Hannover-Krimi: Ein toter Karnevalsprinz im Maschsee
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Mord am Maschsee: Susanne Schieble macht den See zum Tatort in ihrem Krimi „Hannover Helau“.
© Quelle: Frank Wilde
Hannover. „Ja, is’ et denn wahr?“ Das ist der erste Satz von Kommissarin Wilhelmine Williamson, den man liest. Und nach nur wenigen Seiten des Krimis „Hannover Helau“ (CW Niemeyer, 448 Seiten, 15 Euro) kann man sich vorstellen, in welch rheinischer Urgewalt diese Worte vorgetragen werden. „Leg dich besser nit mit mir an“, droht die Ermittlerin der widerspenstigen Kaffeemaschine im Kommissariat. Von Köln nach Hannover – Autorin Susanne Schieble (51) nimmt die Leser mit auf eine Reise, in der zwei Kulturen, zwei Lebenswelten aufeinandertreffen. Eine Reise, die sie selber im Jahr 2000 gemacht hat.
„Ich kannte niemanden“, erinnert sie sich an die ersten Monate an der Leine. Als junge Promotionsstudentin im Fach Neuere Deutsche Literaturwissenschaft war sie ihrem Mann gefolgt, der in Hannover einen Job annahm. „Es kommt darauf an, wie man den Menschen begegnet“, findet Schieble, die schnell Kontakte geknüpft hatte über die Deutsch-Japanische Gesellschaft Chado-Kai, deren Präsidentin sie seit 2013 ist. Doch dazu später mehr.
In der knurrigen Kommissarin steckt „ein bisschen“ Schieble
Einer neuen Stadt mit offenem Herzen begegnen? Das liegt der knurrigen Kommissarin Williamson hingegen gar nicht. 1,60 Meter ist sie nur groß, hat aber die Kraft und Energie eines Bulldozers, „Ich wollte eine starke Frauenfigur“, erzählt Schieble, die Bücher von Stieg Larsson (†50), Henning Mankell (†67), aber auch von Hannover-Kollegin Claudia Rimkus (65, lässt die pensionierte Leiterin des Kriminalarchivs ermitteln) liebt. „Williamson ist deftig, sie ist ungeduldig. Ein bisschen was von mir steckt in ihr“, gibt die gebürtige Bensheimerin zu. „Aber ich hatte viel Spaß dabei, die Sau rauszulassen.“ Literarisch natürlich.
Bei Schieble hört man nach mehr als 20 Jahren Hannover kaum Dialekt. „Das Theater hat das rausgewaschen“, erklärt sie. Auf die Bühne kam sie vor vielen Jahren über ein Weihnachtsmärchen im Theatercafé Lohengrin in der List. „Ich war die Erzählerin, galt als Idealbesetzung wegen der Optik“, sagt sie und lacht. Barocke Figur, wallende rote Haare. Die Rheinländerin kam auf den Geschmack, sie übernahm die Rolle einer der „Nanas“ von Niki de Saint Phalle (71) im Musical „Kröpcke“ im Raschplatz-Casino („Wir hatten auch zwei Auftritte im Theater am Aegi – das war ein tolles Gefühl“), war später Teil der Kabarettgruppe „Pudernäschen“.
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Musical mit Humor: Susanne Schieble spielt 2013 eine Nana im Musical „Kröpcke“.
© Quelle: privat
Heute gehört ihr Herz dem Improvisationstheater. Mit dem „Improthesen“ muss sie auf der Bühne spontan auf Zurufe aus dem Publikum reagieren. Und lernt dabei auch fürs Leben. „Impro hilft mir in Alltagssituationen. Mit Humor kann man viele Situationen entspannen.“ Und auch beim Konstruieren ihres ersten Krimis habe diese Art des Theaters geholfen. „Mut zum Scheitern – das ist die Basis des Impro-Theaters. Man muss einfach weitermachen.“
Susanne Schieble und die „Gruppe Poesie“
Denn ein Roman ist für Schieble Neuland, ihre Spezialität waren bislang Lyrik und Kurzprosa – mit der "Gruppe Poesie" veranstaltet sie regelmäßig szenische Lesungen. "Das Schreiben war immer da, ich habe schon als Jugendliche große Kreativität in mir gespürt." Nach dem Abi studierte sie Germanistik, Politikwissenschaft und Philosophie.
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Susanne Schieble schreibt mit Leidenschaft – vor allem Lyrik und Kurzprosa.
© Quelle: privat
Was macht man damit? „Das habe ich mich auch gefragt“, sagt Schieble mit einem kleinen Seufzer. Sie lernte Japanisch. „Man muss etwas machen, das nicht jeder kann“, war der Hintergedanke. „Aber ich fand die Ästhetik und den Minimalismus der japanischen Kultur schon immer faszinierend.“ Ein halbes Dutzend Mal war sie bereits im Land, kann sich gut verständigen – und gibt in Workshops und Coachings ihr Wissen über zwei Kulturen an Klienten weiter. Auch die früheren Hannover-96-Spieler Hiroki Sakai (31) und Takuma Asano (27) gehörten dazu. Genki Haraguchi (30), inzwischen Bundesligaspieler bei Union Berlin, trifft sie immer noch in Zoom-Sitzungen.
Wo liegen denn die Fehler in der interkulturellen Kommunikation? „Deutsche sind oft zu schnell, zu direkt. Der Weg zu einem Ergebnis in Japan ist aber lang. Das muss man akzeptieren.“ Einen ähnlichen Konflikt erlebt Schiebles forsche Kommissarin aus Köln an der Leine – zumal die Handlung von „Hannover Helau“ direkt ins Herz von Wilhelmine Williamson trifft: Es geht um Karneval!
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Susanne Schieble (links) ist Präsidentin der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Chado-Kai, hier trifft sie 2016 beim Neujahrsfest Konsulin Fumie Maruyama und Bürgermeisterin Regine Kramarek (rechts).
© Quelle: Philipp Von Ditfurth
„Ich bin aus einer karnevalsverrückten Familie“, sagt Schieble, schiebt aber nach, dass sie Kamelle und Co. in Hannover „nicht vermisst“ habe. Aber ähnlich wie ihre Krimifigur musste sie sich umstellen: „Prinzenpaar statt Dreigestirn“, sagt sie kopfschüttelnd. Sie erkennt noch andere bahnbrechende Unterschiede: „In Hannover ist das eine andere Art von Humor, es wird viel kleiner und familiärer gefeiert.“
Ein Karnevalsprinz mit vielen Lastern
Der hannoversche Karnevalsprinz Georg Middelstein schwimmt in „Hannover Helau“ jedenfalls tot im Maschsee, Feinde hatte der Rechtsanwalt jede Menge. Seine Frau, die er mit wechselnden Gespielinnen im Hotel „Lakeside“ am Nordufer des Maschsees betrog. Die Karnevalsfreunde, die er erpresste, weil sie Vereinsgeld unterschlagen hatten. Die Kanzleikollegen, der Hoteldirektor, die Chefs eines Investmenfonds, der durch Middelstein ins Trudeln kam. Reale Hannover-Karnevalisten wird man nicht darin erkennen. „Alles künstlerische Freiheit“, betont die 51-Jährige, aber nah an den Fakten. „Ich habe mir von einem Experten die Karnevalsszene hier erklären lassen.“
Entstanden ist eine launige Mischung, die beim auf Regionalkrimis spezialisierten Niemeyer-Verlag einschlug. „Ich habe ein Exposé und die ersten Kapitel hingemailt, nach einer Stunde wurde schon das gesamte Manuskript angefordert“, freut sich Schieble. Am 1. März erscheint „Hannover Helau“ – gerade noch rechtzeitig vor Aschermittwoch, wenn alles vorbei ist.
Die Lesungen
Am 1. März erscheint „Hannover Helau“ (CW Niemeyer, 448 Seiten, 15 Euro). Die Lesungen startet Susanne Schieble bereits früher. Und zwar in der Endphase der Karnevalssaison – die dieses Jahr coronabedingt leider erneut ausfällt. Das sind die vier bereits bekannten Termine. Freitag, 25. Februar, 19 Uhr, Sheraton-Hotel (Pelikanplatz 31). Der Eintritt kostet 7,50 Euro, Reservierungen unter Telefon 0511/9093600. Sonntag, 27. Februar, 15 Uhr, in der Galerie Gedok (Lola-Fischel-Straße 20). Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Reservierungen unter Telefon 0511/131404. Sonntag, 13. März, 17 Uhr, Galerie Lortzing-Art (Lortzingstraße 1). Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Reservierungen unter Telefon 0511/6963 433. Freitag, 1. April, 20 Uhr, in der Marlene (Prinzenstraße 10). Eintritt: acht Euro. www.marlene-hannover.de
Von Andrea Tratner
NP