Bestürzung nach tödlichem Schuss: Frankreich diskutiert über die Jagd
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Ein Jäger in Lauragais in Frankreich stellt ein Hinweisschild auf eine Wildschweinjagd auf. (Archivfoto)
© Quelle: picture alliance / abaca
Paris. Es sollte ein simpler Nachmittagsspaziergang an der Seite ihres Freundes sein, doch eine 25-Jährige überlebte ihn nicht. Die junge Frau ist am Samstag auf einem Wanderweg im Örtchen Cassaniouze in Zentralfrankreich von einem Schuss aus dem Gewehr einer 17-Jährigen getötet worden, die sich an einer Wildschweinjagd beteiligt hatte. „Sie wurde an der linken Körperseite getroffen und verstarb noch vor Ort“, sagte der zuständige Staatsanwalt Paolo Giambiasi über das Opfer. Eine Autopsie solle die genaue Todesursache klären. Einem schnell zu Hilfe geeilten Arzt aus der Nachbarschaft und per Helikopter eingetroffenen Notärzten war es nicht mehr gelungen, die 25-Jährige wiederzubeleben.
Gegen die Jugendliche, die den Schuss abgegeben hatte, wurden Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Sie befand sich nach dem Vorfall in einem Schockzustand und kam in medizinische und psychologische Betreuung. Ein Drogen- und Alkoholtest war negativ. Seit ihrem 16. Lebensjahr hatte sie einen Jagdschein. In Frankreich dürfen Minderjährige ab 15 Jahren in Begleitung Erwachsener auf die Jagd gehen.
Der Wanderweg war ausgeschildert; ob überall Warnschilder Spaziergänger über die laufende Jagd informierten, war zunächst unklar. „Wir haben es gemacht wie immer“, sagte André, der sich an der Jagd in dem ländlichen Departement Cantal beteiligt hatte, mit betroffener Miene gegenüber dem Fernsehsender BFMTV.
„Niemand sollte wegen der Jagd sterben“
Der Unfall belebt die Debatte über die Jagdregeln in Frankreich neu, die regelmäßig hochkocht. Und das umso mehr, als er sich mitten im laufenden Präsidentschaftswahlkampf ereignet hat. Die Staatssekretärin für Biodiversität, Bérangère Abba, nannte den Vorfall „unerträglich und inakzeptabel“: „Die Ermittlungen laufen, die Entscheidungen werden folgen, damit so etwas nie wieder passiert“, versprach sie, ohne konkreter zu werden.
Der grüne Präsidentschaftskandidat Yannick Jadot erinnerte daran, dass er in seinem Programm vorschlage, das Jagen an den Wochenenden und während der Schulferien zu verbieten. „Niemand sollte wegen der Jagd sterben“, so Jadot. Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon schloss sich dieser Forderung an und forderte einen Verkaufsstopp für scharfe Waffen. Demgegenüber sprach sich Marine Le Pen dafür aus, die „althergebrachte Tradition“ beizubehalten: „Wenn Sie den Jägern das Jagen am Wochenende verbieten, können sie das nicht mehr tun, weil sie unter der Woche arbeiten.“ Man müsse einen Mittelweg finden.
Erst im vergangenen Herbst waren innerhalb von kurzer Zeit ein Autofahrer getötet und ein Wanderer verletzt worden, nachdem sie jeweils eine „verirrte Kugel“ traf. In der Folge kamen mehr als 120.000 Unterschriften in einer Petition zusammen, in der eine Jagdpause am Mittwoch – wenn in Frankreich ganztags oder nachmittags die Schule ausfällt – und am Sonntag gefordert wurde. Eine Kommission im Senat beschäftigt sich derzeit mit der Frage, sie soll ihre Ergebnisse im Sommer präsentieren. Insgesamt ging die Zahl der Jagdunfälle in Frankreich in den vergangenen Jahrzehnten zurück. Wurden 2000 noch 232 Opfer, davon 39 Tote, gezählt, waren es im Jahr 2010 noch 131, davon 19 Tote und im vergangenen Jahr gab es 80 Unfälle, von denen sieben tödlich endeten.
Jägervereinigung ruft zur Vorsicht auf
Kein anderes europäisches Land zählt so viele Jägerinnen und Jäger wie Frankreich. Sie gelten als wichtige Wählergruppe und haben eine starke Lobby. Rund vier Millionen Menschen besitzen einen Jagdschein, von ihnen sind laut nationaler Jägervereinigung FNC 1,173 Millionen aktiv. Im Jahr 2018 gab Präsident Emmanuel Macron seine Zustimmung für eine Halbierung der Kosten für eine Jagdlizenz von zuvor 400 auf 200 Euro.
Nun schrieb FNC-Präsident Willy Schraen in einer ersten Reaktion in den sozialen Medien, er rufe alle lokalen Jagdverbände dazu auf, die Vorsicht zu verdoppeln. „Es geht um unsere kollektive Zukunft, so Schraen. Der Vorfall vom Samstag sei „ein absolutes Drama, das durch nichts wiedergutgemacht werden kann“.