So macht Nadine Weske aus der Beisetzung eine Abschiedsfeier
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Weiß, was Verlust bedeutet: Spätestens seitdem Nadine Weske selbst zwei Kinder beerdigt hat, möchte sie Beisetzungen besonders machen.
© Quelle: Rainer Dröse
Hannover. Es gibt diesen einen Satz von Nadine Weske (39), der sitzt wie ein Faustschlag: „Eine Bestattung ist kein Experiment, das man das nächste Mal besser machen kann.“ Ihr wurde das erstmals so richtig bewusst, als sie auf der Beerdigung ihres Onkels gewesen ist. Das war 2001. Während der Trauerfeier dachte sie: „Das ist nicht mein Onkel, um den es hier geht. Der war lustig! Und hat mit dieser Rede und diesem Abschied hier nicht viel gemein.“
Weske lächelt. "Ich dachte, das kann ich besser. Und hab's einfach gemacht." Spontan ergriff sie am Grab das Wort und sagte selbst etwas zu ihren Angehörigen. Womöglich das Fundament für das, was sie heute professionell tut: Nadine Weske ist Trauerrednerin, außerdem als Vorsorge- und Abschiedsplanerin tätig. Die 39-Jährige beschäftigt sich mit all dem, wovor sich die meisten Menschen eher scheuen – dem Tod.
„Menschen sorgen bei so vielen Dingen im Leben vor, warum denn nicht bei all dem, was den Tod betrifft?“, fragt sie im Gespräch mit der NP im Café Grauwinkel in der Oststadt eher suggestiv. Der kommt, früher oder später – aber garantiert. Deshalb hat sie sich auf die Fahnen geschrieben, Bestattungen zu etwas Besonderem zu machen. Geht es ihr darum, den Tod mehr in die Mitte der Gesellschaft zu holen? „Nö, da ist er doch schon. Der Tod ist Teil des Lebens.“
Wie unerwartet und heftig er einen treffen kann, haben sie und ihre Frau Melanie (42) bereits erleben müssen. Zwei ihrer Kinder sind Sternenkinder, also während der Schwangerschaft gestorben. „So eine Trauer habe ich noch nie erlebt, es hat einem dem Boden unter den Füßen weggerissen“, beschreibt Weske ihr Gefühl aus dem Februar 2015 und genau ein Jahr später. „Das am eigenen Leib zu erfahren, ist nur schwer zu beschreiben.“
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So könnte eine Beisetzung auch aussehen: Abschiedsplanerin Nadine Weske hat mit diversen Dienstleistern für ein Fotoshooting dieses Ambiente für einen möglichen Abschied geschaffen.
© Quelle: Diana Frohmüller
Was in dieser Zeit Trost gespendet hat, war die Tatsache, dass sie die verstorbenen Babys taufen lassen und beerdigen konnte. Dorothee Blaffert übernahm diese Aufgabe. Sie war zu dieser Zeit als Pastorin in der Lindener Bethlehemkirche tätig, die Gemeinde, in der Weske engagiert mitwirkte. „Dieses Glück haben nicht alle Eltern“, stellte sie damals nach der ersten Beisetzung fest und entschied: „Ich muss schöne Momente für andere schaffen.“
Zunächst hatte sie sich als Rednerin in der Hochzeitsbranche selbstständig gemacht, dann aber gemerkt, dass ihr der Trauerbereich besonders gut liegt. Und darin verspürt Weske einen Wandel. „Viele wollen ihr letztes Fest selbst planen“, berichtet sie von Gesprächen mit Menschen, die sich an sie wenden. „Sie wollen es schön haben und ein besonderes, individuelles Abschiedsfest feiern.“ Und genau das will sie möglich machen, mit allem drum und dran.
Nadine Weske
*14. August 1982 in Hannover. Sie wächst in Frielingen auf, besucht die IGS in Garbsen, an der sie 2003 ihr Abi macht – Schnitt: 2,6. Mit 18 Jahren fährt sie zum Schüleraustausch nach Amerika, landet bei einer sehr konservativen Familie auf einer Farm in Oklahoma. Sie besucht nach dem Abitur die evangelische Fachhochschule, studiert Sozialpädagogik. Zehn Jahre arbeitet sie in der Suchtberatung von Step, engagiert sich außerdem sechs Jahre im Kirchenvorstand der Lindener Bethlehemkirche. Sie gründet 2016 ihre Firma „Wortgewand(t)“, ist als Hochzeitsrednerin tätig. 2020 macht sie sich komplett als selbstständig, ist hauptsächlich Abschiedsplanerin und Trauerrednerin. Sie ist mit Melanie (42) verheiratet, das Paar hat fünf Kinder, darunter zwei Sternenkinder. www.abschiedsplaner.online
Dabei will sie Traditionelles „auf keinen Fall über Bord werfen, sondern Beisetzungen an die heutige Zeit anpassen.“ Heißt: „Leute dürfen natürlich weiterhin in schwarz gekleidet sein, wenn sie das möchten, und es darf weiterhin Butterkuchen geben. Aber schön darf es auch sein.“ Eine Frage – bei Sterbenden wie Hinterbliebenen – begegnet der 39-Jährigen immer wieder: „Gehört sich das denn?“, wird sie gefragt, wenn es etwa darum geht, anstatt klassischer Orgelmusik etwas von den Beatles zu hören. Was kommt, ist eine Gegenfrage: „Wer bestimmt denn, was sich gehört?“
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Fröhliches Gespräch über ein doch trauriges Thema: Trauerrednerin Nadine Weske (rechts) mit NP-Redakteurin Mirjana Cvjetkovic.
© Quelle: Rainer Dröse
Sie zückt ihr iPad („Bis auf einen Drucker mein alleiniges Arbeitsmittel“) und präsentiert, was sie so im Angebot hat: Mit flinken Fingern wischt sie über den Bildschirm, konfiguriert einen Sockel, auf dem eine Urne steht, wechselt das Design, stellt ein Foto dazu, nimmt es wieder weg, ergänzt Ballons. „Die Bestattung gibt es doch eh, warum sollte sie dann nicht cool sein?“ Vor allem ist es ihr Anliegen, Abschiedsfeiern so zu gestalten und zu feiern, wie das Leben war – „bunt, mal laut, mal leise, pompös oder schlicht“.
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Weske hat vergangenes Jahr ihr Gewerbe um das Bestatten erweitert. „Ich kann von der Abholung bis zum Abschied alles organisieren“, erklärt sie, „ich will den Menschen mehr bieten, als es ein Bestatter tut. Die will man üblicherweise ja so schnell wie möglich wieder loswerden.“ Ihre Sparte sieht sie nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung mit Aufklärung darüber, was alles möglich ist. „Viele wissen gar nicht, dass sie ihr still geborenes Baby nochmal mit nach Hause nehmen können. Oder ein Abschiedsfest im Garten, im Wald oder am Strand feiern können.“
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Abschied mit Ballons und Picknick: Die Ideen von Nadine Weske sind vielfältig.
© Quelle: Diana Frohmüller
Menschen fehle es an Informationen, die über die harten Fakten wie „Abholung, Sarg, Urne, Grabstätte“ hinausgehen. Weske hat ein großes Netzwerk, betont im Gespräch immer wieder Teamarbeit – sowohl ihre Firma als auch Dienstleister drumherum betreffend. Übrigens kann man bei ihr persönliche Dinge wie ein Testament, eine Patientenverfügung, das Familienstammbuch oder den Ausweis in einem „digitalen Tresor“ hinterlegen, die dann verfügbar werden, wenn sie benötigt werden.
Weske wünscht sich, dass sich die hiesige Beerdigungsbranche – inklusive Staat – endlich aus veralteten Strukturen löst. Auch im Sinne der Nachhaltigkeit. „Der Trend geht eindeutig zurück in die Natur, in Friedwälder, nach draußen, wo man die Freiheit spüren kann.“ Die Expertin fragt sich, warum es lackierte Särge mit massiven Trägern sein müssen, „wo es doch schon biologisch abbaubare Exemplare aus Pilzen gibt, etwa in Holland.“
Ihre eigene Abschiedsfeier hat Weske auch schon geplant
Sie selbst hat für den eigenen Fall der Fälle auch schon vorgesorgt. Glaubt sie eigentlich an ein Leben nach dem Tod? „Wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass es ein Wiedersehen gibt, hätte ich den Verlust meiner ungeborenen Töchter nicht verkraftet.“ Ihr größtes Anliegen formuliert sie zum Abschluss eines aufschlussreichen Gesprächs dann so: „Ich will den Tod aus der Schmuddelecke holen.“ Sie zuckt mit den Schultern, ihr Blick ist fröhlich-forsch: „Niemand mag ihn, niemand will ihn, niemand will jemanden verlieren. Aber wenn das mit dem Sterben schon sein muss, dann kann es auch schön sein.“
Von Mirjana Cvjetkovic
NP