieher die Eltern um Entschuldigung für „einige Irritationen“, die der erste Brief hervorgerufen habe, wie die „Oberhessische Presse“ berichtete. Die Kita habe ein katholisches Profil und setze sich für das christliche Familienbild ein.

Der Träger, das Bistum Fulda, erklärte in einem Statement: „Eine missverständlich und damit falsch formulierte Begründung ließ bei einigen Adressaten offenbar Zweifel am Familienbild der Kita aufkommen.“ Die Kindertagesstätte und das Bistum Fulda bedauerten die Irritationen und Missverständnisse, die durch das Schreiben entstanden seien.

Jetzt stehe die Frage im Vordergrund, wie sich die Situation normalisieren lasse, betonte ein Bistumssprecher gegenüber der „OP“. „Wir schauen nach vorne und suchen gemeinsam – also mit Erzieherinnen und Erziehern, Elternbeirat, Elternschaft und Verwaltungsrat – nach Lösungen, um die Situation für die Kinder und die Kita wieder zu normalisieren“, sagte er. Es sei zeitnah eine gemeinsame Zusammenkunft geplant. Eine Sache sei dem Bistum dabei wichtig: „Wir wollen keine Schuldzuweisungen liefern, wir wollen zuerst die Normalisierung für die Kinder“, so der Sprecher zur „OP“.

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Bürgermeister will Situation nicht kommentieren

Der Bürgermeister der Stadt Amöneburg, Michael Plettenberg (parteilos), wollte sich zu der Situation rund um die Kita nicht äußern. „Das ist aus Sicht der Stadt nicht zu kommentieren, weil es um eine pädagogische Angelegenheit geht, was Sache des Trägers Kirchengemeinde ist“, sagte Plettenberg. Auch wenn es um einen Fall von unglücklicher Kommunikation gehe, sei das seitens der Stadt nicht weiter zu bewerten.


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