Lützerath und die Macht der Bilder
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Die Klimaaktivistinnen Luisa Neubauer (links) und Greta Thunberg nehmen an einer Demonstration bei Lützerath unter dem Motto „Räumung verhindern! Für Klimagerechtigkeit“ teil.
© Quelle: Oliver Berg/dpa
Es sind sehr gegensätzliche Welten, in denen sich Luisa Neubauer in diesen Tagen bewegt.
„Nachdem wir in Lützerath durch schmutzigen Matsch gelaufen sind, schauen wir jetzt in Davos zu, wie schmutzige Geschäfte gemacht werden“, sagte sie beim Weltwirtschaftsforum in der Schweiz. In dem noblen Skiort treffen sich jedes Jahr einige der mächtigsten Frauen und Männer der Welt.
Vor einer Woche wurde sie von drei Polizisten aus der Pampe von Lützerath weggetragen, in verschlammter Outdoorhose und mit einem durchweichten Pappschild in der Hand, die Worte „schützen“ und „stoppen“ konnte man gerade noch so lesen.
Zwischen Davos und Lützerath saß sie bei Anne Will, kritisierte den Polizeieinsatz als „völlig unverhältnismäßig“ und in „keiner Weise professionell“.
Und seit gestern wird in der Klatschpresse darüber diskutiert, ob ihr neuer Lebensgefährte, Wills ARD-Kollege Louis Klamroth, seinem Arbeitgeber seine Beziehung zu Neubauer hätte frühzeitiger mitteilen müssen.
„Genug ist genug“: Greta Thunberg und Luisa Neubauer protestieren in Davos
Die Klimaaktivisten rund um die schwedische Initiatorin von Fridays for Future hoffen, dass ihre Stimme auch auf dem Weltwirtschaftsforum gehört wird.
© Quelle: Reuters
Anti-Neubauer-Kampagne
Neubauer, so scheint es, ist derzeit präsent wie lange nicht. Als bekannteste deutsche Klimaschützerin nutzt sie ihre Prominenz seit Jahren, um vor der Klimakrise zu warnen – vor allem über die sozialen Medien. Ihre gesammelten Protestbilder aus Lützerath bekamen mehr als 40.000 Likes auf Instagram.
Nach den teils gewalttätigen Anti-Braunkohle-Demonstrationen wird sie nun vor allem vom Boulevard attackiert, die „Bild“-Zeitung bezeichnete sie als „PR-Maschine“ und zitierte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul mit den Worten, sie sei bei den Protesten „bei den Radikalen“ gewesen. Die „Bild“ war es auch, die den privaten Nebenschauplatz Klamroth aufmachte.
Dabei sind es vor allem Bilder und Videos aus Lützerath, ihre mediale Präsenz, an denen die Neubauer-Gegner ihre Kritik aufhängen. Neubauer, wie sie in einer Gruppe mit Greta Thunberg und anderen Demonstrierenden hin und her geschubst wird. Neubauer, wie sie ein Buch in die Kamera hält. Neubauer, wie sie weggetragen wird, ihr Pappschild und ihr Gesicht reflektieren dabei einen Lichtkreis.
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Luisa Neubauer wird von Polizisten während einer Sitzblockade weggetragen. Das Licht, das das Gesicht von Luisa Neubauer erhellt, stammt vom Schweinwerfer eines Polizeiautos.
© Quelle: Federico Gambarini/dpa
„Bestens ausgeleuchtet oder mit Photoshop nachgeholfen? Hauptsache hoher Aufmerksamkeitsfaktor“ twitterte Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hämisch zu dem Bild.
Die Nachrichtenagentur dpa kommentierte seinen Post: „Zur Erläuterung: Das Licht kommt von einem Polizei-Mannschaftswagen, der in der Nähe stand.“ Von Scheuer kam kein Wort der Entschuldigung.
Dennoch blieb der Vorwurf der Inszenierung hängen.
Neubauer steht wie keine andere Person für die Klimaschutzbewegung in Deutschland. Je lauter sie für ihr Anliegen trommelt, desto lauter wird sie bekämpft. Von Medien, die über „Klima-Chaoten“ schimpfen, von einem Verkehrsminister, dem in seiner Amtszeit eher die Maut als der Umweltschutz am Herzen lag. Dazu kommen die Trolle in den sozialen Medien.
Selbstbewusste Klimageneration
Auf ihrem Twitter-Profil hat Neubauer ihre Aufzählung in die Liste von 100 weltweit „aufstrebenden Stars“ des US-amerikanischen Magazins „Time“ ganz oben festgepinnt. Auf Instagram verlinkt sie Podcastauftritte, macht Werbung für ihr neuestes Buch.
Neubauer ist zu einer Marke geworden – doch es waren auch die Medien, die sie dazu gemacht haben. Die eine deutsche Galionsfigur neben der Fridays-for-Future-Initiatorin Greta Thunberg suchten, die gerne darüber berichten, wenn Neubauer wie zuletzt ihre eigene Partei, die Grünen, kritisiert.
Und die anhand von Neubauer den Klimaprotest personalisieren, die Geschichte der neuen, selbstbewussten Fridays-for-Future-Generation am besten erzählen können.
Dass Neubauer sich in diesem Prozess professionalisiert hat, die Aufmerksamkeitsökonomie zunehmend beherrscht und für sich zu nutzen weiß, ist eine logische Konsequenz.
Gemischte Gefühle bei Fridays for Future
Aus der Fridays-for-Future-Bewegung ist zu hören, dass die Fokussierung auf einzelne Personen sowohl Vor- als auch Nachteile bringe. So sagt Pauline Brünger, eine Sprecherin der Gruppe, gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), dass die Bewegung von der „großen medialen Strahlkraft“ Neubauers profitiere. „Das ermöglicht uns Zutritt zu vielen neuen Räumen.“ Andererseits verdeckten prominente Figuren auch den Blick „auf viele andere Gesichter und Geschichten, die weniger sichtbar sind“ – aber genauso für den Erfolg der Gruppe verantwortlich seien.
Diesen Umstand lastet sie nicht Neubauer an, sondern der Fokussierung der Medien. Brünger, die ebenfalls Teil der Blockade war, aus der Neubauer entfernt wurde, berichtet, dass fast alle Aktivisten und Aktivistinnen von Polizisten weggetragen worden seien. „Bei anderen hatte es aber keinen Nachrichtenwert.“
Nach Angaben des Sprechers von Luisa Neubauer nahmen auch die Influencerin Louisa Dellert, der Bundesvorsitzende von Greenpeace, Martin Kaiser, sowie weitere bekannte Künstlerinnen und Aktivisten an der Blockade der Lützerather Zufahrtsstraße teil.
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Luisa Neubauer posiert in Lützerath mit den Fridays-for-Future-Aktivistinnen Julia Wischnewski, Pauline Brünger und Mia Hense (von links nach rechts).
© Quelle: David Young/dpa
Mit dem Philosophiebuch auf die Demo
Zur Wahrheit gehört, dass Neubauer in den letzten Tagen teils unglücklich agiert hat. Bei Anne Will warf sie der Polizei erst große Verfehlungen und Gewalt vor, musste dann aber zurückrudern, als Will sie fragte, ob sie denn persönlich gesehen habe, dass Demonstrierenden auf den Kopf geschlagen worden sei. Neubauer hatte stets auf Bilder in den sozialen Medien sowie den Berichten einer Sanitäterin verwiesen. Später nahm diese ihre harschen Einschätzungen zurück.
Dazu wirken Bilder wie jenes aus Lützerath, auf dem sie ein Buch des deutsch-amerikanischen Philosophen Hans Jonas in die Kamera hält, tatsächlich inszeniert und deplatziert im Kontext einer umkämpften Demo.
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Neubauer hätte sich öffentlich zudem klarer gegen die Gewalt rund um Lützerath – auch von Seiten der Aktivisten – positionieren können. Etwa in ihrem Twitter-Thread zum Polizeieinsatz, in dem sie lediglich verallgemeinert, dass man „Gewalt gegen Menschen explizit ablehnt“.
Und durch ihre Teilnahme am zivilen Ungehorsam hat sie es zumindest darauf ankommen lassen, dass dieses ikonisches Foto von ihr entstand, wie sie als prominenteste Proteststimme über den Matsch getragen wurde.
Soziale Medien sind für Aktivisten essenziell
Neubauer weiß, dass sie die Bilder von sich an der Basis aus Lützerath zur Mobilisierung der Klimaschutzbewegung braucht. Die linke Aktivistin und Medientrainerin Emily Laquer – selbst Zielscheibe der „Bild“-Zeitung – bezeichnet den Einsatz von sozialen Medien gegenüber dem RND als „Notwehr von Aktivistinnen gegen die Medienmacht der Grünen und von RWE“. Die eigene Pressearbeit, das Filmen und Fotografieren und das Fotografiertwerden seien zentral für den Schutz vor Gewalt durch Polizisten, sagt sie.
Zudem könnten die Bilder, die von den Aktivisten und Aktivistinnen verbreitet würden, eine große Wirkkraft entfalten. „Die Basis unserer Bewegung sind die unbestreitbaren Fakten über den menschengemachten Klimawandel. Damit diese Fakten gehört werden, müssen sie verbunden werden mit echten Gefühlen, starken Bildern und Menschen wie Luisa Neubauer, Greta Thunberg und vielen anderen.“
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· Überschrift: Klima-Check
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Greta und die netten Polizisten
Auch der Ikone der Umweltbewegung selbst, Greta Thunberg, warfen Kritiker im Rahmen der Lützerath-Proteste Selbstdarstellung vor, nachdem sie von Polizisten weggetragen wurde. So kursierte ein Video, in dem sie zwischen den Beamten steht und sich scheinbar unbehelligt und feixend fotografieren lässt.
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Ein Sprecher der Polizei Aachen beeilte sich, den Vorwurf zurückzuweisen. Zu der Szene sei es gekommen, als Thunberg zusammen mit anderen Klimaaktivisten nahe der Abbruchkante demonstriert habe. Um ihre Personalien festzustellen, seien alle Mitglieder der Gruppe „kurzzeitig in Gewahrsam genommen worden“.
In dieser Situation wurde Thunberg von Journalisten und Journalistinnen fotografiert. Dies zuzulassen, sei ein Gebot der Pressefreiheit, sagte der Polizeisprecher. Und musste sich seinerseits von Inszenierungsvorwürfen distanzieren: Die Polizisten, versicherte er, hätten definitiv nicht mit der Aktivistin „posiert“.