Doku über Flutkatastrophe

Dunja Hayali im Flutgebiet: „Der überwiegende Teil der Menschen fühlt sich vergessen“

Dunja Hayali, Moderatorin und Journalistin.

Dunja Hayali, Moderatorin und Journalistin.

Dunja Hayali ist Journalistin und Fernsehmoderatorin. Die 48-Jährige ist unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis für die beste Moderation ausgezeichnet worden. Mit ihrer Kollegin Sarah Tacke hat sie für die Reportage „Die Flut – Zwischen Wut und Mut“ die Katastrophengebiete besucht. Zu sehen ist der Film im Rahmen eines Spezialtages zum Jahrestag der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands an diesem Donnerstag, 14. Juli, um 22.15 Uhr im ZDF.

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Wie sieht es ein Jahr nach der verheerenden Flut aus im Ahrtal, in Erftstadt, Bad Münstereifel und anderen betroffenen Orten?

Meine Kollegin Sarah Tacke und ich waren – das mag ein wenig pathetisch klingen – auf einer Straße der Verwüstung und der Frustration, aber auch des Wiederaufbaus und der Hoffnung unterwegs. Wichtig war uns, viele, auch sehr unterschiedliche Perspektiven zu zeigen. Einzelschicksale, die oft aber doch auch als Blaupause für viele andere Schicksale in der Region taugen. Sarah war dafür im Ahrtal und ich in Erftstadt, Bad Münstereifel und in Stolberg.

Fühlen sich die Menschen alleingelassen?

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Im Großen und Ganzen schon. Der überwiegende Teil der Menschen fühlt sich aber nicht nur alleingelassen, sondern sogar vergessen: von den Medien, von der Politik und in Teilen – trotz der extremen Dankbarkeit für die große Hilfsbereitschaft zu Beginn – jetzt auch von der Gesellschaft. Eines darf man dabei nicht vergessen: Erstens geht jeder und jede mit einer solchen Katastrophe unterschiedlich um und zweitens macht es sicherlich einen Unterschied, ob man „nur“ einen Sachschaden oder den Verlust eines Menschen zu beklagen hat.

Bad Neuenahr-Ahrweiler: „Für uns war der 14. Juli 2021 die Stunde Null – und wir beginnen neu“

69 Tote, Hunderte Verletzte – die schwer von der Flut getroffene Kurstadt Bad Neunahr-Ahrweiler beschreitet einen beschwerlichen Weg zurück zur Normalität.

Auch wenn die Berichterstattung nun noch einmal Fahrt aufnimmt, so scheint die Karawane nach dem Höher-schneller-weiter-Prinzip längst weitergezogen zu sein zu gefühlt noch größeren Katastrophen.

Und genau das ist bitter für all die, die sich seit einem Jahr immer noch in einer Ausnahmesituation befinden, und ich verstehe diese Frustration. Die Menschen dort sagen: „Hey, am Anfang wart ihr alle hier, Medien, Gesellschaft, Helfer und Helferinnen, und dafür sind wir sehr dankbar, bloß, was wird jetzt aus uns?“ Aber so war es schon immer. Und so wird es immer sein. Sowohl in den Medien als auch bei Menschen. Schauen Sie mal, was alles los ist: Krieg, steigende Energiepreise, ein Ex-Regierungschef wird erschossen, Pflegenotstand und, und, und. Die Betroffenheits- und Aufmerksamkeitsspanne nimmt ab beziehungsweise zieht halt einfach weiter. Aber von uns Medien, aber mehr noch von der Politik, erwarte ich schon mehr Nachhaltigkeit.

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Haben Sie das Gefühl, dass wir als Gesellschaft etwas gelernt haben aus der Flutkatastrophe?

Ich wünsche es mir jedenfalls. Es ist menschlich, dass uns das, was vor der eigenen Haustür passiert, anders anfasst als Dinge, die weit weg geschehen. Und die, die sich bereits vorher vorstellen konnten, dass so etwas nicht nur in fernen Ländern passiert, sondern auch bei uns möglich ist, wurden oft belächelt. „Die Flut? Ach so, Gerhard Schröder und die Gummistiefel. Aber das war doch im Osten“, hieß es dann. Dafür zu sensibilisieren, dass so etwas durch den Klimawandel nun aber an vielen Orten geschehen kann, das ist auch Aufgabe der Medien. Ich bin gewiss keine Expertin in Sachen Hochwasserschutz, aber ich habe – auch durch diesen Film – begriffen, dass wir so auf keinen Fall weitermachen können. Unsere Welt wird sich verändern. Und ich befürchte, die richtig guten Zeiten sind für die meisten jetzt erst einmal vorbei.

Mangel, ob etwa bei Bildung, Pflegepersonal oder der Bahn, ist im einstigen Vorzeigeland mittlerweile beinahe die Regel. Waren wir alle zu selbstzufrieden?

Vielen Menschen ging es gut. Wir haben Demokratie, Frieden, Aufstieg, Auto, Urlaub und Co. genossen, eventuell fast schon für selbstverständlich gehalten. Der Blick über den Tellerrand ist in so einem Zustand für viele dann doch eher lästig. Klimakrise – not my business. Pflege – bin ich noch zu jung und zu fit. Den meisten wird doch erst bewusst, was die Uhr geschlagen hat, wenn sie selbst betroffen sind. Und das ist jetzt der Fall. Putins Angriffskrieg ändert nicht nur politisch viel, sondern für viele auch spürbar etwas im täglichen Leben. Für uns als Gesellschaft wird die Zeit jetzt ein echter Spannungstest, und für die Politik heißt es jetzt endlich – trotz Pandemie-Kriegs-Krisenmodus –, eine Agenda für die Zukunft zu zeichnen.

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