Pilz und Raupe greifen an: Herrenhäuser Gärten bald ohne Buchsbaum?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/64CIDXA5Z23YN764HR4XCGXFEI.jpg)
Boris Schlumpberger zeigt kaputte Buchsbäume in den Herrenhäuser Gärten.
© Quelle: Florian Petrow
Hannover. Die Herrenhäuser Gärten ohne Buchsbaum? Eigentlich kaum denkbar – über eine Strecke von zusammengerechnet 20 Kilometer ist der immergrüne Strauch in dem Barockgarten angepflanzt. Doch die Reihen lichten sich – und zwar nahezu unaufhaltsam. „Die Lage ist tatsächlich dramatisch“, sagt Garten-Kurator Dr. Boris Schlumpberger.
Seit 2017 macht sich der Buchsbaumzünsler über die repräsentativ angepflanzten Hecken her. Der Kleinschmetterling und dessen gefräßige Raupe wurden vermutlich mit Buchsbäumen aus Ostasien eingeschleppt. Seitdem hat er sich auch in Herrenhausen rasant ausgebreitet. „Mit Pheromonfallen messen wir die Population“, erklärt Schlumpberger. Die Ergebnisse bereiten ihm Sorgen: „Der Bestand hat sich von 2017 auf 2018 etwa verzehnfacht. Wir sind noch am Anfang des Befalls.“
Raupen-Population hat sich verzehnfacht
Der Buchsbaumzünsler – der auch vielen Privatgärtner ein Grauen ist – wird wegen der guten Tarnung der Raupe meist erst spät entdeckt. „Meist erst wenn der Befall anhand von Fraßschaden und feinem Gespinst an den äußeren Blättern sichtbar wird“, erklärt Schlumpberger. „Dann sind die Raupen aber bereits in einem älteren Larvenstadium und damit auch schon längere Zeit aktiv am Fressen.“ Zweimal im Jahr verpuppen sich die Zünsler. Die erste Generation ist gerade dabei. „Diese oder nächste Woche werden dann die ersten nachtaktiven Falter fliegen.“ Die zweite Schmetterlings-Generation erwartet der Kurator im Spätsommer. Wie hoch die Schäden in der Zukunft sind, ist derzeit ungewiss. Man hofft zumindest, den Zünsler mit biologischen Pflanzenschutzmitteln eindämmen zu können, erklärt Biologe Schlumpberger.
Schmetterling ist nur ein Übel
Allerdings ist der invasive Schmetterling nur ein Übel in den Herrenhäuser Gärten. Der Buchsbaum steht sozusagen im Kreuzfeuer. Erhebliche Schäden verursacht zudem ein Pilz mit dem lateinischen Namen „Cylindrocladium buxicola“. Gegen ihn ist sozusagen kein Kraut gewachsen. Der Kurator spricht wegen ihm schon vom „Ende des Buchsbaums in Herrenhausen“: „Die ersten Gärten in Frankreich, in Holland und im südlichen Mitteleuropa haben bereits keinen Buchsbaum mehr“, so Schlumpberger.
Der Buchsbaumzünsler
Der Buchsbaumzünsler (Cydalima perspectalis) ist ein ostasiatischer Kleinschmetterling aus der Familie der Crambidae, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts vermutlich über Pflanzenimporte aus dem ostasiatischen Raum nach Mitteleuropa eingeschleppt wurde und sich heute zur invasiven Spezies entwickelt hat. Die Raupen können Schäden durch Kahlfraß an Buchsbaum verursachen. Die natürliche Ausbreitung erfolgt mit etwa 5 bis 10 Kilometern pro Jahr, vorwiegend in Windrichtung. Im Gegensatz zur Blattfallkrankheit des Buchsbaums lässt sich ein Zünslerbefall, wenn er frühzeitig entdeckt wird, mit gezielten Maßnahmen recht gut kontrollieren: Diese reichen vom Abspülen der Raupen mittels hartem Wasserstrahl (Hochdruckreiniger) über manuelles Absammeln und anschließendes Abtöten durch kochendes Wasser bis hin zu Spritzbehandlungen mit Pflanzenschutzmitteln, wie Bacillus thuringiensis. Am besten, wenn die Raupe aktiv ist – je nach Witterungsverlauf ist das in Niedersachsen meist der April/Mai und der Zeitraum Ende Juli/Anfang August. Auch ein Rückschnitt der Buchsbäume kann einen Befall reduzieren, insbesondere wenn die Jungraupen mit dem Schnittgut erfasst werden. Das Schnittgut sollte nicht auf dem eigenen Kompost verbleiben, sondern in einer Kompostierungsanlage oder im Restmüll entsorgt werden, rät die Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Tipps für Hobbygärtner hat das Pflanzenschutzamt Niedersachsen. Die Hotline ist erreichbar unter 0441/801-789.
In Hannover greift der Pilz traurigerweise vor allem ein Herrenhäuser Urgewächs an: Der hier gezüchtete „blaue Heinz“ ist besonders anfällig. In seinen Reihen der Miniaturhecken sind bereits die größten Lücken. Auch anderswo wird das Eigengewächs langfristig wohl keine Chance haben. „Seine Bedeutung wird wegen dem Pilz überregional zurückgehen“, glaubt der Biologe.
Pflanzenschutzmittel sind keine Lösung
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/46UL64F3GW6CI4TELHAXGP4RR4.jpg)
Die Buchsbaumhecken sind schon deutlich gelichtet.
© Quelle: Florian Petrow
Aus diesem Grund werden bereits Alternativpflanzen getestet. „Die Suche nach Ersatzkulturen für die barocktypischen Miniaturhecken ist international in vollem Gange“, so Schlumpberger. Auch in den Herrenhäuser Gärten experimentiert man. Vor Kurzem hatte man sogar einen Fachmann zum Thema kommen lassen. Ein denkbarer Ersatz: der Zwergthuja, auch Lebensbaum genannt. Im fürstlichen Blumengarten am Eingang zum Großen Garten haben Gärtner schon einige Hecken bepflanzt.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
So ganz überzeugt ist Schlumpberger von der Alternative aber nicht. „Der Fachmann hatte es treffend ausgedrückt: Es gibt eigentlich nichts, was die Eigenschaften des Buchsbaums hat; dieser dichte Wuchs, den man durch Schnitt fast beliebig formen kann und die Anpassung an die mitunter sehr heißen Bedingungen in so einem Barockparterre“, zählt der Biologe auf. Der Kampf gegen Zünsler und Pilz ist und bleibt also in vollem Gange – auch wenn er vielleicht aussichtslos ist.
Der Buchsbaumzünsler
Der Buchsbaumzünsler (Cydalima perspectalis) ist ein ostasiatischer Kleinschmetterling aus der Familie der Crambidae, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts vermutlich über Pflanzenimporte aus dem ostasiatischen Raum nach Mitteleuropa eingeschleppt wurde und sich heute zur invasiven Spezies entwickelt hat. Die Raupen können Schäden durch Kahlfraß an Buchsbaum verursachen. Die natürliche Ausbreitung erfolgt mit etwa 5 bis 10 Kilometern pro Jahr, vorwiegend in Windrichtung. Im Gegensatz zur Blattfallkrankheit des Buchsbaums lässt sich ein Zünslerbefall, wenn er frühzeitig entdeckt wird, mit gezielten Maßnahmen recht gut kontrollieren: Diese reichen vom Abspülen der Raupen mittels hartem Wasserstrahl (Hochdruckreiniger) über manuelles Absammeln und anschließendes Abtöten durch kochendes Wasser bis hin zu Spritzbehandlungen mit Pflanzenschutzmitteln, wie Bacillus thuringiensis. Am besten, wenn die Raupe aktiv ist – je nach Witterungsverlauf ist das in Niedersachsen meist der April/Mai und der Zeitraum Ende Juli/Anfang August. Auch ein Rückschnitt der Buchsbäume kann einen Befall reduzieren, insbesondere wenn die Jungraupen mit dem Schnittgut erfasst werden. Das Schnittgut sollte nicht auf dem eigenen Kompost verbleiben, sondern in einer Kompostierungsanlage oder im Restmüll entsorgt werden, rät die Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Tipps für Hobbygärtner hat das Pflanzenschutzamt Niedersachsen. Die Hotline ist erreichbar unter 0441/801-789.
Der Große Garten ohne Buchsbaum? Das will man sich in Herrenhausen lieber gar nicht vorstellen. Schlumpberger: „Wir hoffen, dass wir das Desaster irgendwie umgehen können und dass es weiterhin Buchsbaum in Herrenhausen geben wird.“
Von Simon Polreich
NP