Flüchtlingskinder zählen am EKG Müll
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Lehrerin Hendrika van Waveren (Mitte) zeigt den Schülern, wie sie den Müll sortieren und zählen.
© Quelle: Stephanie Zerm
Laatzen-Mitte. Es riecht streng. Und so manch einer kann trotz Handschuhen kaum seine Berührungsängste überwinden. 16 Schüler der Sprachlernklasse sitzen im Erich-Kästner-Gymnasium um einen Tisch voller Müll. Nun sollen sie ihn sortieren. Rund 16 Kilo von dem übel riechenden Abfall haben sie am Mittwochvormittag im Rahmen der europäischen Initiative „Let’s clean up Europe“ innerhalb von einer Stunde gesammelt. „Dabei waren wir nur vor der Sporthalle und auf beiden Seiten der Marktstraße zwischen dem Stadthaus und dem Kreisel an der Wülferoder Straße unterwegs“, berichtet Lehrerin Hendrika van Waveren. „Und eigentlich sah es dort relativ sauber aus.“
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Insgesamt haben die Schüler innerhalb von einer Stunde 16 Kilo Müll gesammelt.
© Quelle: Stephanie Zerm
Nun sortieren die elf- bis 16-jährigen Flüchtlingskinder, die das Gymnasium und die Erich-Kästner-Oberschule besuchen, den Unrat. Dabei wird jedes gefundene Teil einzeln erfasst. Spitzenreiter sind weggeworfene Zigarettenkippen. „Davon haben wir mehr als 1000 gefunden“, sagt van Waveren. Hinzu kommen unter anderem 415 Papierstücke, 186 Papiertaschentücher, 152 Süßwarenverpackungen sowie 138 Plastikbruchstücke. „Plastik braucht mehr als 400 Jahre, um in der Umwelt abgebaut zu werden“, erklärt van Waveren. Wenn es in die Kanalisation und ins Meer gelange, habe das verheerende Folgen.
Die Auflistung der einzelnen Müllfunde wird an das Zentrum für angewandte Psychologie, Umwelt- und Sozialforschung (ZEUS) weitergeleitet, das diese deutschlandweit im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie für das Bundesumweltministeriums und das Umweltbundesamt auswertet. Mit den Daten sollen der Ausmaß des Mülls sowie der Eintrag von Plastik in der Umwelt besser beurteilt werden können. Die Ergebnisse der Zählstudie werden im Juni 2019 auf der Website des Umweltbundesamtes veröffentlicht.
Müllsammelaktion soll Integration von Flüchtlingen fördern
Doch nicht nur der Umwelt soll die Aktion zu Gute kommen, es gehe auch um Integration, sagt die stellvertretende Schulleiterin Anneliese Schmidt: „Wir bieten mehrere Projekte dieser Art an, mit denen wir unseren Schüler nichtdeutscher Herkunft über den bloßen Unterricht hinaus bei der Integration helfen wollen.“ Daher haben die Jungen und Mädchen der Sprachlernklasse bei der Aktion nicht nur Müll gesammelt, sondern auch erfahren, welche schwerwiegenden Konsequenzen er für das Ökosystem hat. Dazu haben sie unter anderem mehrere Bilder angesehen, die etwa einen verendeten Schwan zeigten, der den Magen voller Plastik hatte, und einen verhungerten Igel mit einem festsitzenden Plastikbecher auf der Schnauze. Bei der Aktion wurde die Sprachlernklasse zudem von vier Studenten aus dem Verein „InteGREATer“ unterstützt. In diesem engagieren sich junge deutsche Erwachsene mit Migrationshintergrund, um als Vorbilder für die nächste Generation von Migranten zu fungieren.
Für viele Flüchtlingskinder ist die Müllproblematik neu
Für die meisten Schüler der Sprachlernklasse war die Müllproblematik neu. „Ich habe erst in Deutschland gelernt, Müll zu trennen und ihn auf der Straße aufzusammeln“, sagt die 16-jährige Dilan aus Syrien. In seinem Heimatland spiele Müllentsorgung ebenfalls keine große Rolle, sagt auch der 15-jährige Saman aus dem Irak. „Das wird nicht so wichtig genommen.“
„Bei uns liegt viel Müll auf der Straße“, ergänzt der 15-jährige Kristijan aus Mazedonien. Das ist laut dem zwölfjährigen Dilpreet auch in seinem Heimatland Indien nicht anders. „Mir gefällt es aber wesentlich besser, wenn die Straßen sauber sind.“ Darauf legt auch Helena aus Bosnien-Herzegowina großen Wert. „Ich finde unsere Aktion sehr gut, weil wir so die Tiere und die Umwelt schützen können“, sagt die Elfjährige, die seit mehr als zwei Jahren in Deutschland lebt – und ergänzt: „Ich hoffe, dass die Menschen nun anfangen, ihren Müll nicht mehr auf die Straße zu werfen.“
Nach den Sommerferien will die gesamte Schule eine Müllsammel- und zählaktion durchführen. Die Schüler aus der Sprachlernklasse sind dann noch einmal im normalen Klassenverband dabei.
EKG plant Partnerschaft mit Schule in Südafrika
Bei der Aktion „Let’s clean up Europe“ hatte die Sprachlernklasse des Erich-Kästner-Gymnasiums einen besonderen Gast: Leoni Jacobsen, Schulleiterin der Muizenberg High School in Kapstadt, Südafrika. Es war das erste Treffen in Vorbereitung auf eine eventuelle Schulpartnerschaft in Bezug auf Umweltthemen. Der Kontakt ist über das LifeScienceLab am EKG zustande gekommen. „Es ist ein Zukunftstraum, dass eventuell ein Schüleraustausch stattfinden kann“, sagt EKG-Lehrerin Hendrika van Waveren. Dabei scheinen die beiden Schule viele Berührungspunkte zu haben. „Wir arbeiten an ähnlichen Umweltthemen und haben dazu auch schon mehrere Aktionen durchgeführt“, sagt Leoni Jacobsen. Von der Müllsammelaktion der Sprachlernklasse war die Schulleiterin aus Südafrika begeistert. „Dadurch können die Schüler mit Migrationshintergrund nicht nur die Sprache lernen, sondern auch, ein guter Bürger in Bezug auf die Umwelt zu sein.“ Daher wolle sie dieses Konzept mit an ihre Schule nehmen, die ebenfalls mehrere Schüler mit Migrationshintergrund besuchten.
Von Stephanie Zerm