Tod in Psychiatrie im Klinikum Wahrendorff: Ermittlung
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Trauert: Andrea H. mit einem Bild ihres verstorbenen Sohnes und weiteren Erinnerungsstücken.
© Quelle: Andreas Körlin
Sehnde. Marcel F. starb am Morgen des 23. Januar 2016. Weil er nicht zum Frühstück erschien, schaute das Klinikpersonal in seinem Einzelzimmer nach. Dort lag der Auszubildende tot im Bett im Haus 10 in Köthenwald. Seine Mutter Andrea H. erfuhr erst zweieinhalb Tage später vom Tod ihres Kindes. Eine Funkstreifenbesatzung klingelte abends an ihrer Haustür in Sehnde und überbrachte die schockierende Nachricht.
„Todesursache war eine zentrale Lähmung des Gehirns“, sagt Thorsten Osterkamp mit Blick auf die Obduktion. Der Döhrener Anwalt erstattete Strafanzeige gegen Unbekannt. Er beantragte Ermittlungen „gegen alle in Betracht kommenden Personen aufzunehmen“. Dazu gehörten „die Klinikleitung, der behandelnde Stationsarzt und weitere Mitarbeiter“.
Osterkamp betont: „Die Mutter hat eigene Feststellungen getätigt, die sie annehmen lassen, dass ihr Sohn nicht richtig behandelt und versorgt wurde. Es gab eklatante Verstöße im Rahmen der Behandlung und der Medikation des Verstorbenen, die nach Ansicht der Anzeigeerstatterin zu dessen Tod führten.“
Marcel F. hatte in der Wedemark eine Ausbildung zum Elektriker begonnen, als er Monate vor seinem Tod einen Zusammenbruch erlitt. Grund, sagt Mutter Andrea H., sei der „Tod des Stiefvaters, den er sehr geliebt hatte“. An einen Suizid, wie ihn die Klinik unterstelle, glaubt die 48-Jährige nicht. Dazu Anwalt Osterkamp: „Marcel hatte psychische Probleme, war aber lebenslustig, hatte zudem gerade eine Freundin gefunden.“
Andrea H. erinnert sich an ein Telefonat mit einem Arzt des Klinikums: Der teilte ihr mit, dass er nicht den Eindruck gehabt habe, dass Marcel sich habe umbringen wollen. Laut der Mutter soll der Mediziner auch gesagt haben: „Beim nächsten Patienten machen wir alles anders.“
Andrea H. vermutet, dass ihr Sohn das Medikament Tavor (wird unter anderem zur kurzzeitigen Behandlung von Angstzuständen eingesetzt) nicht vertragen und möglicherweise zu lange verordnet bekommen habe. Eine zentrale Lähmung des Gehirns, die laut Obduktion todesursächlich gewesen ist, könne durch eine Vergiftung ausgelöst werden. Deshalb müsse eine chemisch-toxikologische Untersuchung erfolgen, um einen möglichen Zusammenhang mit der Medikation zu klären. „Meine Mandantin will, dass die genaue Todesursache herausgefunden und eine eventuelle Falschmedikation geprüft wird“, sagt Anwalt Osterkamp.
„Wir können den Tod des schwerkranken jungen Mannes bestätigen und sehen keinen Anhalt für ein Fremdverschulden“, teilte Klinikum-Geschäftsführer Rainer Brase auf NP-Anfrage mit.
Christina Pannek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hildesheim, sagte mit Blick auf die Anzeige von Marcel F.s Mutter: „Ich kann bestätigten, dass die Ermittlungen aufgrund der Beschwerde wieder aufgenommen worden sind.“
Von Andreas Körlin
NP