Weltkrebstag

Kinderkrebsklinik in der MHH: „Bei uns wird auch gelacht“

Kämpft gegen den Krebs: Professor Christian Kratz leitet die Kinderkrebsstation der MHH.

Kämpft gegen den Krebs: Professor Christian Kratz leitet die Kinderkrebsstation der MHH.

Hannover. . Am Freitag ist Weltkinderkrebstag – das lenkt die Aufmerksamkeit auf ein schlimmes, aber nicht hoffnungsloses Schicksal. Ein Interview mit dem Leiter der MHH-Kinderkrebsstation, Prof. Christian Kratz.

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Was unterscheidet Kinderkrebs von Krebs bei Erwachsenen?

Sehr viel. Es handelt sich alleine schon um ein ganz anderes Krebsspektrum. Erwachsenen-Krebsarten, wie Darmkrebs, Lungenkrebs, Brustkrebs, Prostatakrebs, Blasenkrebs, Gebärmutterkrebs kommen so gut wie nicht bei Kindern vor. Es gibt in Deutschland 2100 Neudiagnosen bei unter 19-Jährigen im Jahr. Bei Kindern ist Krebs immer noch die führende natürliche Todesursache überhaupt.

Das klingt dramatisch.

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Etwa jedes 400. Neugeborene wird im Laufe der Kindheit an Krebs erkranken. Das ist Gott sei Dank immer noch sehr selten. Vor wenigen Jahrzehnten kam Krebs bei Kindern noch einem Todesurteil gleich. Inzwischen können wir 80 Prozent der Kinder heilen, während bei Erwachsenen die Prognose deutlich schlechter ist.

Warum ist das so?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Insbesondere durch intensive Krebsforschung. Zum anderen vertragen die Kinder mehr Therapie und haben oftmals eine andere, dem Krebs zugrunde liegende Biologie als Erwachsene. Die an Krebs erkrankten Kinder sind daher besser behandelbar. Häufigste Krebsart bei Kindern ist die akute lymphoblastische Leukämie. Die Heilungsrate liegt bei etwa 90 Prozent.

Wie können Kinder und Eltern dem Kinderkrebs generell vorbeugen?

Generell ist es wichtig, dass Kinder sich viel bewegen und sich gesund ernähren, Sonnenbrände vermeiden. Kinder mit hohen genetischen Krebsrisiken – wie etwa dem Li-Fraumeni-Syndrom – können von Früherkennungsmaßnahmen profitieren.

Eltern rate ich, Vorbild für die Kinder zu sein: nicht zu rauchen, gesund zu essen, sich genügend bewegen und ausreichend Schlaf.

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Sie haben täglich mit krebskranken Kindern zu tun. Wie machen Sie Kindern begreiflich, dass sie an dieser Krankheit sterben können?

Wir sind immer offen und ehrlich, ganz besonders, wenn die Kinder fragen. Aber wir betonen meist auch das realistische Ziel, dass die Kinder gerettet werden können. Besteht diese Chance nicht mehr, muss man auch das offen sagen. Ziel ist dann nicht mehr die Heilung, sondern ausschließlich die Verbesserung der Lebensqualität für die verbleibende Zeit. Sterben soll kein Kind in der Chemotherapie, sondern möglichst friedlich zu Hause. Und um diese Kinder kümmern wir uns ganz besonders intensiv mit unserem „Brückenteam“, das die Kinder zu Hause unterstützt. Das Team wird über Spenden des „Vereins für krebskranke Kinder“ finanziert.

Wie gehen die Kinder mit der Krankheit um, wie ihre Eltern und Geschwister?

Das hängt vom Alter ab. Säuglinge und Kleinkinder sind unbeschwerter. Ältere Kinder oder Jugendliche sind eher besorgt. Für die meist jungen Familien sind Krebserkrankungen bei einem Kind ein großer Schock, der sich glücklicherweise nach einiger Zeit etwas lindert, insbesondere, wenn es den Kindern nach einiger Zeit besser geht. Es gibt auf unserer Station natürlich viel Trauriges, aber es wird auch gelacht.

Und wenn keine Chance auf Heilung besteht?

Das eigene Kind verlieren zu müssen, ist das Schlimmste, was Eltern passieren kann. Es ist daher immer wieder erstaunlich zu sehen, wie stark diese Mütter und Väter sein können und es schaffen, ihre Kinder zu begleiten. Häufig liegt dieser Stärke auch ein langer Prozess zugrunde. Am Ende machen diese Eltern aber tatsächlich ihren Frieden mit der Situation und schaffen es, Abschied zu nehmen.

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Wie gehen Sie selbst und ihre Mitarbeiter mit der täglichen Belastung um?

Am härtesten sind die Mitarbeiter betroffen, die am engsten mit den Patienten in Kontakt sind, also in der Pflege und die jungen Stationsärzte. Jedes Jahr verlieren wir in Deutschland 420 Kinder an Krebs. Hier in Hannover sind es etwa 20 – im Schnitt also alle zwei, drei Wochen ein Kind. Das ist eine große Belastung. Wir helfen uns gegenseitig, um mit der Situation klarzukommen. Es gibt Gesprächsrunden und Supervision.

Dennoch nimmt man ab und an einen Fall mit nach Hause, oder?

Ja, aber man darf es nicht zu nah an sich heranlassen. Ohne ein bisschen Distanz kann man diese harte Arbeit nicht leisten. Ich selber verarbeite manches auch beim Sport. Hoffnung bringen aber die vielen Kinder, die wir heilen können – und das sind die allermeisten.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat getwittert, Krebs könnte in zehn bis zwanzig Jahren besiegt sein. Glauben Sie das auch?

Nein. Sicher nicht. Bei Kindern mit aggressiven Malignomen haben wir häufig keine Chance auf Heilung. Nur durch intensive Forschung kommen wir hier weiter. Dies wird viel mehr Zeit in Anspruch nehmen.

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Könnte politisch mehr gegen den Krebs getan werden? Wo fehlt es?

Wir sind durch die Krankenkassen unterfinanziert und verwenden Spenden zum Teil für die Krankenversorgung. Besser wäre es, wenn diese Spenden noch mehr in die Forschung flössen, denn nur durch Forschung können wir die Prognose weiter verbessern. Die klinische Forschung ist zudem überreguliert, so dass es inzwischen extrem schwierig ist, klinische Forschungsprotokolle zu initiieren. Ferner ist es wichtig, den Pflegeberuf aufzuwerten, denn ohne Pflegepersonal können wir kein Kind heilen.

Von Simon Polreich

NP

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