Nazi-Regime

Nach Kritik: Historiker arbeitet Firmengeschichte von Bahlsen auf

Bahlsen lässt Geschichte seiner Zwangsarbeiter aufarbeiten

Bahlsen lässt Geschichte seiner Zwangsarbeiter aufarbeiten

Hannover. Der Historiker Manfred Grieger wird die Bahlsen-Firmengeschichte und die möglichen Verwicklungen des Unternehmens mit dem Nazi-Regime in einem vierjährigen Projekt gründlich aufarbeiten – der entsprechende Vertrag mit dem Professor wird am 1. Juli unterzeichnet, teilte Bahlsen am Donnerstag mit. Der Historiker werde im Einvernehmen mit der Familie beauftragt. Die öffentliche Diskussion der vergangenen Wochen "über die Rolle des Unternehmens Bahlsen und seiner Eigentümer während der Weltkriege und der NS-Diktatur" habe die Notwendigkeit gezeigt, "diesen bislang unterbelichteten und auch beschönigend dargestellten Kapiteln größere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen", heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens.

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Erbin löst Debatte aus

Die Firmenerbin Verena Bahlsen hatte im Mai heftige Debatten ausgelöst. Sie hatte erklärt, Zwangsarbeiter seien bei Bahlsen während der NS-Zeit "gut behandelt worden". Später entschuldigte sie sich für die Äußerung. In der Folge kam heraus, dass die Bahlsen-Familie offenbar engere Verbindungen mit dem Nazi-Regime pflegte, als bisher bekannt war (NP berichtete). Das Unternehmen kündigte deswegen schon vor einigen Wochen an, dass man die Firmengeschichte gründlich beleuchten lassen wolle.

Diese Aufgabe wird nun Manfred Grieger übernehmen, lange Zeit Chefhistoriker beim Autobauer Volkswagen – auch für den Wolfsburger Konzern arbeitete der Historiker den Umgang mit Zwangsarbeitern und die Verstrickungen der Nazi-Zeit auf. Grieger wird sich in den kommenden vier Jahren der "vorbehaltlosen wissenschaftlichen Erforschung der Unternehmens- und Familiengeschichte" widmen. Es bestehe vollkommene Wissenschafts- und Publikationsfreiheit, alle relevanten Unterlagen werden zur Verfügung gestellt, weder Unternehmen noch Familie Bahlsen werden ihm Weisungen oder Vorgaben bei dem Projekt machen, teilte Bahlsen mit. Man werde auch familieninterne Unterlagen zur Verfügung stellen und dem Historiker auch für Interviews bereitstehen.

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Beziehungen zu Militär und Politik

Untersuchen wird der Göttinger Historiker die Zeit vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zum Ausscheiden der zweiten Bahlsen-Generation aus der Geschäftsführung - also von 1914 bis in die 1980er Jahre. Insbesondere werde es in dem vierjährigen Forschungsprozess auch um die "Beziehungen des bekannten Markenunternehmens zum Militär und zur Politik" gehen. Speziell die "Ausbeutung von Zwangsarbeitern während der Kriege, aber auch das Verhältnis der Eigentümerfamilien und anderer Leitungspersönlichkeiten zur NSDAP, der SS und die wirtschaftliche Beteiligung an der nationalsozialistischen Eroberungspolitik" würden thematisiert.

Geplant ist, dass die Öffentlichkeit bereits im Verlauf der Forschungsprojektes über Zwischenergebnisse informiert wird. Die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Aufklärung will Bahlsen in einer Verlagspublikation zur Verfügung stellen. Über die Kosten des vierjährigen Forschungsvorhabens, das von einem dreiköpfigen Beirat begleitet wird, wurde Stillschweigen vereinbart.

Von Inken Hägermann

NP

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