„Warum hat man mich, einen kleinen Jungen, einem vorbestraften Pädophilen gegeben?“

Hannover. „Die meisten Pädophilen wollen den Kindern ungemein Gutes tun”. Dieser unerhörte Satz stammt von dem Sexualwissenschaftler Helmut Kentler. Der hannoversche Uniprofessor vermittelte in seinem von Behörden genehmigten „Kentler-Experiment” jahrzehntelang kleine Jungen an pädophile Pflegeväter. Er nahm dabei bewusst in Kauf, dass es zu sexuellen Übergriffen kam, behauptete sogar, Sex mit Kindern könne heilsam sein.
Folge 3: Narben auf der Seele
Was aber bedeutete dieses „ungemein Gute“ für die Betroffenen? Wie gingen sie damit um, wenn Männer ihre pädophilen Neigungen auslebten, wenn es zu pädosexuellen Übergriffen kam? Die dritte Folge des neuen HAZ-Podcasts „Kentler - Missbrauch mit System“ ist den Opfern gewidmet. „Narben auf der Seele“ heißt sie. Sie beschreibt, was für fürchterliche Gewalttaten an kleinen Kindern sich in Wahrheit hinter Kentlers verbalen Schönfärbereien verbargen.
Narben auf der Seele: Der Trailer zur 3. Folge
Er könne sich bis heute „nicht wirklich als Mensch akzeptieren“, sagt ein Opfer heute. „Mit welchem Fug und Recht hat man mich, einen kleinen Jungen, einem vorbestraften Pädophilen gegeben“, klagt ein anderes. „Der Missbrauch wird mich für immer prägen“, resümiert ein weiteres Opfer verzweifelt. Es begegnete Kentler in einem Prozess, in dem der Sexualwissenschaftler als Gutachter auftrat. Wohlgemerkt: mit einem Plädoyer für den später rechtskräftig verurteilten Täter, nicht für das Opfer.
Die Sicht der Opfer ist eine wichtige Perspektive des dritten Teils des HAZ-Podcasts. Aber wir stellen auch die Frage: Wie schätzen Fachleute die Folgen sexueller Übergriffe für Kinder ein? Haben sie je die Chance auf ein normales Leben? Er würde das Kentler-Experiment als kriminell bezeichnen, weil es „den Menschen lebenslangen Schaden zugefügt hat“, urteilt der Psychiater Prof. Marc Ziegenbein, Chefarzt des Klinikums Wahrendorff. Wie tarnen sich Täter, wie erhalten sie ihre Fassade aufrecht, selbst unter Verdacht - berichten eine Polizistin und ein Sexualmediziner.
Der dritte Teil des neuen HAZ-Podcasts widmet sich auch dem dunkelsten Kapitel in Kentlers Leben. Was war dessen eigenes „Geheimnis”? Was gab er in einem Brief an einen Kollegen preis, den dieser jahrzehntelang zurückhielt, bevor er ihn der Kentler-Biografin Teresa Nentwig anvertraute?
Wo gibt es Hilfe?
Wenn ihr selbst von sexualisierter Gewalt betroffen seid oder jemanden kennt, der Hilfe braucht, findet ihr hier bundesweit erreichbare und kostenfreie Anlaufstellen:
Hilfetelefon Sexueller Missbrauch:
Telefon: 0800 22 55 530 (kostenfrei & anonym, 24/7 erreichbar)
Web: www.hilfe-telefon-missbrauch.de
Nummer gegen Kummer:
Kinder- und Jugendtelefon: 116 111 (Mo–Sa, 14–20 Uhr)
Elterntelefon: 0800 111 0 550 (Mo–Fr, 9–17 Uhr, Di+Do bis 19 Uhr)
Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ (auch für Mädchen und Angehörige):
Telefon: 08000 116 016 (rund um die Uhr, mehrsprachig)
Web: www.hilfetelefon.de
Weißer Ring e.V. – Opferhilfe
Telefon: 116 006 (täglich 7–22 Uhr)
Web: www.weisser-ring.de
Zartbitter e.V. (Bundesweite Fachberatungsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen)
Telefon: 0221 95 15 63 0
Web: www.zartbitter.de
Kinderschutz-Zentren (Bundesarbeitsgemeinschaft)
Telefon: 0221 569 72 11 (zentrale Auskunftsstelle)


